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Bonheil

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Im Frühjahr 1975, so etwa um die Karnevalszeit,

da war es bei mir wieder einmal so weit.

Wir hatten große Sorgen, Ängste und Verdruss,

unser soeben erst bezogenes, gemietetes Haus in Heiligensee

sollte bald abgerissen werden, laut GESOBAU- Vorstandsbeschluss.


In dem, gegen unsere Neubauwohnung getauschten, Haus mit

Garten war vieles recht primitiv und unbequem,

nichts war renoviert, und alles war längst nicht so komfortabel und angenehm.

Innerhalb der Familie gab es auch mit den Kindern Streit,

deren Pubertät und die neuen Umstände ergaben insgesamt eine recht schwierige Zeit.


Es stand an, das Haus vorerst einmal gründlich zu renovieren;

ich riss zwar die Tapeten von den Wänden herunter, doch mir ging nichts von der Hand,

ich war schwer für irgendetwas zu motivieren.

Ich drückte meine Verzweiflung darüber auf meine Art aus,

ich lachte und weinte, sang fortwährend meine Lieblingslieder und randalierte manchmal im Haus.

In der Folge wollten alle, auch ein Arbeitskollege in der Bank, mich darüber belehren,

doch einzusehen, dass ich krank sei, und ich ließ mich schließlich bekehren.

Diesmal kam ich in eine Klinik, die in Berlin überall wohl bekannt, in die Bonhoeffer Heilstätten, im Volksmund auch ´Bonheil` oder ´Bonnys Ranch` genannt.

Alles war hier sehr modern eingerichtet, das muss ich wohl loben, und ich war dort recht gut aufgehoben.

Die Ärzte experimentierten mit diversen Tabletten und Tropfen,

dass mein Körper sich verkrampfte und mein Herz anfing stark zu klopfen.

Schließlich man auf die Vermutung, meine Krankheit werde

verursacht durch Lithium-Mangel beim Gehirnstoffwechsel, kam, und dass dadurch ausgelöst werden könnte der manisch- depressive Wahn.

Man verabreichte mir Mengen von Lithium in Tablettenform, die drückten mein Verrücktsein

langsam wieder zurecht in die allgemein geduldete Norm.

Nach ein paar gefühlsmäßig recht durchwachsenen Wochen,

bin ich dann als geheilt, doch von ein paar unangenehmen Nebenwirkungen beeinträchtigt, wieder zurück nach Hause gekrochen.

Mit diesen neuen Tabletten, die ich seitdem nehme, statt der alten,

hat mein einigermaßen stabiler Zustand etwa zwölf Jahre lang durchgehalten.

Für mich persönlich erklären sich diese Krankheitsausbrüche immer

wieder als eine unbewusste Flucht,

in der mein Körper (oder Geist) durch eine unwillkürliche Abwehrreaktion gegen unüberwindlich scheinende Probleme, gegen Überforderung und der Angst vor Versagen einen Ausweg sucht.

Damals war die Situation für mich bedrückend und durch und durch beschissen,

so habe ich instinktiv aus Selbstschutz mein Heil wieder in der Flucht in die Krankheit gesehen und bin vor der Verantwortung ausgerissen.

WS 042007



Etwas abseits von der Norm.

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