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Der Döner in seiner Hand war zu heiß, als dass Werner aufs Geratewohl hineinbeißen konnte. Er stand am Bordstein neben seinem Omega Kombi und wartete, bis die Kühle des Abends, die durch die Wiesestraße zog wie ein sanfter Propellerwind, ihn genießbar machte. Von seinem Standort bis zu Möllers Frühstückspension waren es einhundert Meter, wodurch er den Eingangsbereich und das Straßenstück, auf dem geparkt werden durfte, in einer Blickrichtung vereinte.

Es war ein Vorbote des Untergangs, war er überzeugt, dass er jetzt hier stand und nicht bei seinen Sportlern, ihnen Hilfestellung leistete, ihre Rücken beobachtete und auf ihre Fragen einging. Denn so heiß wie der Döner war die Lage: Ein neues Fitnessstudio, eine Arena der Superlative wurde in seine Nachbarschaft gesetzt. Als er vor vierzehn Jahren sein Studio eröffnete, gab es drei weitere in Gera, jetzt waren es sechs, und bald würden es sieben sein, immer größer, immer praller und immer mehr Lügen. Werner wusste, wovon er sprach, ehemaliger Leistungssportler, Kanute wie Jens, Sportlehrer und thüringisches Urgestein mit authentischen Genen, welche für die sportlichen Welterfolge der Thüringer verantwortlich zeichneten. Trotzdem hatte er verloren. Gewinner waren die Lifestylisten.

Er spuckte aus. Sie waren auf dem Vormarsch gegen ihn. Ihn, der angetreten war, dieser Kaugummi kauenden Clique von Modepüppchen seine Sportler entgegenzustellen: Gesunde Frauen und Männer mit saftigem Knorpel an den Gelenken und ausstaffiert mit Herzen, die präzise wie Schweizer Uhren tickten. Das war seine Mission. Wer Jahrzehnte in der DDR klein gehalten wurde, sprang nach seiner Befreiung wie mit Sprungfedern umher.

Und? Teilten seine Schützlinge den Triumph mit ihm? Den Triumph über die etlichen Kilo Fett, die jetzt wieder im Kreislauf der Natur waren und nicht mehr an ihren Hüften? Nein! Dieser Triumph bedeutete vielen weniger als die Cafeteria im neuen Supertempel. Halsstarrig forderten sie neumodische Kulissen. Ein Lauffeuer ging um: Drüben im neuen Studio wird es Badminton und Squash geben und eine Spielecke, aus der die Kinder mit Gewalt geholt werden müssen. Und Hypoxi-Trainer und Vacunauten – Hightech-Geräte, um der Cellulitis auf den Pelz zu rücken. Zum Lachen!

Sollten sie doch in die potemkinschen Tempel der Fitness ziehen und sich ruinieren lassen. Dort, wo man keine Trainer sah und sich selbst überlassen blieb. Irgendwann würden sie an ihn denken, an Werner, der ihre Wirbelsäulen in die optimale Stellung gedrückt hatte, damit sie keine Schäden nahmen. Er dirigierte kein Orchester, er stellte sich zu jedem Solisten.

Er spuckte wieder aus, und es fehlte nicht viel, da hätte er den Döner getroffen. Nein, er wollte nichts Besonderes sein, er wollte bloß seine Überzeugung vertreten, dass ein Fitnessstudio der Gesundheit zu dienen hat und nicht dem marodierenden Zeitgeist. Er selbst hatte Arrhythmien und scheußliches Herzklopfen, als hinge das Herz an einer stotternden Batterie, die jeden Moment den Geist aufgibt. Die Hände, in die er sich in jungen Jahren begeben hatte, hatten Funktionären gehört, die mit spitzem Bleistift jeden abhakten, dessen sportlicher Erfolg ausblieb oder der die beschissenen Dopingtabletten ablehnte. Einen Dreck scherten die sich um die jungen Herzen, die mit Sorgfalt hätten abtrainiert werden müssen.

Er sah hinüber zur Pension und gähnte ungeniert. Das Haus mit dem vertikalen Schild, auf dem der Name der Pension stand, fiel kaum auf. Außer dem Herandonnern einer Straßenbahn tat sich nichts.

Es gab eine Grenze, dachte Werner, die mit ihm nicht zu überschreiten war. Um eine Nachrüstung des Studios kam er nicht herum, aber er würde nie in einem Kasperletheater Regie führen. Wenn das einer verstand, dann war es Jens. Ginge er, Werner, zur Bank, schenkte man ihm nicht mal ein Lächeln, geschweige denn einen Kredit. Anders bei Jens.

Der Döner war reif zum Hineinbeißen, aber der Hunger hatte sich verflüchtigt. Werner schaute das Ding aus Semmel, Salat und Fleischgeschnetzeltem an, als konnte er sich nicht erinnern, weshalb er es gekauft hatte. Er ging ein paar Meter die Straße entlang und blieb vor einem Abfallbehälter stehen. Zwei letzte Bissen, dann landete der Döner darin. Ein Klecks Marinade wollte nicht mit hinein und platschte auf seinen linken Schuh.

Ein Omen, gewiss.

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