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Fasziniert vom US-Vierteiler Holocaust

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Von wegen ›Zirkus‹. All jene Journalisten, die sich als elitäre Kaste innerhalb des Fernsehsystems fühlten und auf die Unterhalter herabsahen, hatten sich also geirrt. Wie zur ultimativen Bestätigung dieser These fand Anfang 1979 der in jeglicher Hinsicht außergewöhnliche US-Vierteiler Holocaust seinen Weg ins deutsche Fernsehen. Marvin J. Chomsky erzählte darin die fiktive Geschichte der jüdischen Familie Weiss, die einem Millionenpublikum erstmals auf emotionale Weise die Schrecken der nationalsozialistischen Vernichtungsherrschaft nahe brachte und eine nachhaltige Zäsur der deutschen Erinnerungskultur bewirkte. Bei ihrer Ausstrahlung in den Dritten Programmen der ARD erhitzte die Serie die Gemüter wie keine andere. Die Sender erhielten Drohbriefe, auf zwei Sendeanlagen wurden gar Bombenanschläge verübt. Doch mit Einschaltquoten von bis zu 39 Prozent wurde Holocaust zum Riesenerfolg, löste intensive Debatten aus und brachte die Schrecken von Auschwitz ins kollektive Gedächtnis der Deutschen. Viele von ihnen begriffen erst jetzt so richtig, welche historische Schuld ihr Land zwischen 1933 und 1945 auf sich geladen hatte, obwohl sie zuvor sicher schon in Geschichtsbüchern darüber gelesen und zahlreiche Dokumentationen darüber gesehen hatten. Chomsky wollte nach eigenem Bekunden zeigen, was »mit den Menschen passiert ist: Normale Menschen tun anderen normalen Menschen schreckliche Dinge an«. Ihm ist das auf meisterliche Weise gelungen, qualitativ wie quantitativ. Die Kraft von Holocaust wirkte unmittelbar auf das Herz und auf den Bauch des Zuschauers. Nicht so sehr auf den Verstand, jedenfalls nicht direkt.

Diese Wirkweise war damals höchst umstritten. Ein Drama, das »dem Seifenopernrezept gefährlich nahekommt«, urteilte die Frankfurter Allgemeine Zeitung im April 1978 nach der Erstausstrahlung bei NBC. Der berühmte Schriftsteller und Holocaust-Überlebende Elie Wiesel zeigte sich gegenüber der New York Times »schockiert von der Verwandlung eines ontologischen Ereignisses in eine Seifenoper«. Der Tenor der öffentlichen Wahrnehmung drehte sich im darauffolgenden Jahr. Nach der Ausstrahlung in Deutschland wertete der damalige FAZ-Herausgeber Joachim Fest Holocaust im Januar 1979 als »bedeutendes Fernsehereignis«. Das von Historikern und Publizisten beklagte Desinteresse der Öffentlichkeit an der Vergangenheit habe sich hier entpuppt als das, was es in Wirklichkeit sei: »das Desinteresse von Historikern und Publizisten an der Öffentlichkeit«.

An dieser herausragenden Miniserie ließ sich exemplarisch ablesen, was das Medium Fernsehen mit seinen Inhalten vermochte, welchen Stellenwert es hatte und – trotz aller mit der Digitalisierung einhergehenden Veränderungen – bis heute hat. »Viele unserer wachen Stunden und häufig auch unsere Träume sind mit diesen Geschichten angefüllt«, urteilte der ungarisch-amerikanische Kommunikationswissenschaftler George Gerbner, der als Begründer der Kultivierungshypothese gilt. Er analysierte in den 1970er-Jahren die Rolle des Fernsehens für die Vermittlung des Weltbilds der Rezipienten und kam zu dem Ergebnis, dass man von einer starken Sozialisationsinstanz ausgehen müsse. Je mehr Fernsehen ein Mensch konsumiert, so die These, desto stärker wird er auch durch das Fernsehen kultiviert und sieht die Welt so wie vom Fernsehen vermittelt. Das Fernsehen, schrieb Gerbner, sei »die Quelle der auf breitester Ebene allen Menschen gemeinsamen Bilder und Botschaften in der Geschichte«. Es vermittle, »vielleicht zum ersten Mal seit der vorindustriellen Religion, ein tägliches Ritual, das die Eliten mit vielen anderen Publika teilen. Das Herz der Analogie von Fernsehen und Religion, bezogen auf die Ähnlichkeit ihrer sozialen Funktionen, liegt in der kontinuierlichen Wiederholung von Mustern (Mythen, Ideologien, ›Fakten‹, Beziehungen etc.), die dazu dienen, die Welt zu definieren und die soziale Ordnung zu legitimieren.«

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