Читать книгу Die ihre Seele töten - Wilfried Stütze - Страница 11
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ОглавлениеDie Fuhrleute trieben ihren Pferdewagen mächtig voran, obwohl die Gassen schmal waren. Sie waren durch das Wendentor im Norden gekommen und rumpelten nun auf den mit behauenen Steinen gepflasterten Straßen durch die Stadt. Es stank bestialisch mancherorts, schütteten doch die Anwohner ihre Fäkalien oder Abwässer oft auf die Straße. So mancher Nachttopf wurde von den Hausfrauen einfach aus dem Fenster entleert. Die Fachwerkfassaden der Häuser in Braunschweig erhoben sich bis zu drei Stockwerke. Da die Erker in die Gassen hineinragten, verdeckten sie zuweilen die Sonne.
Sie wollten möglichst schnell in die Schenke. Das war ihnen zwar nicht erlaubt, aber bisher waren sie zügig vorangekommen. Der Graf sollte ruhig ein bisschen warten. Bis zum Abend würden sie ihr Ziel, das Rittergut Lucklum, erreicht haben. Es war Markttag wie eigentlich jeden Tag, aber freitags und auch samstags war besonders viel los, also noch weniger Platz in den Gassen. Überall wimmelte es von Menschen. Frauen liefen mit ihren Einkaufskörben zum Altstadtmarkt. Dazwischen schleppten Handwerker Material. Bettler baten an solchen Tagen aggressiver um Almosen. Gaukler versperrten den Weg, immer war eine Menschentraube um sie herum.
Auch sie wollten zum Markt. Franz, der erste Kutscher, knurrte: „Lass uns gleich da vorne in der Mumme-Schenke einkehren, bevor wir noch stecken bleiben.“
Sie waren schon am Klint angelangt, ziemlich nah am größten Markt der Stadt, dem Altstadtmarkt. Sepp neben ihm auf dem Kutschbock hatte nichts erwidert. Er sprach nie besonders viel.
Der Hof war einigermaßen geräumig, sodass sie gleich wenden konnten. So würden sie später kaum Zeit verlieren.
„Hey, Stallknecht! Gib den Pferden zu saufen und häng ihnen dann den Futtersack um, aber mit ordentlich Hafer drin. Hier, der Kreuzer ist für dich“, rief Franz etwas großspurig und schnipste dem Stallknecht die Münze zu.
Es roch nach Essen, Bier, Urin, Schweiß, doch die Mumme- Schenke hatte einen guten Ruf. Das Bier war unglaublich gut. Rotbier, hier wurde es Mumme genannt, aber auch Weißbier – und es gab den ganzen Tag Suppe. Der Kessel hing über offenem Feuer im Kamin und wurde immer wieder von einer Magd mit Wasser, aber auch mit Speck und Bohnen gefüllt. Handwerker, andere Kutscher und auch Kaufleute füllten den Raum. Er war vom Kamin und vom Tabakrauch verqualmt.
Sie setzten sich unaufgefordert zu zwei anderen Kutschern an den Tisch. Das war so üblich hier. Man blieb unter seinesgleichen. Franz und Sepp bestellten zwei Humpen Bier, Käse und Brot. Der Käse war hier sogar ohne Maden. Nachdem das Mahl verzehrt war, steckte sich Sepp Kautabak in den Mund und Franz zündete genüsslich seine Pfeife an. Dann kam das übliche Woher- und Wohin-Geplänkel mit den Tischnachbarn, die sich aber bald verzogen, sodass die beiden allein zurückblieben.
„Lass uns aufbrechen“, murmelte Sepp.
„Ach was, einen Humpen nehmen wir noch. Die Zeit reicht und die Mumme schmeckt, stimmt`s?“
Franz war in guter Stimmung. Der Graf bezahlte seine Kutscher im Gegensatz zu anderen gut. Will wohl sicherstellen, dass wir nicht abhauen und vor allem die Klappe halten, dachte er.
Auch Sepp stieg die Mumme jetzt langsam zu Kopf und er fing an zu reden: „Wir bringen jeden Monat eine Ladung Musketen an die Elbe in die Nähe von Magdeburg, Franz. Manchmal kommt ein zweiter Wagen leer mit und unterwegs nehmen wir Fässer aus der Pulvermühle in Schöningen auf. Da stimmt doch was nicht.“
„Das geht uns nichts an. Der Graf zahlt gut. Denk an die Mäuler, die du zu stopfen hast. Außerdem kann der Graf handeln, mit wem er will und was er will. Was soll daran nicht richtig sein? Klar, die Büchsenmacher der Stadt würde es mächtig ärgern, würden sicher selbst gerne liefern. Aber was könnten die schon ausrichten?“
Sepp, durch den Alkohol schon etwas lauter: „Aber schweigen sollen wir trotzdem, sonst lässt er uns seine achtschwänzige Katze spüren oder Schlimmeres. Und vor allem, die Musketen gehen doch an die Katholischen, oder? Das ist Hochverrat.“
„Quatsch! Zurzeit sind wir doch alle katholisch. Und jetzt halt`s Maul, sonst hört´s noch einer. Komm, lass uns verschwinden!“, zischte Franz jetzt wütend und stapfte schon zur Tür. Sepp schwankte hinterher.
Hinten im Raum zahlte ein Pfarrer, nicht ohne der Bedienung das Hinterteil zu tätscheln, und verließ ziemlich eilig die Schenke.
Pfarrer Jakob war eine gute Stunde geritten. Schneller konnte er bei seinem Gewicht nicht. In seinem pausbäckigen Gesicht wirkten seine Augen recht klein. Heute strahlten sie. Er konnte dem Grafen etwas berichten, nämlich über das Geschwätz seiner Fuhrleute. Die drei Dörfer, für die er als Pfarrer zuständig war, herzoglicher Besitz, vom Grafen verwaltet, ernährten ihn nur schlecht. Früher, als er die Söhne des Grafen noch unterrichtete, war es besser, aber heute? Da die Dörfer Rautheim, Mascherode und Melverode nahe der Stadt lagen, sollte er hin und wieder in den Schenken der Stadt und auf öffentlichen Plätzen für den Grafen die Ohren offen halten. Heute konnte er mit Informationen dienen und hoffte auf eine Belohnung.
*
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als der Graf und sein Sohn Barnward aus dem Schutz des Elmwaldes traten. Klirrende Kälte breitete sich über die Felder vor ihnen aus. Weiter unten konnten sie ihr Gut mit dem kleinen Dorf Lucklum sehen, das sich um die Kirche gruppierte. Grauer Rauch stieg aus den Kaminen. Das imposante Herrenhaus und große Teile des Gutes waren von einer hohen Steinmauer umgeben.
„Ist es nicht ein Prachtstück!“, bemerkte der Graf fast zärtlich, mehr zu sich selbst als zu seinem jüngeren Sohn.
„Ja, Vater“, kam es knapp zurück.
Er wusste, dass er nicht wirklich gemeint war. Wenn es um das Gut, die Hunde oder insbesondere um die Jagd ging, konnte man mit Vater auskommen, dachte Barnward. Einen schlechten Stand habe ich ohnehin nicht bei ihm, sicher, weil ich so manche Leidenschaft mit Vater teile. Bruder Heiner (die Gräfin hatte seinerzeit auf den in ihren Kreisen eher unüblichen Namen bestanden) kann offenbar den Freuden eines Landjunkers nicht so recht etwas abgewinnen. Dabei sind unsere Mägde doch ganz drall und auch sonst gut zu gebrauchen, schmunzelte Barnward in sich hinein.
„Seid ihr auch schon da, ihr nichtsnutzigen Tölpel von Stallknechten?“, brüllte der Graf die beiden Männer an.
Sie kamen mit den dampfenden Pferden am Zügel über den verschneiten Acker, um sie an der verabredeten Stelle dem Grafen und seinem Sohn zu bringen. Sie reagierten kaum, übergaben einfach mit unterwürfiger Haltung die Pferde.
„Ihr wartet hier auf die Treiber und helft ihnen, die Beute auf das Gut zu schaffen. Komm Sohn, lass uns reiten!“
Eine Weile ritten sie ohne ein Wort nebeneinander her: der Graf, ein stattlicher Mann, etwas korpulent mit einem feisten rötlichen Gesicht, sein jüngerer Sohn, ebenfalls stämmig, aber doch schlanker als sein Vater.
„Du hast eine sichere Hand, mein Sohn. Der Hirsch: Blattschuss – alle Achtung!“, kam es etwas stakkatohaft vom Grafen.
Barnward wusste, dass es nur eine Art Einleitung zu einem Vortrag der besonderen Art war.
„Die Jagd sollte der eigentliche Daseinszweck für einen Herrn sein. Wir haben heute Jagdglück gehabt. Was für ein Gefühl! Der Wettergott war uns gnädig, aber wir jagen bei jedem Wetter, was, mein Sohn? Kälte, Hitze, Regen: Was schert es uns? Das Messen der Kräfte des Jägers mit dem Tier: Das ist es. Erst spürst du das Wild auf, dann stellst du es. Und dann? Dann erlegst du es. Das ist Jagdglück, ein Bauer kann das nicht verstehen. Der betet um gutes Wetter und spricht von Glück, wenn er etwas erntet. Das Jagen aber ist eine tapfere und ritterliche Übung, deswegen auch dem Adel vorbehalten.“
„Wir sind gleich da, Vater. Veranstalten wir wieder ein Schüsseltreiben heute, oder …“
„Aber sicher. Ruf sie alle zusammen, auch die Büchsenmacher! Die zwei Halunken von Kutschern müssten auch heute eintreffen. Die Wachen sollen heute auch mal alle Fünfe gerade sein lassen. Wir wollen uns nicht lumpen lassen, was? Und dass mir mein jüngster Sohn dabei ist und die Gräfin.
Mein Mann hat sich in den letzten Jahren verändert, sehr verändert, dachte die Gräfin. Er bekam einfach nicht die Anerkennung beim Herzog und im gehobenen Adel, die er glaubte, bekommen zu müssen. Dann die ständigen Geldsorgen, die er trotz unserer Heirat in den ersten Jahren auf sich nehmen musste. Auch bei uns stand eben nicht alles zum Besten. Nach dem Tod des alten Grafen und seiner Mutter gab der Herzog vier von sieben überlassenen Dörfern an die Stadt Braunschweig zurück. Der Herzog hatte seine Gründe, hieß es lapidar. Als Gegenleistung bekam der Graf eine leidliche finanzielle Entschädigung und es brachte ihm immerhin die Zuständigkeit für den Niedersächsischen Kreis ein. Das hat was mit der Organisation von Ausrüstung und Waffen in Friedens- und erst recht in Kriegszeiten zu tun, wie er sagt. Manchmal vertritt er auch den Kreis bei Versammlungen als Abgesandter. Das alles kann aber nicht viel abwerfen, dachte die Gräfin weiter. Auf alle Fälle hat er das Gut in den letzten Jahren deutlich vorangebracht, denn von Geldknappheit ist keine Rede mehr. Ich verstehe nichts davon. Meine Aufgabe war und ist es, das Haus zu organisieren und mich, in den ersten Jahren natürlich besonders, um die Kinder zu kümmern. Wenn nur nicht die Wutausbrüche des Grafen wären, die er immer häufiger hat! Er wird immer jähzorniger. Wenn er jemals erfährt, dass …
„Gräfin, tummle dich. Wir feiern ein Fest. Schüsseltreiben ist Brauch nach einer erfolgreichen Jagd. Sieh zu, dass genügend Wein und Mumme da sind und mach nicht so ein Gesicht! Lass mir die Hirschleber braten, in zwei Stunden in der Halle vor dem großen Kamin.“ Und raus war der Graf. Sie hatte ihn nicht einmal hereinkommen hören.
„Wo kommst du jetzt erst her, Barnward? Habe ich dir nicht aufgetragen, deinen Bruder herzuschaffen?“
Die Hand des Grafen zuckte unwillkürlich zu seiner Peitsche. Eine achtschwänzige Katze. Aber an seinen Söhnen hatte er sich noch nie vergriffen. Die Gräfin will der eine oder andere aber schon mal schreien gehört haben.
„Lass gut sein, Vater“, sagte Heiner, der gerade dazukam. „Ich bin ja da.“
„Bringt ihm Wein und Fleisch. Setz dich zu uns an den Kamin! Das Feuer tut gut.“
Alle waren schon in ziemlicher Stimmung. Wein und Bier waren wohl schon reichlich geflossen.
Warum er wohl immer wieder diese Feste mit dem Gesinde und all den anderen macht?, dachte Heiner. Hinterher hat Mutter es wieder auszubaden. Warum sie nur immer so ruhig ist, seine Ausbrüche und wer weiß was noch alles erträgt? In letzter Zeit kränkelt sie wieder. Manchmal ist er unerträglich. Der elende Pfarrer ist natürlich auch hier. Geschlagen hat er uns früher, wenn wir, mein Bruder und ich, mal nicht bei der Sache waren. Er war so eine Art Hauslehrer. Vater beschimpfte ihn dann als elendigen Pfaffen, dem man selbst die Peitsche geben müsse, ließ aber weiter zu, dass er uns drangsalierte.
In der geräumigen Halle waren Stroh und Binsen auf dem Boden ausgelegt und lange eichene Tische und Bänke aufgestellt. Die Mägde brachten Hirschbraten und mehrere Hasen. Wildschweine hatten sie auch erlegt, aber die Stücke waren als Vorrat gedacht. Die zwei Kutscher saßen mit den beiden Büchsenmachern zusammen. Selbst für Kutscher war es ungewöhnlich, zu dieser frühen Zeit schon so betrunken zu sein. Gegenüber saßen die vier Söldner, die Wachen des Gutes, die manchmal auch die Transporte begleiteten. Der Pfarrer stand auf und bewegte sich dickwanstig in Richtung Kamin. Der Graf stand merkwürdigerweise auch gleich auf und ging mit ihm ein paar Schritte zur Seite.
Das Schüsseltreiben nahm seinen Lauf. Na, ihr Halunken von Fuhrknechten! Ich werde euch schon noch das Fell über die Ohren ziehen, dachte der Graf, während er am Platz der Kutscher angetrunken vorbeischwankte. „Das ist etwas anderes als jeden Tag Brei, wie es andere Kutscher täglich fressen müssen, was?“ Die Gräfin beobachtete die Szene.
Die beiden starrten nur noch völlig betrunken vor sich hin. Die beiden Büchsenmacher dachten sich ihren Teil. Der Graf hatte sie aus dem Schuldturm in Magdeburg freigekauft. Nun bauten sie für ihn die Musketen zusammen. Noch drei Jahre hatten sie zu dienen, dann würde ihre Schuld bezahlt sein. Immerhin mussten ihre Frauen und Kinder nicht hungern. Der Graf hatte sie allesamt mit auf das Gut genommen.
„Begleite mich bitte nach oben!“ Heiner stand stumm auf und ging mit seiner Mutter die Steintreppe hinauf.
„Geh nur“, quoll es aus dem feist rötlichen Gesicht des Grafen. „Ich werde dich nachher besuchen.“
Es wurde ihm trübselig ums Herz – wie so oft, wenn er zu viel Mumme getrunken hatte. Wenn der Herzog mir damals nicht die vier besten Dörfer genommen hätte, bräuchte ich heute nicht mit Waffen zu handeln. Aber ich habe keine Wahl. In einem verborgenen Winkel seines Herzens wusste er, dass es anders war. Er konnte einfach nicht verwinden, dass er zum eher unbedeutenden Adel gehörte. Daran hatte auch die Heirat nichts ändern können.
Oben angekommen betraten Heiner und seine Mutter gemeinsam das Schlafgemach der Gräfin. „Warum lässt du dich nur immer so behandeln, Mutter?“
„Ach, Heiner. Der Graf hat es nicht immer leicht gehabt. Er war nicht immer so, weißt du? Die vielen finanziellen Sorgen in den ersten Jahren …“
Sie sagt immer „Der Graf“, nicht „dein Vater“, wie es richtig wäre, dachte er. „Du verteidigst ihn auch noch, Mutter.“
„Was druckst du so rum. Da ist doch was.“
„Ja, da ist was“, kam es aus Heiner heraus. „Ich habe da eine Entdeckung gemacht und die Kutscher reden viel, wenn sie gesoffen haben. Und die saufen immer.“ Er machte eine Pause.
„Also: Es ist nicht legal, dass Vater Handel mit Waffen treibt.“
„Er darf doch mit Waffen handeln. Wir leben hier auf dem Land und nicht in der Stadt mit ihren Gilden und Vorschriften.“
„Nicht so ganz. Er ist dem Niedersächsischen Kreis verpflichtet. Weißt du denn, wen er beliefert? Und wie er überhaupt an die Aufträge kommt? Ist dir eigentlich bekannt, dass er das Signum der Braunschweiger Büchsenmacher verwendet, um einen höheren Preis zu erzielen?“
„Heiner, was redest du da?“
„Ja, was redest du?“, sagte Barnward und betrat merkwürdig langsam den Raum.
„Kannst du dich nicht bemerkbar machen, Bruder?“
„Es hat mich keiner gehört? Ihr wart wohl zu sehr in euer Gespräch vertieft.“
„Was hast du mitbekommen? Ist auch egal. Du weißt genau, was Vater treibt. Das ist kriminell.“
„Kriminell, kriminell“, äffte Barnward seinen Bruder nach. „Und was glaubst du, wer das Gut am Laufen hält, wer dir die Lateinschule und die Privatlehrer bezahlt hat, deine teuren Bücher, wer uns allen ein sorgenfreies Leben ermöglicht? Vater war es und ist es.“
Mein Bruder ist ehrlich wütend, dachte Heiner. Er verdrängt die Tatsache, dass er uns alle gefährdet, wenn das herauskommt.
„Geht bitte wieder runter“, ordnete die Gräfin völlig unvermittelt an. „Ich werde mit dem Grafen darüber sprechen.“ Diese kleine zerbrechliche Frau verliert nie ihre Haltung, dachten beide Brüder, ohne dass sie es voneinander wissen konnten.
„Worüber willst du mit mir sprechen, Weib?“ Der Graf polterte torkelnd ins Zimmer.
„Geht bitte!“, wiederholte die Gräfin ruhig.
„Ja, geht nur!“, lallte der Graf.
Die Gräfin fühlte nur noch Verachtung für den Mann, der da so selbstgefällig sein Wams aufknöpfte. Jedenfalls versuchte er es. Es bereitete ihm offenbar nicht unerhebliche Schwierigkeiten.
„Nein, jetzt nicht. Bitte!“ Sie hatte es in den Jahren immer wieder geschafft, Ausreden zu finden. Oft ist er unverrichteter Dinge eingeschlafen, wenn sie es nur lange genug herausgezögert hatte.
„Das Ehegelöbnis bedeutet auch, dass du zu gehorchen hast, Weib.“
„Ich habe meine Monatsregel“, log sie.
„Na und“, prustete der korpulente Mann und kratzte sich den kaum behaarten Kopf.
Mit einer Flinkheit, die sie ihm nicht mehr zugetraut hatte, schnappte er sich ihr linkes Handgelenk, bog den Arm sofort nach hinten und drückte ihren Busen an seinen Oberkörper.
„Du gehörst mir.“
Sie versuchte, sich loszureißen. Doch ihr war klar, dass er stärker war als sie. Jetzt, so erniedrigt, hatte sie den Mut, ihr Knie hochzuziehen, um es ihm in die Leistengegend zu stoßen. Gerade noch rechtzeitig konnte er ausweichen und die Gräfin, jetzt nur noch ein Häufchen erschöpftes Elend, traf ihn nur am Schenkel.
Der Graf schlug sofort zu. Während sie noch auf das Bett fiel, lief schon Blut aus ihrer Nase. Er riss ihr brutal das Kleid herunter und öffnete jetzt unglaublich geschickt seine Hosenklappe. Nur einen Augenblick später war er über ihr.
„Jetzt zeige ich dir, wer der Herr ist“, grunzte es aus ihm heraus.
Die Gräfin sah nur noch seine verkniffenen Schweinsaugen. Sie schmeckte Blut im Mund und es tat weh. Aber das Schlimmste war die Erniedrigung, so geschändet zu werden. Sie würde es ihm jetzt sagen.
Jetzt! Jetzt!
Der schwere Mann wälzte sich von ihrem Körper.
„Bist du stolz auf das, was du eben getan hast? Vor wem willst du dich brüsten? Geh doch runter in die Halle und erzähle allen, dass du gerade deine Gattin vergewaltigt hast! Auch diesem gruseligen Mönch natürlich, mit dem du neuerdings immer zusammensteckst.“ Die Gräfin sprach leise. „So wie damals, als du deinen Sohn gezeugt hast. Dein Sohn wird stolz auf dich sein.“
„Ich habe zwei Söhne“, kam es etwas irritiert. Warum sagt sie das jetzt? Und so leise, dachte der Graf.
„Du hast einen Sohn. Heiner ist nicht dein Sohn. Er hat nicht ein solches Schwein zum Vater.“ Augenblicklich bereute sie das Gesagte, denn Barnward konnte ja nichts für seinen Vater.
Ich habe einen Bastard großgezogen, schoss es dem Grafen sofort durch den Kopf. Jetzt ist mir klar, warum Heiner so anders ist, als … Ich dachte, er schlägt eben mehr nach der Mutter, aber … „Wer ist der Vater?“ Und schon sauste die achtschwänzige Katze auf den Rücken der Gräfin. Sie hatte sich gerade noch umdrehen können, um die Striemen nicht ins Gesicht zu bekommen. Wie er die Peitsche so schnell in die Hand bekommen hatte, war ihr unerklärlich. Und schon schlug er sie zum zweiten Mal mit voller Kraft.
„Erlöse mich, Herr!“, schrie die Gräfin. Es kam kein Schlag mehr. Die beiden Brüder – Halbbrüder – hingen am Grafen und hinderten ihn. Sie hatten die Schreie gehört.
„Sag, wer mein Vater ist!“ Heiner war totenblass, aber gefasst. Das hatte er wohl von der Mutter, immer die Contenance zu wahren, so lange es eben ging. „Es hat doch keinen Zweck. Sag es bitte!“ Der Graf war ganz still geworden.
„Es ist Heinrich Schlachmann, ein Büchsenschmied aus Braunschweig. Er weiß nichts davon. Ich habe ihn nie wiedergesehen“, kam es jetzt fast krächzend aus ihrem Mund. Verzeih mir, Heinrich! Mehr kann ich nicht ertragen, dachte sie noch und verlor das Bewusstsein.