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Nationalismus, Freiheitskampf und Terror

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Die Entwicklung der Massenmedien hängt nicht nur eng mit der des Terrorismus, sondern auch eng mit der des Nationalismus zusammen. Beiden steht eine Form (halb-)intellektueller und theatralischer Gewalt nahe, die man bis heute in gemilderter Form in der Sportberichterstattung beobachten kann, in der ein aggressiver Nationalismus der Reporter die Entgleisungen der Hooligans im ersten Schritt verbal vorwegnimmt und im zweiten dann empört als «unsportlich» verurteilt. Die Massenmedien erzeugen Spracheinheiten; die latente Gewalt der Spracheinheit wird zu einem zentralen Thema des Massenmediums.

Unter dem Druck dieser Entwicklungen gärte es seit dem 19. Jahrhundert in den klassischen Vielvölkerstaaten Europas und Kleinasiens: in der Donaumonarchie und im Osmanischen Reich. Überall gewannen «Freiheitskämpfer» an Einfluss, und auf vielen Bühnen wurde mit den verschiedensten Rollenbezeichnungen das klassische Stück gespielt: «Vom Räuber zum Staatsmann!», «Vom Verräter zum Nationalhelden!», «Vom Terroristen zum Diplomaten!» «Erfolgreiche» Rechtsbrecher und Gewalttäter verwischten in den Geschichtsbüchern ihre blutigen Anfänge und richteten später mit energischer Gewalt über jene, die nichts anders getan hatten als sie selbst.

Selbst ausführliche Darstellungen der Geschichte des Terrorismus tun sich schwer, die Zahl der Legierungen aus aggressivem Nationalismus und anarchistischer Verschwörung aufzulisten, die im 19. Jahrhundert in den unterschiedlichsten Staaten und Gruppen entstanden, kämpften, in den meisten Fällen vergingen, in den seltensten etwas erreichten. Eine dieser Gruppen, die «Jungbosnier», löste den Ersten Weltkrieg durch das Attentat auf den österreichischen Thronfolger in Sarajewo aus. Hier wirkte die klassische Strategie des terroristischen Freiheitskampfes wie der Funke im Pulverfass. Diese Strategie sieht so aus: Der «Unterdrücker» wird durch terroristische Aktionen bewegt, sein «wahres Gesicht» zu zeigen. Sein Gegenterror wird dann propagandistisch benutzt, um Verbündete zu gewinnen. In diesem Ringen geben verschiedene Faktoren den Ausschlag über Erfolg oder Scheitern in einer Auseinandersetzung, die schließlich auch zum Urteil der Geschichte führen, ob es sich um (kriminelle) Terroristen oder um (heroische) Freiheitskämpfer handelte.

Wenn es den Tätern gelingt, mächtige Verbündete in dritten Ländern zu gewinnen oder die eigene Bevölkerung geschlossen gegen einen Feind zu mobilisieren, der seine Macht aus der Zersplitterung und Uneinigkeit der Beherrschten gewann, haben sie gute Chancen. Wenn es dritten Ländern nicht opportun scheint, sie zu unterstützen, und die Gruppe, die gewonnen werden soll, durch die Aktionen eher irritiert und abgeschreckt wird, werden die Terroristen scheitern. Von der Schlagkraft, Energie, heroischen Rücksichtslosigkeit der Gruppe selbst hängt einiges ab, aber es ist eine törichte Fiktion, die zu unendlich viel sinnlosem Blutvergießen geführt hat und wohl noch führen wird, davon auszugehen, dass es der radikale Wille und persönliche Todesmut sind, die aus dem verachteten Terroristen den glänzenden Freiheitshelden machen.

Der Mensch als Bombe

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