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Brenda Fairday war die einzige Frau unter den Erste-Klasse-Passagieren, aber sie hätte die Blicke der Mitreisenden auch auf sich gezogen, wenn die Auswahl größer gewesen wäre. Ein paar Autogrammjäger hatten sich aus der Touristenklasse zu ihr durchgekämpft; und während die bekannte Publizistin ihnen den Wunsch erfüllte, überlegte sie, ob ihre Leser sie auch mit dieser lästigen Aufmerksamkeit verfolgen würden, wenn sie künftig eine schlichte Frau Nobis wäre.

Sie konnte mit ihrem Aussehen zufrieden sein, obwohl sie im Spiegel eine strenge Kritikerin war. Als Frau hatte sie bislang ihre äußeren Vorzüge als einen Glücksfall gewertet, ohne sie zu überschätzen. Sie war einfach glücklich, dem Mann ihrer Wahl zu gefallen. Alles hatte sich geändert, und es gab endlich keinen Aufschub mehr. Dabei war ihr erster Anlauf vor zwei Jahren mit Martin verunglückt. Sie war in den Sog der Sehnsucht geraten und ein wenig verwundert darüber, daß man erst 30 Jahre alt werden mußte, um diesem Aufstand der Gefühle zu verfallen.

Neben Brenda saß Mike Blower. Nur sie und die Offiziere im Cockpit wußten, daß dieses Dutzendgesicht nicht ein farbloser Geschäftsmann aus Boston, sondern ein FBI-Agent war. Hinter ihm Professor Hammersmith, der berühmte Atomwissenschaftler, der gar nicht bemerkte, daß er bewacht wurde, und in der Reihe vor Brenda bereitete Mr. Lovestone die Begrüßungs-Ansprache an seine deutschen Aktionäre vor.

Es kam kaum ein Gespräch auf. Die Stimmung war flau, fast schläfrig. Brenda schreckte hoch, als Mike den Co-Piloten sah.

»Wie schaut denn der aus?« sagte er und lachte. »Schon komisch, wenn ein Pilot luftkrank wird, was?«

Jim stand auf der Wendeltreppe, hinter ihm ein anderer Passagier. Brenda erfaßte sofort, daß der Mann im Fliegerblau verstört war und der FBI-Mann sie mit seinem dummen Witz darauf aufmerksam machen wollte. Jim hielt sich krampfhaft am Geländer fest, ging wie geschoben. Er sah aus wie ein Mann, der im Schock Fahrerflucht verübt hatte und von einem Kripo-Beamten abgeführt wurde.

Mike Blower setzte ein schläfriges Gesicht auf, gähnte und beugte sich nach vorn, wo Mr. Lovestone saß.

Jim winkte dem Präsidenten mit den Augen.

»Mr. Lovestone«, sagte er halblaut.

Der Präsident sah unwillig von seinen Notizen auf.

»Was ist denn los?« fragte Mr. Jet-Air abweisend.

»We are hijacked«, raunte Jim ihm zu.

Mr. Lovestone verlor seine gesunde Gesichtsfarbe. Er stand zögernd auf. Er wirkte einen Moment lang wie gelähmt, obwohl er noch nicht begriffen hatte, daß er seine Ansprache morgen nicht halten konnte.

Sie gingen über die Wendeltreppe nach oben. Zu dritt.

»Augen auf, Mund zu«, raunte der FBI-Mann Brenda zu. »Wir sind gekidnappt.« Laut und aufdringlich fragte er: »Darf ich Sie zu einem Drink einladen, Miß Fairday?« Er dienerte linkisch. »Oben im Salon.«

»Nur Orangensaft«, zögerte Brenda und ging dann voraus.

Ohne zu fragen, hatte der FBI-Mann sie zu seiner Gehilfin ernannt. Er verstand sein Handwerk, auch ein Profi, aber auf der gesetzlichen Seite. Mit einer Pistole bewaffnet. Ausgerüstet mit einem Mini-Mikrofon und einer Mini-Kamera. Außerdem munitioniert mit 15 harten Dienstjahren bei der US-Bundespolizei. Seine Geheimwaffe: Keiner kannte ihn –zumindest kein Passagier – und auch kein Gangster, der sich für einen Passagier ausgab.

Brenda setzte sich an die Bar. Sie sah dem Co-Piloten und Mr. Lovestone nach, die im Cockpit verschwanden, und wandte sich einem alten Bekannten, Mr. Greenhill zu. »Die haben wohl heute den Tag der offenen Tür«, fragte sie verwundert.

»Entschuldigen Sie mich einen Moment, Miß Fairday«, sagte Mike und näherte sich hastig dem WC vor dem Cockpit.

»Das ist leider gesperrt«, fing ihn der Passagier, der den Co-Piloten bewacht hatte, ab.

»Warum?«

»Weiß ich auch nicht«, brummte Sandy. »Aber es gibt ja noch genug andere.«

Verstohlen sah er zur Cockpit-Tür; er wartete ungeduldig darauf, daß der Zauber endlich losginge und er seine MP nicht mehr unter der Jacke zu verstecken brauchte. Sein Unwillen lenkte ihn ab; für ein, zwei Sekunden nur – aber Mike hatte inzwischen sein Bild mit der unsichtbaren Kamera geschossen.

Der Bordlautsprecher räusperte sich: »Hier spricht der Captain«, sagte Martin in das Mikrofon. Seine Stimme hatte es schwer, sich gegen Gespräche, Geräusche und die Filmvorführung durchzusetzen. »Ladys und Gentlemen« ,begann er von neuem, »ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, daß einige Herren an Bord sind, die andere Ansichten über unser Reiseziel haben.«

Es wurde still, obwohl die meisten die Tragweite dieser Worte noch nicht erkannt hatten. Nur die Kinder tobten weiter in den Gängen, aber die Stewardessen hatten andere Sorgen, als sie auf ihre Plätze zu zwingen.

»Diese Leute haben eine Höllenmaschine in der Maschine versteckt. Im Interesse Ihrer Sicherheit muß ich mich ihren Forderungen fügen«, fuhr der Chefpilot fort. »Ich bitte Sie, Ruhe zu bewahren und alle unbesonnenen Handlungen zu unterlassen.« Seine gelassene Stimme klang müde, als er hinzufügte: »Der Anführer dieser Leute wird Ihnen seine weiteren Pläne selbst erläutern.«

Es war still, bis auf ein Kinderlachen und ein halblautes Gebet, das einer der Bischöfe sprach. Doch keiner hörte zu, obwohl viele gläubige Christen in der Maschine waren.

»Schick, Mädchen!« fistelte der Pariser Modeschöpfer. »Das gibt ′ne Reklame!«

»Hoffentlich haben wir noch etwas davon«, maulte eines seiner Modelle.

Dann kam wieder eine Welle der Stille. Jetzt hatten auch die letzten begriffen, daß sie in der Falle saßen. Wie immer in Krisensituationen, erwiesen sich zunächst die Frauen als das starke Geschlecht.

Laute wurden leiser und verstummten ganz. Schwätzer entwickelten sich zu Schweigern. Bereits nach der ersten Durchsage zeigten sich Ansätze, die eine Zufallsgemeinschaft bis an die äußerste Grenzsituation treiben sollte. In ein Wechselspiel von Angst und Mut, von Hitze und Kälte, von Egoismus und Selbstlosigkeit, von Erbärmlichkeit und menschlicher Größe.

Der Atomwissenschaftler blieb weiterhin der Typ des zerstreuten Professors, und am meisten Angst zeigte der Oberrabbiner, der an arabische Terroristen glaubte und als einziger erleichtert war, zu erfahren, daß er sich nur in der Hand hartgesottener amerikanischer Gangster befand.

Ihr Anführer bezog in der Lounge sein Hauptquartier. Sandy hatte die Waffe im Anschlag und trieb Brenda, Mr. Greenhill und Mike Blower nach unten.

»Ich heiße Henry Smith«, stellte sich der Verbrecher vor. »Und ich bin Ihr neuer Reiseleiter. Wenn Sie sich ruhig verhalten, passiert Ihnen nichts. Wir sind keine Unmenschen. Uns kommt es nicht aufs Blutvergießen an, sondern aufs Geldverdienen.«

Der italienische Akzent war für den FBI-Mann unüberhörbar und das Rachen-R ganz deutlich. Also Jack Dossola, sagte sich Mike Blower. Vielleicht der meistgesuchte Gangster unserer Zeit, passierte unentdeckt alle Kontrollen, und auch sein Steckbrief, der an jeder Ecke hängt, konnte ihn nicht aufhalten. Also hatte sich der Verbrecher ein zweites Gesicht Gesicht schneidern lassen, das keinerlei Ähnlichkeit mit seinem Fahndungsfoto aufwies.

Die Gelegenheit war günstig.

Lautlos arbeitete die Kamera.

Die neue Visage des Gangsterführers war im Kasten. Es fragte sich nur, wie man den Film aus 12000 Meter Höhe und 3000 Meilen Entfernung der US-Polizei zuspielte.

Ausgerechnet der schmächtige Mr. Greenhill stellte sich dem Gangsterboß in den Weg: »Ich habe eine Geschäftsbesprechung«, zeterte der angesehene Mann von der Sutton Place. »Ich muß heute abend in Frankfurt sein.«

»Schlagen Sie sich das aus dem Kopf«, erwiderte Dossola gleichgültig.

»Sie Lump!« schrie der Geschäftsmann. »Sie Verbrecher!«

Der Mann mit der Dolchnase stieß den Passagier grob auf seinen Sessel zurück.

»Überlegen Sie sich künftig besser, was Sie sagen«, entgegnete er. »Ich kann Ihnen jetzt schon garantieren, daß Sie der Letzte sein werden, den wir laufenlassen – falls Sie sich ab jetzt gut führen.«

»Und ich verspreche Ihnen«, versetzte Mr. Greenhill, »daß Sie für diese Frechheit fünf Jahre Sing-Sing extra bekommen.«

Keiner mischte sich in den Streit. Es war 10 Uhr 16 New Yorker Zeit, und Captain Nobis bereitete den Code 3100 vor. Es war der internationale Notruf bei Entführungen.

Auf dem Radarschirm würde der Jumbo ›Happy Day‹ als ein blinkender Punkt erscheinen und der Bodenstation die Hölle am Himmel signalisieren.

Hölle am Himmel

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