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Verkleidung, du bist eine Schalkheit

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In Was ihr wollt ist Orsino, Herzog von Illyrien, in Olivia verliebt, die jedoch um ihren verstorbenen Bruder trauert und Orsinos Liebe nicht erwidert. Viola wird durch einen Schiffbruch an die Küste Illyriens gespült, verkleidet sich als Mann und tritt als Page unter dem Namen Cesario in Orsinos Dienst. In seinem Auftrag wirbt sie bei Olivia für Orsino. Das hat jedoch zur Folge, dass Olivia sich in die als Cesario verkleidete Viola verliebt, während Viola selbst sich in Orsino verliebt. Wenn man dabei im Hinterkopf behält, dass zu Shakespeares Zeit alle Frauenrollen mit männlichen Schauspielern besetzt waren, nimmt die Mehrdeutigkeit zu: Ein männlicher Schauspieler spielt eine Frau, die sich wiederum als Mann verkleidet. Viola und Olivia begegnen sich das erste Mal, als Orsino Viola zu ihr schickt, um für ihn zu werben.

VIOLA

Ich seh euch, wie ihr seid: ihr seid zu stolz;

Doch wärt ihr auch der Teufel, ihr seid schön.

Mein Herr und Meister liebt euch; solche Liebe

Kann nur vergolten werden, würdet ihr

Als Schönheit ohne Gleichen auch gekrönt. [...]

O liebt’ ich euch mit meines Herren Glut,

Mit solcher Pein, so todesgleichem Leben,

Ich fänd in euerm Weigern keinen Sinn,

Ich würd es nicht verstehn.

OLIVIA

Nun wohl, was tätet ihr?

VIOLA

Ich baut’ an eurer Tür ein Weidenhüttchen,

Und riefe meiner Seel’ im Hause zu;

Schrieb’ fromme Lieder der verschmähten Liebe,

Und sänge laut sie durch die stille Nacht;

Ließ’ euern Namen an die Hügel hallen,

Daß die vertraute Schwätzerin der Luft

»Olivia« schrie. O ihr solltet mir

Nicht Ruh genießen zwischen Erd’ und Himmel,

Bevor ihr euch erbarmt! [...]

Steckt euern Beutel ein, ich bin kein Bote;

Mein Herr bedarf Vergeltung, nicht ich selbst.

Die Liebe härte dessen Herz zu Stein,

Den ihr einst liebt, und der Verachtung nur

Sei eure Glut, wie meines Herrn geweiht!

Gehabt euch wohl dann, schöne Grausamkeit! geht ab

OLIVIA

Wie ist eure Herkunft?

»Obschon mir’s wohl geht, über meine Lage:

Ich bin ein Edelmann.« Ich schwöre drauf;

Dein Antlitz, deine Zunge, die Gebärden,

Gestalt und Mut sind dir ein fünffach Wappen.

Doch nicht zu hastig! Nur gemach, gemach!

Der Diener müßte denn der Herr sein. Wie?

Weht Ansteckung so gar geschwind uns an?

Mich däucht, ich fühle dieses Jünglings Gaben

Mit unsichtbarer leiser Überraschung

Sich in mein Auge schleichen. Wohl, es sei! [...]

Ich tu, ich weiß nicht was; wofern nur nicht

Mein Auge mein Gemüt zu sehr besticht.

Nun walte, Schicksal! Niemand ist sein eigen;

Was sein soll, muß geschehn: so mag sich’s zeigen!

(I, 5)

Da Viola/Cesario für Orsino wirbt, muss Olivia »ihn« zurückweisen. Und doch will sie Cesario wiedersehen und schickt ihren Diener Malvolio hinter »ihm« her. Malvolio soll Cesario einen Ring geben, von dem Olivia behauptet, dass Cesario ihn Olivia als Geschenk von Orsino überbracht hätte. Außerdem soll Malvolio Cesario ausrichten, dass er sich nicht mehr blicken lassen soll, außer um Olivia zu berichten, wie Orsino die Zurückweisung des Ringes aufgenommen hätte. Viola entschlüsselt diese komplizierte Liebesbotschaft mühelos.

VIOLA

Ich ließ ihr keinen Ring. Was meint dies Fräulein?

Verhüte, daß mein Schein sie nicht betört!

Sie faßt’ ins Auge mich, fürwahr so sehr,

Als wenn ihr Aug’ die Zunge ganz verstummte:

Sie sprach verwirrt in abgebrochnen Reden.

Sie liebt mich – ja! Die Schlauheit ihrer Neigung

Lädt mich durch diesen mürr’schen Boten ein.

Der Ring von meinem Herrn? Er schickt’ ihr keinen;

Ich bin der Mann. Wenn dem so ist, so täte

Die Arme besser einen Traum zu lieben.

Verkleidung, du bist eine Schalkheit, seh ich,

Worin der list’ge Feind gar mächtig ist.

Wie leicht wird’s hübschen Gleißnern nicht, ihr Bild

Der Weiber weichen Herzen einzuprägen!

Nicht wir sind schuld, ach! Unsre Schwäch’ allein:

Wie wir gemacht sind, müssen wir ja sein.

Wie soll das gehen? Orsino liebt sie zärtlich;

Ich armes Ding bin gleich verliebt in ihn;

Und sie, Betrogne, scheint in mich vergafft.

Was soll draus werden? Bin ich Mann, so muß

Ich an der Liebe meines Herrn verzweifeln;

Und wenn ich Weib bin: lieber Himmel, ach!

Wie fruchtlos wird Olivia seufzen müssen!

O Zeit! Du selbst entwirre dies, nicht ich:

Ein zu verschlungner Knoten ist’s für mich.

(II, 2)

Einfach Shakespeare

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