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Die Hindin, die den Löwen wünscht zum Gatten
ОглавлениеIn Ende gut, alles gut ist Helena in Bertram, den Graf von Roussilon verliebt, aber wegen des Standesunterschieds traut sie sich nicht, ihre Liebe zu offenbaren. Als Bertram an den Hof des Königs von Frankreich geht, trauert Helena über seine Abwesenheit. Bertrams Mutter denkt, sie trauere um ihren kürzlich verstorbenen Vater, einen berühmten Arzt.
HELENA
Ach wär’s nur das! Des Vaters denk ich kaum;
Und jener Großen Träne ehrt ihn mehr,
Als seiner Tochter Gram. Wie sah er aus?
Vergessen hab ich ihn: kein andres Bild
Wohnt mehr in meiner Phantasie als Bertram.
Ich bin verloren! Alles Leben schwindet
Dahin, wenn Betram geht. Gleichviel ja wär’s,
Liebt’ ich am Himmel einen hellen Stern,
Und wünscht ihn zum Gemahl; er steht so hoch!
An seinem hellen Glanz und lichten Strahl
Darf ich mich freun; in seiner Sphäre nie!
So straft sich selbst der Ehrgeiz meiner Liebe:
Die Hindin, die den Löwen wünscht zum Gatten,
Muß liebend sterben. O der süßen Qual,
Ihn stündlich anzusehn! Ich saß, und malte
Die hohen Brau’n, sein Falkenaug, die Locken
In meines Herzens Tafel, allzu offen
Für jeden Zug des süßen Angesichts!
Nun ist er fort, und mein abgöttisch Lieben
Bewahrt und heiligt seine Spur.
(I, 1)
Helenas Liebe verleiht ihr jedoch die Kraft, einen Versuch zu wagen, wie sie Bertram trotz des Standesunterschiedes gewinnen kann. Ihr Vater hat ihr eine wertvolle Medizin hinterlassen, der König von Frankreich ist todkrank und seine Ärzte haben ihn aufgegeben. Helena folgt Betram nach Frankreich, bietet dem König die Medizin und bittet sich als Gegenleistung für seine Heilung Betram als Ehemann aus.
HELENA
Oft ist’s der eig’ne Geist, der Rettung schafft,
Die wir beim Himmel suchen. Unsrer Kraft
Verleiht er freien Raum, und nur dem Trägen,
Dem Willenlosen stellt er sich entgegen.
Mein Liebesmut die höchste Höh ersteigt,
Doch naht mir nicht, was sich dem Auge zeigt.
Des Glückes weitsten Raum vereint Natur,
Daß sich das Fernste küßt wie Gleiches nur.
Wer klügelnd abwägt, und dem Ziel entsagt,
Weil er vor dem, was nie geschehn, verzagt,
Erreicht das Größte nie. Wann rang nach Liebe
Ein volles Herz, und fand nicht Gegenliebe?
Des Königs Krankheit, täuscht mich nicht, Gedanken;
Ich halte fest, und folg euch ohne Wanken.
(I, 1)
Betram jedoch ist wenig begeistert von der Aussicht, Helena heiraten zu sollen.
HELENA
Ich sage nicht, ich nehm euch; doch ich gebe
Mich selbst und meine Pflicht, so lang ich lebe,
In eure edle Hand. Dies ist der Mann.
KÖNIG
Nimm sie denn, junger Bertram, als Gemahlin.
BERTRAM
Gemahlin, gnäd’ger Herr? Mein Fürst, vergönnt,
In solcherlei Geschäft laßt mich gebrauchen
Die eig’nen Augen.
KÖNIG
Bertram, weißt du nicht
Was sie für mich getan?
BERTRAM
Ja, teurer König;
Doch folgt daraus, daß ich mich ihr vermähle?
KÖNIG
Du weißt, sie half mir auf vom Krankenbett.
BERTRAM
Und soll ich deshalb selbst zum Tod erkranken,
Weil sie euch hergestellt? Ich kenne sie;
Mein Vater ließ als Waise sie erziehn:
Des armen Arztes Kind mein Weib!
Verachtung Verzehre mich vorher!
KÖNIG
Den Stand allein verachtest du, den ich
Erhöhn kann. Seltsam ist’s, daß unser Blut –
Vermischte man’s – an Farbe, Wärm und Schwere
Den Unterschied verneint und doch so mächtig
Sich trennt durch Vorurteil. Ist jene wirklich
Von reiner Tugend, und verschmähst du nur
Des armen Arztes Kind – so schmähst du Tugend
Um eines Namens willen. Das sei fern!
Wo Tugend wohnt, und sei’s am niedern Herd,
Wird ihre Heimat durch die Tat erklärt. [...]
BERTRAM
Sie lieb’ ich nicht, und streb auch nie danach.
HELENA
Mich freut, mein Fürst, daß ihr genesen seid;
Das andre laßt!
(II, 3)
Helena verzichtet auf Bertram, doch der König besteht auf der Heirat. Um vor dem Vollzug der Ehe zu fliehen, zieht Bertram in den Krieg. Auf dem Feldzug verliebt er sich in eine andere Frau, Diana. Helena überredet sie, so zu tun, als gäbe sie Bertrams Werben nach, und trifft sich an ihrer Stelle mit ihm. Im Dunkeln merkt Bertram nicht, dass Helena gar nicht Diana ist.
HELENA
O seltsame Männer!
So süß könnt ihr behandeln, was ihr haßt,
Wenn der betrognen Sinne lüstern Wähnen
Die schwarze Nacht beschämt. So spielt die Lust
Mit dem, was sie verabscheut, unbewußt.
(IV, 4)