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Frau Beate Zarusch erwog allen Ernstes, ihre Nase auszustopfen, am helllichten Tag, vor der Villa. Die Substanz musste den Geruch fernhalten können. Sie dachte an Tampons, dann an etwas ohne Faden wie Watte oder Ohropax, Dinge, die ihre Handtasche nicht bot.

Sie betrat das Treppenhaus und stieß mit einem Jungen zusammen, der erschrocken war, wohl mehr über ihre Gesichtsschwellung als über das Missgeschick. Wenigstens hing ihr nicht noch rosa Ohropax aus den Nasenlöchern. Oder zwei Fäden.

Kaum zu glauben, nach all den Jahren und hier in diesem anderen Haus war der Geruch der gleiche. Eine Etage höher blieb sie vor einer Tür mit Messingschild stehen. In eingravierter geschwungener Schrift stand geschrieben:

Dr. Jens Klemmer

Zahnarzt

Behutsam drückte sie die Türklinke, als könnte Funkenbildung den Zahnarztgeruch explodieren lassen. Drinnen gab es ein Aquarium und ätherische Öle aus einer unsichtbaren Quelle hielten den Geruch im Zaum. Die Helferin hinter der Rezeption war Ende vierzig. Ihr radieschenroter Mund fror sein Lächeln ein, als Beate sich in den hellen Bereich der Rezeption bewegte. Eine andere Patientin zog ihren Jungen zu sich heran und hielt ihm die Augen zu, bis er sich davon befreite.

„Sie sind doch hier die spezielle Angstpraxis, die einzigartige in Gera, oder?“ Beate trat nicht noch weiter vor ins Licht, man sah Quasimodo zur Genüge.

Auf dem Brustschild der Lippenstifthelferin stand der Name Eisentraut. „Ich informiere Doktor Klemmer. Setzen Sie sich bitte so lange ins Wartezimmer.“

Beate zog los, vorbei an dem Jungen, der prompt anfing zu weinen. Vor dem Garderobenspiegel hielt sie kurz an und blickte hinein wie jemand, der sich trotzdem gefiel. Die Schwellung ihrer rechten Wange hatte über Nacht Zuwachs bekommen. Das Auge sah aus wie ein praller Hintern mit waagerechter Spalte. Ein Nadelstich – und der ganze Mist würde am Spiegel herunterlaufen.

Im Wartezimmer saß nur ein Patient, ein alter einbeiniger Mann, der über die Zeitung schielte. Eines seiner Augen war hundertprozentig ein Glasauge, nur welches, das konnte Beate nicht sagen, wie immer, wenn sie einen Glasaugenträger vor sich hatte. Sie setzte sich drei Stühle weit entfernt, um ihn vor einem Stielauge zu bewahren.

Hier drinnen war der Duft ätherischer Öle stärker als draußen, und die Fensterpflanzen sahen aus, als beschäftigte Doktor Klemmer einen Gärtner. Das einzig Störende war das Hintergrundrauschen eines schlecht eingestellten Radiosenders … und ihr Zahn. Mit der Vorsicht eines Bombenentschärfers führte sie ihre Zunge zu dem nach Eiter schmeckenden Eckzahn und vermaß den Trichter. Dann konzentrierte sie sich wieder auf das Wartezimmer und identifizierte den vermeintlich gestörten Radiosender als Meeresrauschen und Möwengeschrei aus einem Lautsprecher in der Decke.

In der Tür erschien eine junge Helferin und übergab Beate ein Kühlpäckchen aus derbem Stoff. Laut ihrem Namensschild hieß sie Anna. Dem Alter nach eine Auszubildende. Ihr Lächeln gab Zähne frei, die im Kontrast zu den schwarzen Haaren wie unecht strahlten. DIN-Norm Amerika. Beate dachte an ihre eigenen Zähne: DIN-Osaurier – was die Frische betraf.

„Ein schönes Wartezimmer haben Sie hier“, sagte Beate. „Nur der Sound ist gewöhnungsbedürftig.“

Das Mädchen grinste seine weißen Zähne förmlich heraus. Es zeigte an eine Wand, an der unterhalb der Decke ein krakeliger Metallarm hing. „Dort kommt ein Fernsehgerät hin. Die Patienten können Kaminfeuer-Videos schauen. Vielleicht gibt es auch ein Video mit ner Sauna. Das Schwitzen bringen die meisten Patienten selbst mit.“

Jetzt lachte auch Beate ihr entstellendes Lachen. Phantastisch. Die Zahnarztbesuche ihres Lebens waren geprägt von Kopfschmerzen, die von ihren Zöpfen stammten, an denen ihre Mutter sie in die Praxis gezogen hatte. Und jetzt lachte sie in der Höhle des Löwen.

Kaum war Anna wieder weg, da betrat ein junger Mann das Wartezimmer. Wenn er so geartet war wie sie, stammte die Vorwölbung auf seiner Brusttasche nicht von einer Zigarettenschachtel, sondern von Tarotkarten. Beate war nicht aus dem Haus gegangen, ohne sich die Karten zu legen. Eine günstige Deutung war das Mindeste vor einem Zahnarztbesuch.

Sein Blick richtete sich auf das Hosenbein, unter dem der alte Mann seinen Stumpf verbarg. Dort, wo sich üblicherweise eine Beinprothese befindet, hingen lange, gleichmäßige Falten der frisch gebügelten Hose. Der Alte strich eine davon glatt.

„Eine Erinnerung an den Bergbau, die Wismut, wo ich unter Tage gearbeitet habe, damit die Russen unser Uran bekamen. Jeden Tag denke ich daran, spätestens beim Anziehen.“ Er schaute besorgt zu Beate, so recht und schlecht, wie das ein Glasaugenträger vermochte. „Sie hat es ganz schön erwischt, was?“

Beate schaute weg. Der Alte nicht.

„Sind Sie sicher, nicht in die Obhut eines Augenarztes zu gehören?“

„Das bin ich. Ich kam als Monster auf die Welt und heute verlangt mein Arbeitgeber von der Geisterbahn ein zahnärztliches Upgrade.“

Es muss ihr eisiger Ton gewesen sein, der den jungen Mann bewog, sich einzumischen. Sie hörte nicht darauf, was er zu dem Einbeinigen sagte, sondern stand im Bann der Äußerung über den Augenarzt – bis ein Wort fiel, das sie aufhorchen ließ. Genau dieses Wort hatte sie hierher in diese eine von hundert Geraer Zahnarztpraxen geführt. Hypnose.

Der alte Mann bezeichnete Hypnose als etwas Neumodisches und gut fürs Geschäft. Sein Zeigefinger deutete rücklings zur Wand. „Dort über die Straße wohne ich im Altersheim. Ich komme hierher, weil es die nächstgelegene Praxis ist und der Doktor was kann. Hypnose benötigen nur Spinn…“ Er zog entschuldigend den Kopf in den Kragen. „Ich jedenfalls brauche keine Hypnose.“

Das glaubte Beate glatt, wenn der so akkurat putzte, wie er seine Hose um den Stumpf drapierte. Christo ließ grüßen. Sein Doktorchen verdiente an dem Edelgebiss bestimmt einen Scheißdreck.

Der junge Mann sprach Beate an. „Ich bin verrückt nach Hypnose. Wie von Geisterhand wird gebohrt und gefüllt.“

„Ja, Bohren und Füllen – das geschieht auch in dem Film“, platzte der Alte heraus, „in dem der Doktor die Frauen reihenweise schändet. Er stiert in ihre Augen und sie fallen in seinen Arm wie die kleinen …, ich weiß nicht, ob es sie noch gibt – die Spielzeugtiere, die zusammenklappen, wenn man den Boden des Sockels drückt und der Faden sich entspannt. Hinterher wissen die Frauen nichts mehr, bemerken höchstens, dass sie etwas wund sind.“

Beate überlegte allen Ernstes, ob ihr Slip sauber war. Das war so unwichtig, wie die Vorstellung absurd war, dass der Zahnarzt ihn je zu sehen bekäme. Es sei denn, Dr. Klemmer ist das Gegenstück zu Dr. House und macht abends gleichnamige Besuche.

„Was schauen Sie sonst noch für Filme?“, fragte sie den Lustgreis, der falsch grinste, als hätte er zwei Glasaugen. Dann zuckte sie zusammen. Aus dem Lautsprecher ertönten ihr Name und die Aufforderung, ins Besprechungszimmer zu gehen.

Der Alte grinste und präsentierte ein paar seiner Wunderzähne.

Beim Aufstehen schwang sie ihr Hinterteil in seine Richtung, davon ausgehend, dass er die Bildersprache verstand. Sie ließ sich das Besprechungszimmer zeigen und nahm am Schreibtisch Platz. Weit und breit keine Folterinstrumente, nur Büroutensilien, sogar Videokassetten in einem Regal mit der Überschrift Supervision. Und es herrschte Ruhe, weder Wellen noch Möwen. In einem Nachbarraum schlug die Tür ins Schloss. Wahrscheinlich Zugluft, die ankündigte, dass jemand auf dem Weg durch die Praxis war, auf dem Weg zu ihr. Aber dann hörte sie eine Frau und einen Mann sich unterhalten. Die Frauenstimme setzte sich durch, wurde lauter, und obwohl einzelne Worte nicht zu verstehen waren, verriet der Tonfall eine Kontroverse. Eine Patientin, die hinterher etwas wund war?

Plötzlich kam Frau Eisentraut durch die andere Tür, zog einen Stuhl neben Beate und setzte sich. Einen Moment saß sie mit bis zum Anschlag gesenkten Augen da, als überprüfte sie das Rot auf ihren gespitzten Lippen. Die Frau im Nebenraum wurde noch lauter. Es fielen Worte wie Spinner und Versager. Frau Eisentraut nahm ein Formular zur Hand und erklärte mit übertönender Stimme ihre Absicht, die Krankengeschichte von Beate durchzugehen und sich mit ihr darüber zu unterhalten, welche Entspannungstechniken von Vorteil sein könnten.

Beate verriet, dass sie von ihrer Mutter zu einem Zahnarzt geschleift wurde. Die Konzentration fiel ihr schwer. Ihre Ohren suchten gierig nach verbotener akustischer Nahrung hinter der nicht schalldichten Tür, und ihr linkes, gesundes Auge überwachte die regelmäßigen Abstände, in denen Frau Eisentraut zur Tür schielte. Das Auf und Ab ihrer Stimme, das sie dem Krach anpasste, ließ Beate schmunzeln, mehr als sie es mit gesunder Miene gewagt hätte. Frau Eisentraut hätte schreien müssen, um Wortgruppen wie Abmachung einhalten und Bach runtergeht unhörbar zu machen. Allmählich zweifelte Beate daran, die passende Praxis für sich gefunden zu haben. Ein latentes, unbestimmtes Gefühl in ihrem Darm wurde plastisch. Sie entschuldigte sich und ging auf die Toilette.

Ihr Blick fiel in den Slip, und sie lachte über die Befürchtung, sich beim Zahnarzt mit schmutziger Unterwäsche zu blamieren. Trotzdem kontrollierte sie, ob er richtig herum saß. Der Gedanke, bisweilen unter Blähungen zu leiden, blitzte auf. Würde Sie die Kontrolle behalten? Sie stellte sich vor, wie bei einem unbewussten Furz Hypnotiseur und Assistentin verschmitzt die Blicke wechseln.

Als sie das Besprechungszimmer wieder betrat, stand Frau Eisentraut neben einem Mann und erklärte etwas anhand ihres Schreiblocks. Die Kleidung verriet den Zahnarzt. Er war nicht groß, aber kräftig – eine Sportlernatur, die studiert hatte und Zähne mit bloßen Fingern reißen konnte. Vorhin wäre er in der Lage gewesen, der keifenden Person im Nebenzimmer mit einem Schlag das Maul zu stopfen.

Und seine Haare waren rot.

Nicht, dass Beate rothaarige Männer geringschätzte, sie ignorierte sie lediglich. Unlängst hatte sie einem Typen einen Korb gegeben, dessen Haare farblich eins waren mit seinen Sommersprossen, obwohl die Diskothek halb leer war und sie mit dem Schlaf rang. Den Zahnarzt hätte sie vielleicht nicht abgewiesen, das Gesicht war oberes Mittelmaß. Nur fand sie seinen Versuch bedauerlich, die tonsurartige Lichtung auf dem Kopf mit langen, quer gekämmten Strähnen zu verbergen, galt doch Haarschwäche als Merkmal erhöhter Potenz.

Doktor Klemmer – er musste es sein, ihres Wissens arbeitete hier kein weiterer Zahnarzt – schaute zu ihr herüber und behielt den Blick bei. Der Typ passte nicht in das Klischee eines Hellhäutigen; irgendetwas minderte die rot-weiße Kontrastarmut. Seine Augen, Wärmequellen von Augen!

Er ließ Frau Eisentraut stehen und streckte Beate die Hand entgegen. Sie fürchtete, er würde die ihre zerquetschen und war dann vom sanften Druck überrascht.

„Ich bin Doktor Klemmer. Gut, dass Sie einen Zahnarzt aufsuchen. Ich kenne jemanden mit einer solchen Schwellung, der den Notarzt rief, wen wundert das?“ Er hielt inne und betrachtete ihr Gesichtsprofil. „Einem selbst erscheint die Schwellung bedrohlicher als die Schmerzen. Sie haben doch welche?“ Beate nickte. „Frau Eisentraut erzählte mir von Ihren negativen Erfahrungen mit Zahnärzten in der Kindheit. Grausliche Geschichte. Meine eigene Angst hat mir ein paar vorzeitige Milchzahnlücken eingebracht. Und von später rede ich nicht gern.“ Beide lächelten, Beate schief nach links und Doktor Klemmer mit noch zehn Grad wärmeren Augen.

„Darf ich Ihnen etwas anbieten?“

„Ja, einen Strick.“

„Das habe ich überhört. Es gibt viele Wege, den Dämon der Angst auszutreiben, Sie werden staunen. Lassen Sie uns ins Behandlungszimmer gehen.“ Er ergriff mit der linken Hand ihren Oberarm, und jetzt erst merkte sie, dass sie ihre Hände noch gedrückt hielten, statisch wie auf dem Parteiabzeichen ihres Vaters, das sie auf dem Flohmarkt verkauft hatte. Er löste die Verbindung der Hände, ohne den Oberarm freizugeben, und schaute in ihre Augen mit reglosem, abgekühltem Blick. Beate schwankte. Er fasste kräftiger zu und führte sie durch die Tür.

Neun Stunden später trug der Wind nicht nur sechs Schläge der Kirchturmuhr von Sankt Salvator herüber, sondern prickelte auch auf der Haut von Doktor Jens Klemmer, der seine Praxis verlassen hatte und es genoss, ohne Handschuhe zu sein. Die wellig gewordene Haut trocknete, und die Striemen vom Mundschutz hinter den Ohren kühlten ab – die einzige Wonne, zu der seine Haut fähig war. Nach seinem Empfinden wurde die Pelle eines Rothaarigen im Laufe des Lebens dünn und verletzlich. Es galt, kratzender Garderobe aus dem Wege zu gehen – beim Anprobieren einer Hose oder in einer übervollen Straßenbahn. An oberster Stelle stand Wolle. Sie war Jens’ natürlicher Feind und Klebriges ihr Wirkungsverstärker. Jens genügte der Gedanke, einen Pullover aus Schurwolle zu tragen und einen Löffel Marmelade in den Nackenausschnitt gestopft zu bekommen, um seine Sicherungen durchbrennen zu lassen. In letzter Zeit akzeptierte er selbst Baumwolle nur noch von höchster Güte. Würde irgendwann eine komplette Hauttransplantation möglich sein, ließe er sich auf die Warteliste setzen. Wenn er bis dahin noch lebte. Denn verglichen mit Otto Normalhäutigem, dessen Haut Sonnenbrände wie in einem Langzeitgedächtnis speicherte, betrieben Rotschöpfe das reinste Gehirnjogging und fingen sich Hautkrebs ein wie Herpes.

Hinter ihm schrie jemand seinen Namen. Es war Frau Eisentraut. „Telefon!“ Sie hielt das Telefon mit gestreckter Hand aus dem Fenster, als ob ihr Chef bis in den ersten Stock langen könnte.

Jens rechnete damit, dass seine Frau ihn sprechen wollte. Heute mochte er nicht mehr an sie denken, sondern nur noch in die Sauna gehen und alles ausschwitzen, womit die Furie ihn verbal besudelt hatte.

„Es ist Doktor Bunsel, Ihre Urlaubsvertretung.“

„Sagen Sie, ich sitze in der Sauna.“

Auf ein Gespräch mit dem Kollegen hatte er auch keine Lust, den würde er früh genug kennenlernen, und wenn er anrief, um abzusagen, dann auch gut, sogar noch besser. Er ließ sich in seinen BMW plumpsen und fuhr in die Arminiusstraße.

In der Wohnung im ersten Stock war es kühl. Er drehte im Wohnzimmer den Heizkörper auf und setzte sich auf einen Hocker. Sein Blick verweigerte die Arbeit, blieb starr und wanderte nicht über die nackten Wände mit den grau umrandeten Rechtecken, den Umrissen von Bildern und Möbeln. Die Sachen, die dort gestanden hatten, hätte seine Frau – wie sie sagte – besser gebrauchen können als er. Es waren die meisten, auch Gegenstände, die aus einer Zeit vor ihrer Ehe stammten, aus aufgelösten Haushalten. Die Furie hatte die Wohnung geplündert, während er in der Praxis arbeitete, dabei waren sie noch nicht einmal geschieden.

Wie unter Hexenschuss stand er auf und holte ein neues Hemd. Die Berührung des kalten, etwas dickeren Stoffes ließ ihn schaudern. Mit spitzen Fingern legte er das Hemd auf den Heizkörper. Bei sofortigem Ankleiden hätte sich eine Armada winziger Pickelhauben gebildet – aufgerichtete Härchen auf den Kuppen der Gänsehaut – und wäre von den Armen zum Rücken marschiert. Während er wartete, aß er eine halbe Tafel Schokolade aus dem Küchenschrank. Den Schrank durfte er behalten, einen von der Sorte, hinter deren Glasscheiben früher Postkarten gesteckt hatten. Zehn Minuten später tauschte er sein nicht mehr frisches Hemd gegen das von der Heizung; es kratzte nicht mehr.

Die Sauna war Teil des Fitnessstudios im Stadtteil Heinrichsgrün am Fluss Weiße Elster, wohin Jens zu Fuß ging. Ihm gehörte das Studio mit dem Namen fun-sport-XXL zu fünfundzwanzig Prozent. Der Rest war Eigentum von Werner Licht, seinem Freund, den er hinter der Glastür einen Eiweiß-Shake mixen sah. Im Hof standen drei Autos. Jens fragte sich, ob es jemals wieder so viele sein würden wie bei der Eröffnung vor vierzehn Jahren.

Zwei weibliche Teenager in Sportbekleidung und mit Zigaretten hinter den Ohren kamen aus der Tür, um draußen zu rauchen. Werner schrie hinter: „He, he! Ihr braucht eure Lungen noch zum Blasen.“

Diese schroffe, ungeschminkte Art hatte Jens vermisst. Das war Werner. Er trat ein und reichte ihm die Hand.

„Für eine vierwöchige Trainingspause siehst du ganz passabel aus“, sagte Werner. „Du solltest dich trotzdem wiegen.“

Aus dem Kraftsportraum drang metallisches Scheppern und daraufhin Gelächter. Einer von drei Jugendlichen hatte sich die Hand eingeklemmt. Jens stellte seine Tasche ab. „Mach bitte die Sauna heiß, bis zum Anschlag.“

„Trainiert denn Herr Doktor nicht?“

„Der Tag war Training – Überlebenstraining. Renate hat mich in der Praxis besucht und ich wette, in diesem Augenblick erzählen die Patienten herum, wie laut es zuging.“

„Lass mich raten … Es drehte sich ums Geld. So lieb die Frauen auch sind, bei der Trennung werden sie zu Geldautomaten, und wir Männer füllen Scheine immer wieder nach. Tröstlich ist, dass sich die Damen zu jenem Zeitpunkt auch figürlich nicht von Geldautomaten unterscheiden.“ Werners Halbglatze reflektierte das Licht über dem Tresen nach Art einer Discokugel.

Jens lächelte süßsauer. „Wir plaudern später. Und leg ein paar Kohlen auf, falls weniger als fünfundneunzig Grad im Saunakasten sind. Sonst muss ich die Socken anbehalten.“

Beim Betreten des Umkleideraums klingelte sein Handy. Renate. Noch immer spürte er die Nässe ihres Keifens. Er schaltete das Handy aus. Da gab es etwas anderes, was überlegt werden musste: Übermorgen wird er nach Südtirol reisen, und es stand noch nicht einmal fest, ob allein oder zu zweit. Steffi hatte ihre Zusage von der betrieblichen Urlaubsbewilligung abhängig gemacht, er aber wusste, dass sie noch nicht so weit war, ihm so nahezukommen. Wenn er sich überhaupt noch Urlaub leisten konnte, denn wer vergaß, die Güter schriftlich zu trennen, bevor die Eheringe aufgesteckt wurden, braucht sich bei der Scheidung nicht über seine Finanzen zu wundern. Er duschte länger und heißer als sonst und ging in den Raum mit der Sauna. Neulinge waren von ihm beeindruckt, weil sie eine kleine Räumlichkeit vermuteten. In der Ruheabteilung aber standen die Liegen so weit voneinander entfernt, dass eine Unterhaltung nicht vertraulich geführt werden konnte. Hier spürte man die Fabrikhalle, die das Gebäude einst war, mit Fenstern wie von Kathedralen. Im Verhältnis dazu waren die zwei hölzernen Saunen Kaninchenställe.

Jens war allein. Das Thermometer zeigte 91 Grad, und das wohlige Gefühl stellte sich ein, auf das er scharf war wie ein Opiumsüchtiger auf sein Pfeifchen. Er dachte an Steffi, aber nach zehn Minuten war der größte Teil seines Hirns damit beschäftigt, das Überleben bei 91 Grad zu sichern. Die Tür sprang auf und Werner trat ein.

„Jetzt lege ich die Kohlen auf“, sagte er und goss so viel Wasser auf den Ofen, dass er im Dampf nahezu verschwand. Dann wedelte er wie ein Blöder mit seinem Handtuch, als wollte er Jens’ vierwöchiges Sauna-Versäumnis rückgängig machen.

„Was ist passiert?“, fragte er außer Atem. „Die Leute erzählen, Renate hätte dich mit Marlies erwischt. Hast dir gedacht, deine Ehe ist sowieso im Eimer, da darfst du mal die Trainerin vernaschen.“

„Dummes Malheur. Renate war mit ihren Freundinnen unterwegs ins Kino und hatte die Eintrittskarten zu Hause vergessen. Die ganze Bande kam zurück und ich lag mit Marlies auf der Couch. Den Rest kennst du bestimmt vom Tratsch.“

„Als Malheur bezeichnest du das? Renate soll in Ohnmacht gefallen sein, als sie nur deinen halben Kopf gesehen hat. Die andere Hälfte steckte in Marlies’ Bauch. Vergiss nicht, Marlies ist Aerobictrainerin; wenn die ihre Schenkel zusammenkneift, bekommst du Hasenohren.“

Das Lachen platzte Werner so intensiv heraus, dass sogar der Rand seiner Halbglatze Falten zog. „Und was ist dann passiert?“

Jens knüllte das kleine Handtuch zusammen und wischte den Schweiß vom Gesicht. „Nichts, ich wette, Renates Freundinnen hatten schon ihre Handys gezückt, als sie die Treppe runterrannten. Zwei Minuten später war Gera informiert.“

„Hast du denn die Besucher nicht mitbekommen?“ Werners Stimme holperte, in seiner Brust schien ein Nest voller Lachmöwen aufgewacht zu sein.

„Ich konnte doch nichts hören“, sagte Jens.

Mit den Händen schlug sich Werner auf die Knie. Sein Mund sprudelte: „Und Marlies? Die hatte doch ihre Ohren frei. Das Aufschließen der Tür und ne Horde Weiber machen Krach.“ Er zog sein T-Shirt aus. Was sichtbar wurde, war ein schwarzes Wollknäuel mit Armen, auf dem ein Hals saß. Werner hatte es aufgegeben, sich den Körper zu rasieren.

„Schien Marlies egal gewesen zu sein. Frage sie doch selbst. Jedenfalls wäre ich froh, wenn ich sie einige Zeit nicht sehen würde.“ Jens ging hinaus und stellte sich unter die Dusche. „Und in Ohnmacht ist Renate auch nicht gefallen, sie war nur sprachlos, weil sie mir eine derartige Aktion nicht zugetraut hatte, mir, dem Idioten vom Dienst.“

Als er abgetrocknet war, legte er sich auf eine Liege und schaltete sich in die tiefste Position. Für einen Moment sickerten anregende Bilder von Marlies durch. Sie stürzten zusammen, als Werner erneut zu lachen begann. Allem Anschein nach ließ er das Gesagte Revue passieren. Jens schloss demonstrativ die Augen und Werner verließ die Sauna.

Endlich konnte er sich gedanklich Steffi widmen, der hübschen Mutter seiner Auszubildenden. Es war hoffentlich so, dass das Geschwätz über ihn und Marlies nicht bis zu ihr vorgedrungen war. Steffi besuchte ausschließlich die Sauna und hatte sonst keinen Kontakt zu den Trainierenden. Seine Gedanken mündeten in einen Strudel aus Bildern von ihr und verschwammen im Schlaf. Als er aufwachte, war er immer noch allein. Er nahm sein Handtuch und ging zum zweiten Gang in den Kasten.

Steffis nackten Körper kannte er nur vom Hinsehen. Das Einzige, was er je berührt hatte, war ihre Hand. Sie waren zweimal ausgegangen, ihr Zögern mutete an wie pubertäres Gehabe. Und überhaupt, wie er auf sie aufmerksam geworden war, hatte einen faden Beigeschmack. Sie lag auf der obersten Stufe der Sauna und fragte ihn, ob er noch kurzfristig eine Auszubildende einstellen würde – ihre Tochter Anna. Dabei zog sie das an der Wand liegende Bein etwas an. Um sich zu öffnen? Ja, Jens war sich sicher, damals wie heute, dass es Körpersprache war. Genauso gut hätte sie sagen können: Mal sehen, was für dich rausspringt, wenn du meine Tochter einstellst.

Das Knacken der Saunatür würgte diesen Gedanken ab. Jens, der Steffi erwartete, kniff die Beine zusammen.

Ein junger Mann in vollen Klamotten und mit gebräunter Haut duckte sich durch die Tür. Als er sich wieder aufrichtete, stieß er fast gegen die Decke.

„Guten Tag! Sie müssen Doktor Klemmer sein“, sagte er mit bayrischem Dialekt.

Jens schaute ihn verdutzt an.

„Ich möchte mich vorstellen: Doktor Bunsel, derjenige, der Sie zwei Wochen vertreten wird.“

Bunsel, der wegen seiner Größe eine Ansicht von unten bot, hatte gelbe Zähne. Jens schaute auf die Hände in der Hoffnung, dass wenigstens die zu einem Zahnarzt passten. Die Finger waren lang und schmal. In Jens Studentenzeit hatte man solche Kommilitonen spaßeshalber als Frauenärzte favorisiert. Und die faltige Haut auf den Knochen schien eine Nummer zu groß zu sein. Der drahtige Typ war etwa dreißig Jahre alt.

Jens wischte seine schweißnasse Hand am Handtuch ab. Er wollte sie ihm lasch geben, damit sie sich anfühlte wie eine Qualle, drückte dann aber zu, bis Bunsel das Gesicht verzog.

„Was in aller Welt wollen Sie hier?“

„Ich pflege, mich auf eine Vertretung vorzubereiten.“

„In der Sauna?“

Bunsel lächelte gekünstelt. „Ich wollte Sie fragen, ob ich mich morgen früh einarbeiten kann, unentgeltlich, versteht sich. So lerne ich die Praxis besser kennen, als wenn Sie mich am Nachmittag kurz einweisen.“

Damit hatte Jens nicht gerechnet. Es war das erste Mal, dass er eine Vertretung beauftragte, und Engagement schätzte er hoch ein, aber genauso gut hätte der sonnengebräunte Yuppie morgen früh darum bitten können. Fehlte nur noch, dass er jetzt begann, fachliches Zeug zu labern.

„Ich bin gerührt, Sie können anfangen, wann immer Sie wollen.“

Bunsel schluckte, sein Kehlkopf hatte das Prägnante eines Außenfahrstuhls. Wahrscheinlich hatte er Beifall erwartet. „Ihre Frau sagte, Sie könnten mir bestimmt eine Unterkunft empfehlen. Etwas Preisgünstiges mit Frühstück, versteht sich.“

Jens glaubte es nicht. Da hatte er vereinbart, diesem Geizkragen für zwei Wochen ein Vermögen zu zahlen, und abends Viertel nach acht stört der einen heiligen Ort, um nach billigen Hotels zu fragen. Vielleicht bat er noch, bei ihm unterzukommen, nur für ein oder zwei Nächte, versteht sich. Renate war in Ausübung ihres angemaßten Mitspracherechtes auf die Idee gekommen, Bunsels Werbebrief zu beantworten und ihn als Urlaubsvertretung zu engagieren – einen Fremden in ihrer Praxis –, um die Patienten nicht der Konkurrenz preiszugeben. Dass eine Vertretung Patienten auch verprellen konnte, davon hatte Renate nichts wissen wollen.

„Da kann ich Ihnen nicht helfen. Fragen Sie vorn am Tresen den Herrn mit den lichten Haaren, billige Hotels sind seine Spezialität.“

Bunsel verabschiedete sich und ging genauso schnell, wie er gekommen war. Jens wartete weiter auf Steffi. Vergeblich.

„Das werden keine Hypnosen, sondern Entspannungen gegen die Uhr“, sagte Jens am nächsten Morgen zu Frau Grünwald, seiner zweiten Helferin, die ihm das offene Bestellbuch vor die Augen hielt. „Übrigens, ich suche eine Handynummer, die ich ins Bestellbuch oder anderswohin gekritzelt habe. Ihnen ist sie wohl nicht aufgefallen?“

Frau Grünwald verneinte und ging mit dem Bestellbuch zurück zur Rezeption. Er hatte nicht die Zeit, nach der Handynummer zu suchen, heute Vormittag riefen mehr Patienten an als sonst und baten wegen des Urlaubs um kurzfristige Termine. Zu allem Überfluss standen zwei Hypnosesitzungen im Bestellbuch. Aber er musste Steffi sprechen, musste wissen, woran er war, jetzt sofort. Er drückte die Sprechtaste und beorderte Anna in sein Arbeitszimmer. Gut zumute war ihm nicht, seine Auszubildende um die Handynummer ihrer Mutter zu bitten. Noch verheiratet, empfand er die Verpflichtung, sich irgendwie zu rechtfertigen. Wie beschissen stünde er da, wenn Anna von einem denkbaren Bekannten aus dem Fitnessstudio erfahren hätte, wohin ihr Chef seinen Kopf so steckt, während seine Noch-Ehefrau ins Kino geht.

Anna kam mit tränenverschmierten Augen. Auf sein Drängen hin erzählte sie, dass sie die heruntergefallene Pinzette zurück auf den Schwebetisch gelegt hatte, obwohl die Behandlung noch nicht beendet war, und deswegen von Frau Eisentraut runtergeputzt wurde. Jens kannte den Umgangston von Frau Eisentraut, und er wusste, was Midlife-Crisis war. Seitdem der Hingucker Anna in der Praxis arbeitete, legte Frau Eisentraut besonders viel Farbe auf die Lippen. Sonst wusste er nicht viel über sie, nur dass sie zwei große Söhne hatte und einen Mann, den er mehrmals im Schwarzbierhaus gesehen hatte. Wahrscheinlich war er öfter dort, als es seiner Frau lieb war.

„Mit deinen Leistungen bin in sehr zufrieden, Anna. Frau Eisentraut kam auch nicht als Zahnarzthelferin auf die Welt, ebenso wenig hat sie steril in die Windeln gemacht.“

Es nützte nichts. Annas Kinn klebte auf der Brust wie bei einer Beerdigung. Dabei fiel ihm ein, was Steffi an einem gemeinsamen Abend angesprochen hatte, nämlich dass Anna flachbrüstig war. Eigentlich hatte sie gar keine Brüste. Das barg Zündstoff, wie Steffi meinte. Ein Mädchen habe mal zu Anna gesagt: „Sieh’s mal positiv, du bekommst niemals Brustkrebs.“ Und im Chemieunterricht waren es zwei Jungs gewesen, die meinten, dass nur in der Nanotechnologie die Partikel kleiner seien als ihre Möpse. Dieselben Typen hatten es auch als Brettspiel bezeichnet, wenn man ihre Nippel bewegt.

Jens lenkte seinen Blick weg von dem weißen Stoff auf ihrem Brustkorb, der glatt war wie eine Tischdecke. Er malte sich aus, wie Anna vor dem Spiegel stand und weinte. Ihm lag auf der Zunge zu sagen, dass sogar Männer nicht gegen Brustkrebs gefeit seien, behielt es aber für sich, zusammen mit einer inneren Kopfnuss, die er sich gab.

„Ich möchte dich um die Handynummer deiner Mutter bitten.“

Anna schaute überrascht, dann rollte sie die Augen hinauf zum Gedächtnis und nannte die Zahlen. Irgendetwas sagte ihm, dass sie von den gemeinsamen Urlaubsplänen keine Ahnung hatte, weil Steffi in Wirklichkeit nicht daran dachte mitzufahren. Oder Mutter und Tochter amüsierten sich über das Rindvieh von Zahnarzt, das eine Lehrstelle eilfertig geschaffen hatte und dennoch allein verreisen würde.

Er bedankte sich überschwänglich und entließ Anna aus dem superkleinen Arbeitszimmer, das nach Werners Dafürhalten glauben machte, der Zahnarzt wolle mit der Putzfrau anbändeln, weil er die Besenkammer möbliert hatte. Jens wählte die Nummer.

„Tut mir leid“, sagte Steffi am anderen Ende, „ich war gestern zu kaputt, um in die Sauna zu gehen, außerdem bin ich leicht verschnupft.“ Ihre Stimme klang wirklich so. „Mein Chef würde mir frei geben, aber ich weiß nicht, ob es richtig wäre. Der Urlaub könnte ein Fiasko werden. Wir kennen uns zu kurz. Und Sie haben sich Urlaub verdient!“

„Das Risiko gehe ich gerne ein.“

„Okay. Aber sollte ich merken, es wird nichts mit uns, kann ich nicht so tun als ob, nur weil gerade Urlaub ist. Sie würden das nicht wegstecken wie einen verhauenen Lottoschein.“

Sie machte eine Pause. Jens hörte, wie sie in ein Taschentuch schneuzte. Mit ihrer Offenheit hatte er nicht gerechnet. Und er gab ihr Recht. Er war kein Reisebüro, das um Kunden warb. Er fühlte auch nicht mehr die Kraft, mit der er als junger Mann Frauen umgarnt hatte. Der Schlamassel, den er schließlich zwei Frauen verdankte, klebte an seinem Eifer.

Steffi räusperte sich. „Und wir hatten vereinbart, uns den Urlaub so vorzustellen, als würden wir uns zufällig im Hotel treffen.“ Sie holte tief Luft. „Das bedeutet, dass ich abreise, wann immer ich will, denn ich fahre mit meinem eigenen Wagen.“

Na toll, dachte Jens, Abreise vielleicht, wenn der Mond ungünstig stand oder ihr Einfallsgenerator das so wollte.

„Schimpfen Sie mich nicht“, sagte sie, „wenn ich noch eine Selbstverständlichkeit anspreche, die einen Gentleman wahrscheinlich kränkt. Ich hoffe, dass Sie ein eigenes Zimmer für mich haben und mir nicht vor Ort mit Bedauern erklären, dass keines mehr frei ist.“

Der Schlag ging in die Magengrube. Getrennte Zimmer hatte er als geboten erachtet, aber nicht erwartet, dass Steffi das Thema so resolut anmahnen würde. Er hatte keinen Plan B für den Fall, dass der Gasthof ausgebucht war und ihre Urlaubsstimmung die Zimmerfrage nicht zur Nebensache verkommen lassen würde. „Selbstverständlich, das wäre zu kitschig.“

„Gut. Es würde aber auch nichts machen, wenn Sie jetzt lieber allein verreisten und mich Schrulle zu Hause ließen, denn so bin ich nun mal.“

So sind sie alle, dachte Jens. Für ihn klang das wie nach einem Essen, bei dem die Frau fragt, ob sie bezahlen soll. Er konnte die Sache nicht rückgängig machen, ohne wie ein kaltgestellter Aufreißer dazustehen. Er verabredete sich mit ihr.

Beim Betreten des Behandlungszimmers sah er von hinten einen Mann im weißen Kittel, der auf dem Drehhocker saß und mit Herrn Scheffel sprach, dem einbeinigen Patienten aus dem Altersheim. Einen Augenblick lang kam es Jens vor, in der falschen Praxis zu sein.

„Guten Morgen, Herr Bunsel! Wie ich sehe, brauchen Sie keine Einweisung.“

Bunsel stand auf. „Oh, niemand wusste, wo Sie waren, da habe ich schon mal angefangen, versteht sich. Ist ja ganz schön was los im Wartezimmer.“

„Nächste Woche erleben Sie, wie es abflacht.“

„Um so besser für die Hypnosesitzungen, da …“

Jens machte einen Satz rückwärts, als hätte er soeben Lepra bei Bunsel entdeckt.

„Auf keinen Fall!“ Er hob beschwörend die Arme. „Ich wusste nicht, dass Sie auf diesem Gebiet ausgebildet sind, aber ich vertrete die Auffassung, dass Hypnose an ein und denselben Therapeuten gebunden sein soll. Sie ist zu anfällig, um sie mal kurz aus der Hand zu geben – mit Verlaub an einen doch Fremden.“

Jens drängte Bunsel zur Seite und setzte sich zu dem Patienten. Er war drauf und dran, den Urlaub abzusagen. Der Fortschritt mit Steffi war nur befriedigend und Renate drohte in ihrer Gewinnsucht mit der Teilung der Praxis. Ja, und Bunsel hatte was von einem klebrigen Alleskönner. In Deutschland gab es eintausend in Hypnose ausgebildete Zahnärzte, unter ihnen also auch streunende, die von Vertretungen lebten.

Jens nahm Spiegel und Sonde und fing an zu arbeiten.

Ich locke dich

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