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13.

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Verena fuhr hinter dem kleinen Kreisverkehr in die Straße, die direkt zum Wasser führt. Die während der Segelsaison stets geschlossene Schranke war geöffnet, sodass sie bis zum Wendehammer fahren konnte, wo sie ganz rechts an den Büschen parkte, die be­reits ein erstes zartes Grün erkennen ließen. Im Gegensatz zum sommerlichen Betrieb lag die Talsperre völlig unberührt. Silbrig glänzte die spiegelglatte Wasseroberfläche. Kein Segelboot weit und breit. Nur am Ufer des rechts gelegenen Campingplatzes herrschte eifriges Treiben, denn die Märzsonne hatte schon einige Segler herausge­lockt, um mit dem üblichen Frühjahrsputz zu beginnen. Etliche Boote waren aufgebockt und erhielten einen neuen Anstrich. Andere lagen schon auf den Trailern, bereit, ins Wasser gezogen zu werden.

Verena sah sich unauffällig um. Schon auf der Fahrt zur Bever hatte sie sich dabei er­tappt, dass sie häufiger als sonst in den Rückspiegel sah, um festzustellen, ob ihr je­mand folgte. Das war natürlich Unsinn, wie sie sich selbst eingestehen musste. Aber ir­gendwie hatte das Ganze etwas Konspiratives.

So empfand sie es auch jetzt, als sie sich auf den Weg zum Schuppen machte, in dem die 'Weiße Rose' während des Winterhalbjahres untergebracht war. Wie üblich war er unverschlossen, denn es handelte sich mehr um eine Bretterbude, die den Anschein er­weckte, als könne schon ein schiefer Blick genügen, um sie zusammenfallen zu lassen. Dennoch hatte er bisher immer den Herbststürmen getrotzt, vielleicht zum Ärger des Ei­gentümers, der sich bei einem ordentlichen Sturm sicherlich hätte sanieren können. Aus Gewohnheit hatte Paul den Vertrag immer wieder für ein paar Jahre verlängert. Wohl auch deshalb, weil der Schuppen günstig zu der Stelle lag, wo das Boot zu Wasser ge­lassen wurde.

Offensichtlich nahm kein Mensch Notiz von Verena. In unmittelbarer Nähe hielt sich nie­mand auf, und die Leute am Ufer des Campingplatzes waren so weit entfernt, dass man nur ihre Konturen wahrnehmen konnte.

Die Tür gab beim Öffnen ein leises Quietschen von sich. Ihre Augen mussten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen, denn draußen herrschte gleißendes Licht. Da sie den Lichtschalter nicht betätigen wollte, wartete sie ein paar Sekunden. Dann erkannte sie die Umrisse der drei Boote, von denen das mittlere die 'Weiße Rose' war. Sie stand auf stabilen Holzböcken, sodass Verena es wagte, ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen das Deck zu betreten. Mit dem Schlüssel öffnete sie die Kajütentür, lauschte nochmals nach draußen und stieg die drei schon etwas abgewetzten Stufen in das Bootsinnere hinab. Es roch muffig. Ihr Herz pochte und sie hörte ihren eigenen Pulsschlag. Verena bemerk­te, wie die Innenflächen ihrer Hände feucht wurden. Vorsichtig zog sie die Tür hinter sich zu und betätigte den Schalter für die von einer Batterie gespeisten Deckenlampe. Die Fenster waren zum Schutz vor Staub und Feuchtigkeit mit einer Persenning ver­hängt worden. So konnte auch kein Licht nach außen dringen. Die 60-Watt-Birne be­leuchtete nur schwach das Innere des Bootes, aber verstärkte sofort Verenas Gefühl von Vertrautheit. Mit der Wärme des Lichts legte sich ihre Anspannung und sie begann, wieder ruhiger zu atmen.

Der Tisch an der rechten Seite war auf die Höhe der u-förmigen Sitzbank abgesenkt, so­dass Verenas Blick auf die ganze Fläche fiel, die ihr so manches Mal wie ein Himmel­bett vorgekommen war. Schnell wischte sie diese Gedanken beiseite und machte sich ans Werk. Sie kniete sich auf eines der herumliegenden Kissen und suchte die Holzver­täfelung oberhalb des Bullauges ab. Aber sie konnte keinen Spalt erkennen. Also muss­te sie doch den Tisch in seine normale Position bringen und nach dem Hebel suchen. Mit wenigen Handgriffen hatte sie den Tisch fixiert und krabbelte, bewaffnet mit der ne­ben der Kajütentür angebrachten Taschenlampe, unter die Bank. Sie konnte ihn nicht entdecken, denn es handelte sich um einen kleinen Kippschalter, der geschickt hinter der Abschlussleiste der Längsbank angebracht war. Schließlich gelang es ihr, ihn zu er­tasten. Sie nahm ihn zwischen Daumen und Zeigefinger, lehnte sich nach hinten

und schaute auf die Bootswand über dem Bullauge. Als sie den Schalter betätigte, be­wegte sich ein Teil der Paneele und schob sich nach links hinter die Holzverkleidung. Sie stand auf und schaute in das knapp fünfzehn Zentimeter tiefe Versteck.

An jenem Abend hatte dort auf dem Boden nur ein kleines Leder-Etui gelegen, wie man es üblicherweise zur Aufbewahrung von Schmuck benutzt. Jetzt war fast das ganze Ver­steck ausgefüllt mit einem blauen etwa fünf Zentimeter dicken DIN-A4-Leitz-Ordner, der mit dem Rücken auf dem Etui stand.

Fast ein wenig ergriffen nahm Verena ihn aus der Vertiefung und presste ihn an ihre Brust. So verweilte sie ein paar Sekunden. War sie am Ziel? Hatte sie den Schlüssel zur Wahrheit in der Hand?

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