Читать книгу Die ihre Seele töten - Wilfried Stütze - Страница 15
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Оглавление„Michael sollte mithelfen. Die Waschküche muss hergerichtet werden“, schimpfte Heinrich so ins Blaue hinein und wuchtete die Schlachtbank aus schwerer Eiche auf den Hof. „Lass gut sein, Heini. Er wird sich mit Camann verquatscht haben.“
„Genau so ist es“, rief Michael und sprang mit einem Satz auf die Schlachtbank. Keiner hatte ihn gehört oder kommen sehen.
„Du bist ein Krieger“, flüsterte Johann vor sich hin und wusch weiter seine Molle aus.
Alle mussten mithelfen, wenn Schlachttag war. Johann allerdings verflüchtigte sich wie jedes Jahr, wenn es ans Eingemachte ging. „Schlachten ist nicht mein Ding“, sagte er dann nur und hinkte davon. Abends, wenn er zum Schlachtfest wieder auftauchte, spendierte er dann Heinrich einen Braunschweiger Taler. Davon ließ er sich von nichts und niemandem abbringen. Inzwischen nahmen das alle als gottgegeben hin. Genauso, wie er ja jeden Monat seinen Taler übergab, obwohl er das nicht brauchte - er wollte es so. Alle wussten oder ahnten, dass er aus dem Krieg einen Schatz, oder sollte man besser sagen, eine Beute, mitgebracht hatte. Jedenfalls war er unabhängig - Michael verstand das nur zu gut.
„Ich ziehe mich nur um, dann helfe ich Vater“, und schon war Michael in der Diele verschwunden.
Während er sich umzog, dachte er noch mal an das Gespräch mit Camann zurück. Allein sein Arbeitszimmer, wie er es nannte. Die Höhle eines Gelehrten. Überall waren Bücher. Bücher und nochmals Bücher und wie immer hatten wir einen Diskurs über die aktuelle Politik.
Bei so vielen Händen waren die Vorbereitungen bald beendet. Alle sahen dann aber zu, ins Bett zu kommen. Der eigentliche Schlachttag war arbeitsreich und lang. Zuweilen auch lustig. Michael malte sich den Tag, im gemütlichen warmen Bett liegend, aus. Er hatte seit seiner Kindheit beim Schlachten mitgeholfen. Hausschlachter Lampe sagte immer, er könne ihn gut als Gehilfen brauchen. Nun, er stellte sich tatsächlich geschickt an. Packte einfach zu.
Anfangen würde der Tag morgens um vier Uhr. Rein in die Klamotten und dann hinaus in die Kälte. Michael zog sein Federbett unweigerlich etwas höher. Es ging dann zum Bauern Mühlberg, gleich vor dem Gliesmaroder Turm. Man nahm immer den Ackerwagen, denn immerhin musste das Schwein samt Behälter transportiert werden. Knecht Alwin hatte in der Regel schon eingespannt. Seit einigen Jahren fütterten sie keine Schweine mehr selbst. Die Büchsenschmiede ließ dazu keine Zeit mehr übrig.
Bei Bauer Mühlberg angekommen ging es immer gleich in den Stall. „Das da. Mit dem schwarzen Kreis. Das ist Eures“, knurrte der Bauer dann jedes Mal. Ihm war es wohl auch immer zu früh. Das Schwein war mit einem verkohlten Stück Holz gekennzeichnet. Es wurde erst auf die Waage gestellt und dann quiekend in den Behälter bugsiert. Der kam schließlich auf den Ackerwagen.
Wenn Michael sich hätte sehen können, eingekuschelt in seinem Deckbett, hätte er einen jungen Mann mit einem ziemlich glücklichen Gesichtsausdruck gesehen. Ein Gesicht, das strahlte und Augen, die leuchteten.
Michael ging alles im Geiste durch. Das Handeln um den Preis, pro Kilo Lebendgewicht. Obwohl der ja schon vorher festgemacht wurde, aber das war das Ritual. Manch ein Bauer gab dem Schwein vorher noch ordentlich zu saufen, wegen des Gewichtes, aber Bauer Mühlberg war so etwas nicht zuzutrauen - wahrscheinlich. Dann wurde eingeschlagen und darauf musste der erste Schnaps des Tages getrunken werden. Und dann noch einen, denn auf einem Bein konnte man ja nicht stehen. Es war immerhin noch vor Sonnenaufgang.
Im Meinhardshof angekommen, ging es dann darum, dem Schwein erst mal einen Strick um einen Hinterlauf zu legen. Das war in der Regel Michaels Aufgabe. Das war nicht ungefährlich, je nachdem wie aufgeregt das Schwein war. Heinrich Schlachmann wollte das auch nicht unbedingt und er wollte erst recht nicht dabei sein, wenn Schlachter Lampe die Pike ansetzte und dem Schwein einen vor den Kopf gab, dass es umfiel. Dann hieß es schnell sein. Das Messer in die Kehle und mit zwei Mann rauf aufs Schwein und zu Boden gedrückt. Bis es aufhörte zu zappeln. Die zarte Anna war es, die immer die Molle hielt, in die das Blut floss. Sie musste es auch mit der Hand rühren, damit es keine Gerinnung gab. Später würde man es für die Rotwurst brauchen.
Schließlich wurde das Schwein abgebrannt, damit die Borsten weg waren und dann mit heißem Wasser und dem Messer nachgearbeitet. Schön sauber. Später, nachdem das Schwein mit den Hinterpfoten an einen Schwengel gehängt und an einem Haken unter dem Schauer hochgezogen war, kam die erste Pause in Sicht. Das Schwein musste erst mal auskühlen. „Und wenn das Schwein am Haken hängt, wird erst mal einer einschenkt“, rief dann der Schlachter. Sarah kannte die Gebräuche und rauschte schon mit der Schnapsflasche an. Sie hatte es eilig. Es gab viel zu tun an einem solchen Tag, auch für die Frauen. Seit vier Uhr heizte die Magd Erna den Kessel und würde ihn den ganzen Tag nicht lange aus den Augen verlieren.
„Michael, drehst du wieder die Mettwurst durch?“, fragte Schlachter Lampe gewöhnlich. Der Schlachttag neigte sich dem Ende zu. Mettwurst machen war eine der letzten Arbeiten. Und ich würde antworten: „Das mache ich doch jedes Jahr.“ Bald wohl nicht mehr, kam es ihm noch in den Sinn, bevor er einschlief.
Am nächsten Morgen betrat Michael die vom Kessel verquiemte Waschküche. Die Würste wurden gerade herausgenommen und im kalten Wasser geschwenkt. Dann brachte Anna sie in die Wurstkammer. Karl war inzwischen auch da. Die Schmiede lief ja weiter - auch an solch einem Tag.
„Komm ran, Michael. Wir wollen fertig werden.“
„Klar, Schlachter Lampe. Und du weißt ja, nach jeder siebenten Wurst gibt es einen Schnaps.“ Alle lachten.
„Michael!“, blitzte Sarah.
„Na gut. Nach jeder elften Wurst.“
Sarah wischte sich den Schweiß von der Stirn und schüttelte den Kopf.
„Keine Sorge Mutter, nur noch einen.“
„Oder zwei“, rief Bruder Hinrich.
Alle freuten sich schon insgeheim auf das Abendessen und das gemütliche Beisammensein. Das eigentliche Schlachtfest. Karl musste noch die Mettwürste auf den Boden bringen. Dort würden sie trocknen, bis sie reif waren - so sechs bis acht Wochen. Heinrich Schlachmann kümmerte sich noch um die beiden Hinterschinken. Er legte sie in einen Holzbottich und bedeckte sie ganz mit Salz. In dieser Sole würden sie dann sechs Wochen liegen bleiben, bis sie ebenfalls zu den Mettwürsten auf den Boden kamen und dort blieben, bis der Kuckuck ruft, so im Mai. Dann erst würde der Schinken von Vater Schlachmann angeschnitten werden. Voller Stolz, ganz Hausherr.
Vorläufig für mich das letzte Schlachtfest, dachte Michael. Auch ich komme ja mal wieder, schob er den Gedanken sofort beiseite.
Wenn er gewusst hätte, dass auch Menschen geschlachtet wer…
Jeder hatte sich noch mal ein bisschen gesäubert und versucht, den Gestank des Tages loszuwerden. Beim Schlachten allerdings roch es sowieso im ganzen Haus. Tagelang war das so. Alle saßen um den großen Tisch herum. Alle, die mitgeholfen hatten, so war es der Brauch. Michael sah dem Treiben zu. Er fühlte sich zufrieden hier - im Kreise seiner Lieben. Ein wohliges Gefühl von Geborgenheit erfüllte ihn. Viele hatten noch erhitzte Gesichter. Zu allem Überfluss war auch der alte Kamin noch an. Sarah konnte es nicht lassen. Aber sie bestand darauf, das Kesselfleisch würde so am besten schmecken. Vielleicht erinnerte sie irgendetwas in dem Zusammenhang an Spanien, an die Hazienda. Michaels Blick fiel auf Karl; der wirkte wie immer ruhig und gelassen. Ich glaube, Karl hat nur seine Schmiede im Kopf. Und natürlich Anna. Schön eigentlich. Hinrich sitzt natürlich neben Onkel Johann, wie jedes Mal. Die beiden werden ordentlich einen bechern heute - auch wie jedes Mal. Na und, dachte Michael, den Blick weiter in die Runde schweifen lassend. Warum auch nicht. Vater hat seinen Platz vor dem Tisch, an der Stirnseite. So wie es ihm gebührt. Doch sichtbar ein wenig stolzer an solchen Tagen, als man es sonst von ihm gewohnt ist. Mutter und Anna schmeißen wie immer den Laden. Immer darauf bedacht, dass der Knecht und seine Frau und Otto der zweite Geselle und der Lehrling schön am Tisch sitzen blieben. Jeder hatte seinen Beitrag geleistet und nun sollten alle Schlachtfest feiern. Das war Sarahs Credo. Natürlich war auch Alfonso mit seinem Sohn Antonio beim Essen dabei, obwohl sie nicht mitgeholfen hatten. Das war einfach nicht ihre Sache.
Sarah und Anna trugen auf, was das Zeug hielt. Frisches Mett. Natürlich gekochtes Bauchfleisch aus dem Kessel. Es dampfte nur so und roch vorzüglich, auch ein wenig nach Thymian. Sarah hatte immer getrockneten da. Dann die Knackwurst und die Leberwurst. In die Sülze kam ein wenig Muskat. Schwer zu bekommen in Braunschweig und dazu noch sehr teuer, aber Sarah bestand darauf. Dazu gab es eingemachte Gurken, Meerrettich und natürlich Mumme. Viel Mumme. Es wurde gelacht und sich zugeprostet.
All das nahm Michael wohl dieses Mal besonders wahr, obwohl er es doch schon so oft erlebt hatte. Die Stimmung war wunderbar. Michael sah, wie sein Vater seine Sarah anschaute, ohne dass die es bemerkte - voller Zärtlichkeit. Und wohl auch Dankbarkeit. Die beiden sind glücklich. Meine Eltern sind glücklich.
In Otto brodelte es. Ich muss es jetzt bringen oder nie. Lena bekomme ich ohnehin nicht. Also was soll es? „Wo hast Du eigentlich die Muskatnuss her, Meisterin.“ Die Stimme kam plötzlich, laut und schneidend - mitten in das fröhliche Treiben hinein. „Und die vielen Kräuter. Sind das Hexenkräuter?“
„Was fällt dir denn ein, Otto?“ Michael war der Erste, der die plötzliche Stille unterbrach. „Verträgst wohl die Mumme nicht, was?“
Sarahs sonst dunkelbraune Augen waren tiefschwarz, wie Kohlestücke. Sie sprach langsam. „Vom Markt, Otto. Es gibt einen Händler, der bringt sie manchmal mit.“ Sarahs ganze Haltung hatte sich verändert. Sie glich einem Raubtier kurz vor dem Sprung. Hier störte jemand ihre Familie, ihre Hausgemeinschaft und drang in die heilige Sphäre ihrer ‚Hazienda‛ ein. Sie wusste instinktiv, das hat nichts Gutes zu bedeuten.
„Man sagt, Muskat hilft auch gegen die Pest, aber nur, wenn Hexen es mit ihrer Teufelsspucke vermischt haben“, zischte Otto.
„Komm, Otto, was ist los mit dir? Lass uns weiter feiern“, mischte sich jetzt auch Karl ein.
„Du kannst mich mal“, kam es scharf zurück.
Was ist bloß in ihn gefahren, dachte Heinrich.
„Vor Kurzem hat man wieder eine Hexe verbrannt. Im Lechlumer Holz. Der Wald besteht inzwischen aus über siebzig Brandpfählen. Es wird wohl nicht die Letzte gewesen sein. Sie hatte immer eine Katze auf der Schulter. Deine Lea sitzt doch auch oft auf deiner Schulter, oder?“
„Ja, Otto. Muskat hilft angeblich gegen die Pest. Jedenfalls sagen das die Araber. Auch in den Städten Südspaniens weiß man darum. Jedermann kann es nehmen, wenn er glaubt, dass es hilft. Wie kommst du auf Hexen? Sag es mir?“ Sarah straffte ihren Körper noch weiter. Sie wollte die Hoheit im Raum wieder gewinnen.
„Wie kommst du überhaupt dazu, in meinem Hause die Stimme zu erheben?“ Heinrich Schlachmann, der bedächtige Büchsenmacher war aufgesprungen. „Du verlässt sofort diesen Raum. Dein Geld hast du ja wie üblich schon vor Weihnachten bekommen. Und morgen packst du dein Bündel und verschwindest von hier. Und jetzt raus!“
Eine Zornesader, die noch nie jemand bei Heinrich gesehen hatte, zeigte sich an der Schläfe. Jeder wusste, dass Heinrich nie viel sprach. Jeder wusste aber auch, wenn er etwas sagte, hatte es in der Regel Hand und Fuß. Und, wie auch in diesem Fall, war es endgültig. Otto stand, fast schon gelassen, auf und ging zur Küchentür.
Dort angekommen drehte er sich noch einmal um. „Es heißt, ein Mönch hat deinem Vater in Celle den Prozess gemacht. Du bist die Tochter eines Zauberers, Sarah Schlachmann.“
Die Unterhaltung kam nur langsam wieder in Gang, aber sie kam in Gang. Die meisten dachten wohl, Otto hat einfach zu viel getrunken oder sie wollten sich einfach einen solchen Abend nicht verderben lassen.
Michael sah seine Mutter, die gedankenverloren Geschirr wegräumte, Mumme brachte, hin und her ging. Er dachte an die Worte Don Alfonsos. Nein, seine Mutter war glücklich mit ihrem Mann und uns Kindern. Gut, heute das hat sie doch wohl etwas mitgenommen. Siedend heiß kam es Michael in den Sinn: Das Wort Hexe war es. Ihre Mutter ist in Spanien, letztlich durch die Inquisition gestorben und es stimmt schon – Don Miguel kam in Celle durch die peinliche Befragung ums Leben. Ihm wurde klar, warum auch Don Alfonso nicht mehr so recht in Gang kam.
Anna war rührend besorgt um ihre Mutter. Sie spürte wohl, dass etwas nicht stimmte. Mein Schwesterherz, dachte Michael. Sie ist wirklich ein bisschen wie Mutter. Onkel Johann verlangte nach einem Schnaps. Er würde heute noch mehr davon trinken. Beim eigentlichen Schlachten war er nie dabei. Er kann kein Blut sehen, neckte ihn immer Bruder Hinrich. Obwohl er ja Landsknecht war. Johann sagte nie etwas dazu. Verschwand einfach und abends zum Schlachtfest war er wieder da.
Michael saß in der Runde, die ihn Gott sei Dank für einen Moment ausschloss, und konnte so seinen Gedanken weiter nachhängen. Sarah und Anna waren schon beim Aufräumen.
„Mutter, Vater, allesamt. Ich gehe ins Bett. Lasst Euch das Leben nicht durch diesen Kerl versauern. Er hat wohl einfach zu viel getrunken.“
Alle wussten, dass es nicht so war, auch Michael. Warum nur hat er so vehement den häuslichen Frieden gestört?, fragte sich Michael, als er die Stiege zu seiner Kammer hochging. Erst taucht plötzlich unser Halbbruder Heiner auf und jetzt das.
„Heini, kommst du?“, hörte er seine Mutter rufen.
*
Der Graf hat gesagt, das heißt, der Pfaffe hat es mir ausgerichtet, dass er mich praktisch als Meister einstellt. Dreifacher Lohn, Kost und Logis. Zwei Gesellen soll ich bekommen. Was sollte mich hier auch noch halten? Anna will ja unbedingt diesen Karl.
Otto verharrte noch einen Moment in der Diele. In der Küche war das Gespräch langsam wieder in Gang gekommen. Nicht mehr so munter, aber immerhin. Sie werden jetzt eine Weile über mich reden. Das wird reichen.
In der Diele stand die eisenbeschlagene Truhe. Otto hob den schweren Deckel an und sah auch schon das Buch des Handelshauses Don Miguel oben aufliegen. Was für ein Glück, dachte Otto. Er nahm das Buch an sich und verließ zielstrebig das Haus quer über den Hof in Richtung Werkstatt. Hoffentlich hat der Meister nicht abgeschlossen, aber notfalls muss ich eben Gewalt anwenden. So ein Schloss dürfte ja für einen Schmied kein Problem sein. Die Tür war, wie eigentlich immer, offen. Schlachmann muss an einem Gewehr arbeiten. Karl und Anna haben darüber gesprochen.
Otto musste im Raum herumtasten. Die Werkstatt war klein. Er wusste aber, dass rechts oder links neben der Tür ein Schrank oder Ähnliches war. Wenn der Meister die Tür offen hatte, konnte man gegenüber die Werkbank sehen. Da er nie eine Arbeit auf der Arbeitsplatte liegen ließ, verstaute er sie wohl im Schrank oder in einer Truhe. Das Vorhängeschloss war offen.
Welch ein Leichtsinn, schoss es Otto durch den Kopf. Es kam ihm nicht mal ansatzweise in den Kopf, dass Heinrich Schlachmann einfach Vertrauen in die Seinen hatte.
Otto fühlte die Umrisse einer Büchse. Da war sie, die Jagdbüchse, von der Karl und Anna gesprochen hatten. Der Graf wird mich belohnen. Er wollte ja eigentlich nur das Buch.
Das Handelsbuch war oft Gesprächsthema, wenn gemeinsam gegessen wurde. Da alle so ein Gewese darum machten, hatte Otto dem Grafen davon erzählt.
Hoffentlich hält Marga Wort und lässt mich rein. Sie ist zwar eine Hure, aber wir haben uns ja immer verstanden. Vor dem Morgengrauen komme ich jedenfalls nicht durchs Tor. Dann ein Stück zu Fuß hinaus und die Fuhrknechte des Grafen erwarten mich. So ist es geplant. Und so wird es kommen. Adieu, Meister Schlachmann und Adieu Anna.
Drei Monate waren ins Land gegangen. Der Winter stellte sich langsam darauf ein zu gehen, um dem Frühling das Feld zu überlassen. Michael und seine gesamte Familie näherte sich ebenfalls einem Wendepunkt – unaufhaltsam.
*
Der Mönch lehnte immer noch am Stamm der Heinrichslinde vor dem Dom. Vorsichtig trat er einen Schritt nach vorne. Er wollte Bewegungsfreiheit haben. Dann hob er ganz langsam die Armbrust. Endlich kann ich meinen Auftrag erfüllen. Gleich morgen schreibe ich an den Großinquisitor. Ich werde niemanden schonen. Der Racheengel wird euch alle vernichten.
Noch ein paar Schritte, Don Alfonso, dann fährst du zur Hölle.
Plötzlich blieb Alfonso abrupt stehen. Er schob etwas aufgeregt wirkend seinen Umhang hoch und nestelte an seinem Gürtel herum. Er hatte wohl etwas Wichtiges bei der Witwe vergessen. Er machte kehrt und ging schnellen Schrittes zurück.
Die sonst so fahle Gesichtshaut des Mönchs rötete sich. Er brauchte lange, um sich zu fassen und zu verstehen, dass seine Absicht, Alfonso zu töten, fürs Erste vertan war. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als den Rückzug anzutreten. Der Graf hatte Wort gehalten. Die Wachen öffneten ohne viel Umstände das Tor.