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Als Reporter bei Kennzeichen D

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Kennzeichen D hatte eine komplizierte, teils verdeckte Hierarchie. Mir war nicht auf Anhieb klar, wer Reporterbeiträge drehen durfte und wer nicht. Es gab etliche Redakteure, die mit Recherchen und sonstigen Drehvorbereitungen beschäftigt waren. Vor der Kamera waren nur die großen Namen wie Joachim Jauer, Dirk Sager oder Harald Jung zu sehen. Zu meiner Verwunderung bekam ich nach 14 Tagen meine erste Chance. Ich sollte über ein Neonazi-Treffen nahe der Wewelsburg bei Paderborn, Himmlers einstiger SS-Weihestätte, berichten. Andere Kollegen arbeiteten seit mehreren Jahren für die Redaktion und hatten noch keinen eigenen Beitrag gedreht. Aus heutiger Sicht gibt es nur ein ehrliches Urteil: Ich hatte damals keine Ahnung, was ich tat. ›Learning by doing‹ wurde für mich zum wortwörtlichen Arbeitsprozess. Ich versuchte genau hinzuschauen, wie die erfahrenen Reporter vorgingen, und nahm vor allem im Schneideraum dankbar jede Hilfe an. Recht bald machte Schwarze mich zur Trailer-Stimme von Kennzeichen D. Ich durfte im Intro der Sendung die Themen ankündigen, was mir als freiem Mitarbeiter ein paar zusätzliche Einnahmen bescherte.

So froh ich über meinen Job bei Kennzeichen D war, so wenig hätte ich mir eine Festanstellung beim ZDF vorstellen können. Hierarchien jeglicher Art erschienen mir als Gräuel. Schon während meiner Schulzeit – damals waren Kopfnoten im Zeugnis noch eine Selbstverständlichkeit – hatten mir die Lehrer ein handfestes Problem mit Autoritäten bescheinigt. Das äußerte sich etwa darin, dass ich als 17-Jähriger zusammen mit meinem Bruder eine der ersten Schülermitbestimmungen Deutschlands initiierte. Die Lehrer betrachteten mich als Störfaktor, mein Bruder wurde gar von der Schule verwiesen. Auch zehn Jahre später passte es nicht in meine Vorstellungswelt, mich voll und ganz in ein hierarchisches System einzugliedern. Eines Tages wollte Schwarze wissen, ob ich Ahnung von Autos hätte. Obwohl ich verneinte, bot er mir eine Redakteursstelle für ein neues Auto- und Verkehrsmagazin an, das von einer freien Produktionsfirma zugeliefert und seitens des ZDF von einem Redakteur – von mir – betreut werden sollte. Als ich die Zusicherung erhielt, auch diese Aufgabe freiberuflich erledigen zu können, sagte ich zu. So kam es zur Zusammenarbeit mit Hanns Joachim Friedrichs und Harry Valérien. Sie moderierten Telemotor und fanden genau wie ich, dass ein kritisches Magazin zu Mobilitäts- und Umweltthemen dem ZDF besser zu Gesicht stünde als eine bloße Aneinanderreihung von Fahrtests der neuesten Pkw-Modelle.

Obwohl ich den Abläufen und Deadlines von zwei regelmäßigen Sendungen gerecht werden musste, fühlte ich mich frei. So hätte es ewig für mich weitergehen können, wenn sich nicht bald mein Drang gemeldet hätte, neben journalistischen auch unterhaltende Inhalte zu entwickeln und damit eine andere Seite des Fernsehhandwerks zu erkunden. Getrieben wurde dieser Drang vor allem von der US-Miniserie Holocaust und meiner Erkenntnis, welch große Wirkungsmacht emotionales Erzählen entfalten kann. Darauf werde ich im nächsten Kapitel noch näher eingehen. Mein Türöffner für diese neue Richtung wurde Gerd Bauer, langjähriger Leiter der ›Hauptredaktion Unterhaltung Wort‹ im ZDF und Vater von Serien wie Schwarzwaldklinik, Traumschiff oder Das Erbe der Guldenburgs. Als freier Autor schlug ich ihm eine Show-Idee vor, die verschiedenste Genreelemente enthielt, eine Art Themenshow zur Kulturgeschichte des Küssens in Entertainment-Form. Bauer war angetan und wollte mich gleich als Unterhaltungsredakteur auf den Mainzer Lerchenberg holen. Abermals schlug mein Freiheitsdrang durch und ließ mich das attraktive Angebot dankend ablehnen. In jeder anderen Konstellation, versicherte ich ihm, würde ich liebend gern mit ihm und dem ZDF zusammenarbeiten. »Die UFA Berlin sucht jemanden wie dich«, empfahl er mir einige Wochen später.

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