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Kindheitserinnerungen – Raben
ОглавлениеVon Raben habe ich gesprochen. Von meinem Platz auf dem Burgberg hoch über dem Tal und meinem Dorf, gegenüber der kleineren Siedlung von meinem Ahne, schaue ich mich um, ob ich keinen der schwarzen Kerle sehe. Nein, grade jetzt sehe ich keinen. Dabei sind sie sonst immer da, sommers wie winters, morgens wie abends, schreien durch die Luft und hocken auf Äckern und Wiesen – fallen wie ein schwarzer Hut aufs Land. Deswegen sagt mein Ähne auch Talrabb zu einem breiten Hut: weil der so weit über den Kopf ringsum hinausgeht wie die schwarzen Raben, wenn so eine Schar auf einen Acker oder auf eine Wiese niederfährt. Wenn geackert wird, dann sind sie gleich da und schnabeln die Würmer aus den Furchen. Dabei kann man die Würmer brauchen: die schaffen den Boden genauso um wie der Pflug und die Egge, sagt der Ähne.
Die Raben sind in der Luft und auf dem Boden; sie krähen im Tal und auf den Bergen. Sie schwitzen nicht und sie frieren nicht: sie haben immer bloß Hunger. Wo schlafen sie eigentlich? Und schlafen die überhaupt? Ja, wo? Auf den Bäumen, auf dem Boden oder auf den Stromdrähten? Sie müssen eine Heimat haben, sonst hätten wir als Kinder doch nicht immer das Lied gesungen: »Rab, Rab, dei Häusle brennt; sitzat sieba Jonge dren ...« Und wenn es irgendwo gebrannt hat, dann haben wir geglaubt, jetzt ist den Raben ihr Häusle abgebrannt. Vielleicht müssen sie deshalb dauernd fliegen, und das ist schon sehr lange her, daß denen ihr Häusle abgebrannt ist, und wir erzählen es uns immer noch, so wie man sich sonst auch die gleichen alten Geschichten vom Leben und Tod immer noch erzählt ...