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Wenn ein Paket beschlossen wird

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Die Stimme des Radiosprechers sagte: »Das Paket kann beschlossen werden.« Ich zuckte zusammen. Wie jetzt? Paket? Beschließen? – Quatsch! Pakete packt man, oder man bekommt sie, Pakete kann man verschicken oder empfangen, nicht aber beschließen.

Dennoch gibt eine seriös wirkende Radiostimme das von sich, und sie klingt, als ob sie wisse, wovon sie spricht: »Das Paket kann beschlossen werden.« Ich möchte mich nicht als übermäßig sensibel (und schon gar nicht als sensirrbel) darstellen, aber ich bekomme Trommelfellzirrhose, wenn ich das oder eine nicht minder deprimierende Variante anhören muss: »Das Paket kann verabschiedet werden.« Denn was beschlossen ist, kann auch verabschiedet werden, und wenn das Paket auf die Reise geht, steht ein Dutzend Männer mit ernstem Gesichtsausdruck und steifem Anzug am Ufer, nimmt Abschied und singt Lebewohl: »Good-bye, Paket, good-bye, good-bye, auf Wiederßähn …«

Ich bin nicht wolkenkuckucksverheimert; mir schwant schon, was das für eine Art Paket sein soll, das erst beschlossen und dann verabschiedet wird: ein Konvolut von Gesetzen, ein Knäuel oder Bündel bürokratischer Verordnungen, aber beim Wort »Bündel« denke ich gleich an ein Mündel beziehungsweise schlagartig an mündelsichere Wertpapiere, von denen ich einst las oder hörte: mündelsichere Wertpapiere, was für eine Einflüsterung, bis heute weiß ich nicht, worum es sich dabei handelt, doch tagelang könnte ich dieses Mantra ventilieren und durchgrübeln, »mündelsichere Wertpapiere, aaah …«, aber das führt vom Wege ab, das bringt alles durcheinander, da kommt man in Tüdder, wie meine Omma sagte, Liesbeth Kotsch, geborene Pluppins, aus Tilsit in Ostpreußen, die begnadetste und vorbildlichste Paketpackerin meiner Kenntnis.

Wahrhaftige Lebensrettungspakete schickte sie mir Anfang und Mitte der achtziger Jahre nach Berlin, gefüllt mit selbstgestrickten Socken, Schinken, Wurst, Käse und immer zwei Schachteln filterlosen Zigaretten, an denen zuverlässig ein mit Tesafilm fixierter Zettel klebte: »Aber nur zum Anbieten!« Einmal kam ein Paket abhanden; Omma schickte ein neues, und als ich es aufmachte, lag obenauf ein Zettel mit der Anrede »Hallo, Dieb!« Der potentielle Paketschänder wurde darauf hingewiesen, was für ein haltloses, verkommenes, schurkisches, übles, widerwärtiges und ahndungswürdiges Subjekt er sei, wenn er es wage, auch dieses Paket an sich zu bringen und seinem rechtmäßigen Empfänger zu entreißen. Ich möchte nicht der Dieb dieses Paketes gewesen sein; soviel Hornhaut auf der Seele gibt es gar nicht, dass man nicht für den Rest seines Lebens eine liebende ostpreußische Großmutter als Nemesis gespürt hätte, den heißen Atem ihrer Rache stets im Nacken, eine Kriemhild, dem Bösbock hinterhersteigend bis in die letzten Verästelungen seiner Alpträume noch.

Sprache ist nicht nur Mittel zum Zweck der Kommunikation – sie ist eine Möglichkeit, die Welt zu erlernen, sie sich zu eigen zu machen, nicht in einem rohen, barbarischen Akt der Unterwerfung und Untertanmachung, sondern langsam, behutsam, staunend, hingebungsvoll. Sprache wohnt die Chance inne, die Welt spielerisch zu begreifen, ohne sie dumpf zu begrapschen. Macht man aber bewusstlos und lieblos von ihr Gebrauch, wird sie stumpf und schäbig.

Das Wort »Paket« mag für manche einen profanen Klang haben und mit jenem schalen Beigeschmack der Entwertung versehen sein, der Wörtern wie »Briefzentrum« oder »Serviceleistung« längst anhaftet. Weil ich aber weiß, wie viel Liebe in den fünf Buchstaben steckt, aus denen das Wort Paket gemacht ist, werde ich es immer verteidigen gegen Sprechautomaten, die Pakete beschließen und verabschieden wollen, obwohl das überhaupt nicht geht.

Im Sparadies der Friseure

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