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EINLEITUNG

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Was ist Kreativität? Wie würden Sie antworten, wenn ich Ihnen diese Frage stellen würde? Ich meine nicht Ihr subjektives Empfinden, sondern den objektiven Stellenwert. Nun, die Zahlen der Europäischen Kommission von 2018 sprechen eine klare Sprache: 1,23 Millionen Unternehmen der Cultural and Creative Industries (CCI) beschäftigen EU-weit 8,66 Millionen fest angestellte Mitarbeiter. Das sind 3,8 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. In Deutschland liegt der Anteil mit 4,0 Prozent geringfügig höher: 1,66 Millionen Angestellte in knapp 129.000 Unternehmen. Zusammengerechnet erwirtschaftet die europäische Kultur- und Kreativindustrie 465,7 Milliarden Euro Umsatz, davon entfallen 95,4 Milliarden auf Deutschland. Hätten Sie gedacht, dass wir damit in etwa so groß sind wie die Metallindustrie, ein Drittel größer als das Baugewerbe und anderthalbmal so groß wie die Kunststoffindustrie?

Aus gutem Grund hat die Politik die Kreativen ins Blickfeld genommen. In offiziellen Berichten der Bundesregierung lässt sich nachlesen, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft eine wichtige Quelle für originäre Ideen sei; dass sie zur wichtigen Gestalterin und Impulsgeberin von Innovation werde; dass die Gründungsdynamik in der Kultur- und Kreativwirtschaft höher sei als in anderen Wirtschaftsbranchen; dass zukunftsorientierte Arbeits- und Geschäftsmodelle hier schon heute alltäglich und viele Unternehmen damit Vorreiter hin zu einer wissensbasierten Ökonomie seien. Keine Frage: In einer Zeit, in der Wissen und Ideen unsere wichtigsten Rohstoffe sind, übernehmen die Creative Industries eine Leitfunktion. Wo es von kreativen Menschen wimmelt, ist allerdings nicht zwingend die ideale Struktur im Einsatz, um das spezifische Talent jedes einzelnen zur Geltung zu bringen. Mit ihrem wachsenden gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Stellenwert wird es für die Unternehmen der Kreativwirtschaft unverzichtbar, ihre Teams so zu strukturieren und zu führen, dass diese möglichst effektiv, effizient und mit größtmöglichem Innovationsoutput arbeiten können.

Kaum eine Herausforderung hat mich in 27 Jahren an der Spitze der UFA, Deutschlands größter Film- und Fernsehproduktionsgruppe, so intensiv und so dauerhaft beschäftigt wie diese. Kreative Teams zu führen, unterscheidet sich fundamental von der schlichten Steuerung einer hierarchischen Ordnung. Wenn sich jedes einzelne Mitglied eines kreativen Teams als Individuum und als besonderes Talent versteht, dann bedeutet ›Creative Leadership‹, dass auch deren Führung kreative Voraussetzungen erfüllen und kreativen Prinzipien folgen muss. Damit die Menschen, die ich führe, kreativ sein können, muss ich sie auf kreative Weise führen – das war stets meine Überzeugung. Dabei hatte ich eigentlich nie die Absicht gehabt, unternehmerisch tätig zu werden, und ich hatte auch eigentlich keine betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen, um eine Unternehmensgruppe zu führen. Da jedoch Bertelsmann – damals der größte Medienkonzern der Welt – zu Beginn der 1990er-Jahre jungen, offenbar zu Hoffnung berechtigenden Nachwuchskräften wie mir beherzt Führungsaufgaben anvertraute, sprang ich ins kalte Wasser und lernte schwimmen – in diesem Fall: unternehmerisch zu handeln.

Hätte mir als Student oder angehender Fernsehjournalist irgend jemand vorausgesagt, dass ich einmal den Marktführer unter Deutschlands Produktionsunternehmen aufbauen und leiten würde – ich hätte nur laut gelacht. Mit hohem Einsatz hätte ich wohl dagegen gewettet, dass ich einmal derjenige sein würde, der gemeinsam mit einem Team aus kreativ und unternehmerisch herausragenden Talenten

•Managementmethoden in einem Segment der Kultur- und Kreativwirtschaft einführt, die dort bis dato nicht zu Hause waren;

•den höheren Sinn oder ›purpose‹ eines Unternehmens, also den Leitgedanken, passgenau zuschneidet auf die kreativen Talente, die dieses Unternehmen erfolgreich machen;

•Innovationsprozesse entwickelt, die zu einem verlässlichen Ideen-Output für über 2.000 Programmstunden pro Jahr führen und neben der Neuerfindung von Programmen auch die Adaption internationaler Formate und die Optimierung langlaufender Programmmarken umfassen;

•eine Programmmarkenstrategie umsetzt, die dem Unternehmen schon zu Jahresbeginn 80 Prozent des Jahresumsatzes absichert;

•feedbackgesteuerte Programmoptimierung unter Zuhilfenahme von hauseigener Marktforschung etabliert;

•die Internationalisierung des Kreativgeschäfts frühzeitig und konsequent angeht;

•als erster Produzent überhaupt Kunden und Partner systematisch nach ihrer Zufriedenheit befragt und der

•ein gewinnorientiertes Unternehmen mit relevanten, wirkungsmächtigen, gemeinschaftsstiftenden Programmen zur kulturellen Institution entwickelt.

Mich persönlich interessieren Autobiografien herzlich wenig. Bitte erwarten Sie daher auch keine von mir! Gern folge ich hingegen der Anregung, meine Erfahrungen aus drei Dekaden Creative Leadership zu vertiefen, um damit hoffentlich ein paar Denkanstöße für gegenwärtige wie künftige Führungskräfte der Kultur- und Kreativwirtschaft zu liefern. Vielleicht taugen meine Einsichten auch als Ermutigung für Absolventen kultur- und geisteswissenschaftlicher Studienfächer, sich unternehmerische Führung zuzutrauen. Nur so kann das Potenzial geistiger Diversität für unsere Kreativindustrie gehoben werden.

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