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c) Keine Einbeziehung der Strafverfolgungsvorsorge

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Nicht zur Gefahrenabwehr zählt die Strafverfolgungsvorsorge, die der zukünftigen Verfolgung möglicher späterer bzw später bekannt werdender Straftaten dient. Sie ist der Strafverfolgung zuzurechnen und unterfällt damit als Annex der Kompetenz des Bundes für das gerichtliche Verfahren gem. Art. 74 I Nr 1 GG (s. näher Rn 30). Ob eine konkrete Maßnahme der Strafverfolgungsvorsorge oder der Gefahrenvorsorge zuzuordnen ist, richtet sich nach ihrer Zielrichtung[13]. Im Einzelfall kann ein polizeiliches Handeln allerdings sowohl der Strafverfolgungsvorsorge wie auch der Gefahrenvorsorge zuzuordnen sein[14]. Deshalb kann etwa die Identitätsfeststellung (Rn 132 f) oder die Videoüberwachung (Rn 202 f) sowohl durch den Landesgesetzgeber (zum Zwecke der Gefahrenvorsorge) als auch durch den Bundesgesetzgeber (zum Zwecke der Strafverfolgungsvorsorge) geregelt werden (s. Rn 30) – je nach der Zielsetzung der Maßnahme. Die Polizei kann deswegen entsprechende Maßnahmen auf beide Rechtsgrundlagen stützen. Es spielt dann keine Rolle, wo der „Schwerpunkt“ ihres Handelns liegt (dazu Rn 476)[15].

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Der Bundesgesetzgeber hat die Strafverfolgungsvorsorge bisher nicht abschließend und flächendeckend, sondern nur punktuell geregelt, so zB in § 81b Alt. 2 StPO (erkennungsdienstliche Maßnahmen; dazu unten Rn 139) und in § 81g StPO (DNA-Feststellung, so genannter „genetischer Fingerabdruck“; dazu Rn 138)[16]. Solange das Bundesrecht nur solche punktuellen Regelungen enthält, kann der Landesgesetzgeber gem. Art. 72 GG die Lücken des Bundesrechts auf dem Gebiet der Strafverfolgungsvorsorge ausfüllen (dazu auch Rn 30). Seine Regelungen kann der Landesgesetzgeber – anknüpfend an § 1 I 2 MEPolG[17] – in sein jeweiliges Polizeigesetz aufnehmen, da die entsprechenden Befugnisse der Polizei zugeordnet sind. Teilweise werden dabei in Anlehnung an § 1 I 2 MEPolG sowohl die Verhütung von Straftaten als auch die Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten mit dem einheitlichen Begriff der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten umschrieben[18]. Dies ist wenig glücklich, weil damit verwischt wird, dass zwischen der Strafverfolgungsvorsorge einerseits und der Abwehr konkreter Gefahren[19] bzw der Gefahrenvorsorge andererseits wesentliche Unterschiede bestehen. Die entsprechenden Normierungen sind zudem teilweise widersprüchlich, weil sie nach ihrem eindeutigen Wortlaut der Polizei die Strafverfolgungsvorsorge nur im Rahmen der Gefahrenabwehr zuweisen. Soweit die StPO abschließende Regelungen der Strafverfolgungsvorsorge beinhaltet, sind landesrechtliche Regelungen, die eine vorbeugende Bekämpfung von Straftaten vorsehen, verfassungskonform so auszulegen, dass sie sich nur auf die Gefahrenvorsorge beziehen (Rn 30)[20].

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Dass Verwaltungsbehörden Aufgaben der Gefahrenabwehr zugewiesen werden, schließt es nicht aus, diesen Verwaltungsbehörden (insbesondere durch Spezialgesetze) auch Aufgaben der Wohlfahrtspflege zu übertragen. So enthalten etwa die Landesbauordnungen neben Regelungen zur Gefahrenabwehr auch Normen, die die Wohlfahrtspflege bezwecken, so zB die Normen zur Baugestaltung[21]. Über den Bereich der Gefahrenabwehr hinaus führt zB auch § 5 I Nr 1 BImSchG, der die Abwehr erheblicher Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft zum Gegenstand hat (vgl Rn 79). Eine sozialstaatlich motivierte Ausdehnung der staatlichen Tätigkeit führt ohnehin dazu, dass neue Rechtsgüter geschaffen werden, die durch die Polizei vor möglichen Gefahren geschützt werden müssen, wenn spezialgesetzliche Normen fehlen. So ist zB ein baupolizeiliches Einschreiten möglich, wenn die Regelungen der LBO über die ästhetische Gestaltung eines Bauvorhabens missachtet werden.

Teil I Einführung in das Polizei- und Ordnungsrecht§ 1 Die einzelnen Polizeibegriffe › III. Der Begriff der Polizei im institutionellen (organisatorischen) Sinn

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