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2. Februar 1991

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Gelman aus dem ZK ausgeschlossen. Die SU spricht mit vielen Stimmen durch- und gegeneinander. Noch immer zeichnet sich kein neuer geschichtskräftiger Block ab. Zerfall. Nachdem der Markt nicht eingeräumt und gestaltet werden konnte, herrscht der Schwarzmarkt, und gegen ihn wird der KGB eingesetzt.

In der TAZ vom vergangenen Dienstag lese ich ein vorzügliches »Tischgespräch im Bistro« von F. C. Delius. In der Tradition von Lessings Falk und Jahn und von Brechts Flüchtlingsgesprächen arbeitet er sorgfältig mit dem Material dieser Tage, FAZ-Artikel, Kneipengesprächen. Karl Kraus’ Die letzten Tage der Menschheit lassen grüßen. Ich folge dem spontanen Impuls und rufe ihn an, bitte ihn, fürs »Argument« zu schreiben.

In derselben Nummer der TAZ ein interessantes Gespräch von Max Thomas Mehr mit Ernst Tugendhat über den Golfkrieg. Für T sind die USA schuld am Krieg, und dieser ist »das größte Verbrechen seit Hitler«. »Ich rede ganz bewusst antiamerikanisch, wie man ganz bewusst antideutsch sein musste im Zweiten Weltkrieg.« Tugendhats sehr scharfe und scharfsinnige moralphilosophische Analysen kranken daran, dass er nichts von politischer Ökonomie versteht. Er inkriminiert die Waffenlieferungen an den Irak, plädiert damit implizit (vielleicht ohne es zu wollen) für ein kriegstechnologisches Dauerembargo, von dem er wohl auch nicht sieht, dass es, wie im Falle des gegen den Osten gerichteten Embargos, ganz »normale« zivile Exporte behindern würde wegen des Transfers militärisch nutzbarer Technologie. Aber wie dann das Öl bezahlen? Wiederum übersieht er, dass der Irak versucht, die Welt-Ölpreise hochzudrücken, was in einer vom Geld (Kapital) beherrschten Welt auch eine Form staatlich-militärisch aufgebauter ökonomischer Gewalt ist. Gegen diese Öl-Hochpreispolitik stellen sich daher auch die Länder der Dritten Welt, die auf Ölimporte angewiesen sind, Indien zum Beispiel. Krieg zwischen industriellem Kapital und Grundrentenbeziehern, transponiert. Man muss den Weltverhältnissen auf den Grund gehen, deren Irrationalität in Kriegsform umgeschlagen ist. Die Interessen der BRD an der Kapitalisierung der ehemaligen DDR, denen der Krieg in die Quere kommt, blendet T. aus.

Tugendhat differenziert hinsichtlich der UNO. Dass sie sich »endlich einmal zu einem wirklichen gemeinsamen Schritt durchgerungen hat«, war »für viele Nationen vielleicht etwas besonders Erhebendes«. Aber die UNO hat allen Verhandlungsspielraum dem Westen überantwortet, und viele Länder haben sich in Abhängigkeit von den USA begeben. Diese »wollen die unangefochtene Macht Nummer eins sein«. Welthegemon mit Klienten.

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