Читать книгу Etwas abseits von der Norm. - Wolfgang Dieter Schreyer - Страница 38
Teneriffa
ОглавлениеIm Urlaub auf Teneriffa geschah es nach vielen Jahren wieder einmal,
dass das Zusammensein mit mir wurde für meine Frau zur Qual.
Ich fühlte mich losgelöst, von allen häuslichen und beruflichen Zwängen frei,
mit dem innersten Wunsch, dass das möglichst immer so sei.
Hier könnte man nach den Sternen streben,
und hier könnte man seine restlichen Jahre ohne Sorgen verleben.
Die Insel nahm mich sehr gefangen, die Wärme brachte mich ins Schwitzen,
und es machte mir unheimlich Spaß, viel herum zu palavern, und es fiel mir schwer,
lange Zeit ruhig und still zu sitzen.
Dann gab es das Problem mit dem nächtlichen Schlafen wieder,
ich lag nachts stundenlang wach, war voll von Phantasie, im Hotel war es unruhig, und man hörte laute Lieder.
So trat allmählich der ´man-dep-man` wieder in Aktion, so wie ich ihn bei mir kannte von früher her schon.
Ich brauchte keinen Schlaf mehr und auch keinen Wecker,
ich war redegewandt und selbstbewusst und fühlte mich als blonder Held, wie der frischgebackene Wimbledon-Sieger >Bumbum< Boris Becker.
Bei einem Ausflug auf die Nachbarinsel La Palma zeigte sich dann offenbar,
dass das Wölfchen in seinem Wesen vollkommen verändert war.
Mir machte am Steuerrad die Autofahrt durch die Insel viel Vergnügen, ohne Frage,
doch meine Tante, mein Onkel und meine Frau hatten wegen meiner rasanten Fahrweise
anscheinend Grund zur Klage.
So haben die drei zusammen beschlossen, sofort wieder einen Flug nach Teneriffa zurück zu buchen,
um dort schnell einen Arzt zu finden, der mich sollte untersuchen.
Ein Arzt erschien, er konnte nicht viel tun, gab mir zur Beruhigung eine Spritze schnell
und empfahl, mich ins Krankenhaus zu bringen, und zwar in die Clinica St. Miguel.
Dort konnte ich meine Manie ganz frei ausleben,
ich konnte laut singen, schreien und lachen und mich ohne Einschränkung frei bewegen.
Ich fühlte mich dort sehr wohl, für meine Frau war die Situation sicher schlimmer,
doch sie durfte mit mir zusammen verbringen im selben Zimmer.
Manches Mal bereitete ihr der Gedanke an den verrückten Mann sicher Höllenqualen,
auch das Problem, wie die Unterkunft und die Behandlung in der Klinik zu bezahlen.
Die drei Euroschecks, die wir noch hatten, würden nicht reichen, konstatierten wir verstört,
doch mein Vater war bereit, uns den notwendigen Betrag zu überweisen, als er von dem Malheur gehört.
Aber meine Tante, ausgestattet mit viel Beziehungen, wusste einen besseren Rat,
sie kannte eine Stewardess der Fluggesellschaft, die bereit war, das Geld durch ihren Dienstflug uns persönlich zu übermitteln, was sie dann auch tat.
Der Umschlag mit dem Geld meines Vaters wurde meiner Tante, der Frau B., unmittelbar direkt überbracht,
doch die verhielt sich danach ganz anders als es eigentlich gedacht.
Sie hat das Geld unter fadenscheinigen Argumenten behalten und nicht herausgerückt,
das hat uns völlig überrascht und verwundert und ziemlich bedrückt.
Wir hatten damals das unbestimmte Gefühl, sie hatte irgendwelche Geschäfte getätigt
und das Geld zu diesem Zeitpunkt gerade für sich selber benötigt.
Doch meine Frau gab sich noch nicht geschlagen,
sie wusste, dass zu Hause im Thurbrucher Steig noch diverse Scheckformulare in einer Kassette lagen.
Sie rief eine Vertraute, die Gisela, an und erzählte ihr von der Situation,
diese kannte sich bei uns aus, weil sie unser Haus in unserer Abwesenheit betreut, und sie trat umgehend in Aktion.
Die besagte Stewardess, die wir leider nicht kennen, doch hohes
Lob soll ihr gebühren,
zeigte sich bereit, diesen Sonderkurierdienst noch ein zweites Mal durchzuführen.
Das Problem der Bezahlung des Krankenhauses war nun beseitigt,
dann kam das nächste, wegen des neuen Rückflugtermins hätten wir das Personal von Neckermann Reisen am liebsten gesteinigt.
>Keine Plätze frei, vielleicht morgen, halten Sie sich bereit<,
so wurden wir mehrmals vertröstet, bis es schließlich gab heftigen Streit.
Endlich kam der Moment, auf den wir lange gewartet,
ein auf der Startbahn befindliches Flugzeug stand mit schon laufenden Triebwerken zum Abflug bereit, es schien fast, als wäre es bereits gestartet.
Im letzten Moment bekamen wir von den Neckermann-Angestellten grünes Licht,
wir mussten etliche Meter quer übers Rollfeld zu der auf uns wartenden Maschine eilen, in den Händen unser gesamtes Gepäck, welches hatte reichlich Gewicht.
Das sind leider keine erlogenen Geschichten,
die ich von dieser durchwachsenen Teneriffa-Reise muss berichten.
Die BARMER hat im Nachhinein die Krankenhauskosten voll übernommen,
denn Unterbringung und Behandlung wären in einem deutschen
Krankenhaus bedeutend teurer gekommen.
Schließlich kam sogar von der Firma Neckermann,
nach einem deftigen Beschwerdebrief per Scheck eine Versicherungszahlung als kleiner Ausgleich für die erlittenen Unannehmlichkeiten bei uns an.
Nur das grüne Band der Sympathie zu meiner Tante ist seitdem völlig zerrissen,
wir haben aber nicht das Gefühl, dass wir dadurch irgendetwas vermissen.
Dies ist eine Geschichte, die das Leben schreibt, die es eigentlich gar nicht kann geben,
doch, wie man sieht, nichts ist unmöglich in diesem merkwürdigen, unberechenbaren Leben.
WS 04200