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3. Februar 1991

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Politische Ökonomie des DDR-Anschlusses. – Lutz Hoffmann, Präsident des DIW, analysiert in der gestrigen FAZ sehr strategisch vom Standpunkt des Gesamtkapitalisten die ökonomischen Aspekte des DDR-Anschlusses. Die derzeitige Misere erklärt er der Sache nach mit der Niederlage der Politik Lafontaines, ohne dessen Namen zu nennen: »Durch die lange Weigerung, die Notwendigkeit hoher Infrastrukturinvestitionen – mit öffentlichem wie privatem Kapital – als Preis für die rasche Einführung der Währungsunion anzuerkennen, hat die Bundesregierung viel Zeit für die Sanierung der ostdeutschen Infrastruktur verloren.« In Hoffmanns Sprache: »nicht ökonomische Rationalität, sondern die politische Ökonomie« hat das Sagen gehabt. Unter letzterer versteht er mit Anthony Downs »Neuer politischer Ökonomie« (An Economic Theory of Democracy, 1957) ein System, das darauf basiert, »dass der wirtschaftspolitische Entscheidungsträger nicht die gesellschaftliche Wohlfahrt [maximiert], sondern seinen politischen Nutzen, der vor allem in der Wahrscheinlichkeit besteht, wiedergewählt zu werden«. Das geht gegen Helmut Kohl.

Mit mangelnder Infrastruktur erklärt Hoffmann das bis dato festzustellende Ausbleiben des großen Kapitals. Interessant, wie er die Folge der Einschnitte sieht. Währungsunion: »Im Grunde handelte es sich um den Vorschlag einer radikalen Handelsliberalisierung, verbunden mit einer drastischen Aufwertung.« Die DDR-Wähler wollten das Westgeld. Was ihnen »nicht bewusst war«, waren die Folgen für die Arbeitsplätze. Nur die Subventionierung der Exporte ins alte RGW-Gebiet8 milderten den ökonomischen Kollaps für eine Weile noch etwas ab.

»Extrembeispiel« für einen Sieg der »auf Stimmenmehrheit zielenden politökonomischen Rationalität« mit chaotischen Folgen ist für ihn Gorbatschow.

In den »Fünf Neuen Ländern«, kurz »FNL«, ist laut FAZ die Verbitterung besonders groß bei den Abgeordneten der letzten Volkskammer und den Mitgliedern der Regierung de Maizière. Sie hatten die Anschlusspolitik gemacht und fanden sich über Nacht auf dem politischen Abstellgleis. Empörung darüber, zum bloßen Steigbügelhalter degradiert zu sein. Man sieht nachträglich auch klar, dass de Maizières Sturz seit langem »für den Herbst nach den Bundestagswahlen« geplant gewesen ist. Von »Politik wie mit der Neutronenbombe« soll man vor allem in kulturpolitischen Kreisen sprechen: der Westen nicht an lebendiger Kultur, sondern an den Immobilien interessiert; für ihn nur neuer Raum hinzugekommen, ein Terrainkalkül, für welches die DDR-Bevölkerung nun 40 Jahre gelebtes Leben auszulöschen habe.

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