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ОглавлениеDie spontane provisorische Brücke
Problem: Sofortversorgung einer Extraktionslücke
Es gibt gute Gründe, eine Extraktionslücke sofort zu versorgen:
Erhaltung der Knochen- und der Weichteilstrukturen, insbesondere der Papillen;
Ausformung des zukünftigen Implantatlagers oder eines Brückengliedes;
Erfüllung der ästhetischen Ansprüche des Patienten durch sofortigen Lückenschluss.
Bei akuter Notwendigkeit der Extraktion eines Zahnes kann weder eine genaue Vorbereitung erfolgen noch eine provisorische Brücke im Labor angefertigt werden, wenn der Patient weiter gesellschaftsfähig bleiben möchte und eine schnelle Lösung wünscht (Abb. 1 und 2). Welche Möglichkeiten hat der Behandler, die Extraktionslücke seines Patienten sofort zu versorgen?
Abb. 1 Vor der Extraktion
Abb. 2 Die Extraktionslücke
Die erprobte Lösung: Spontan angefertigte provisorische Brücke unter Einbeziehung des extrahierten Zahnes
Die spontane Anfertigung einer provisorischen Brücke unter Einbeziehung des extrahierten Zahnes ist immer dann möglich, wenn der Zahn im Kronenbereich bei der Extraktion unbeschadet bleibt. Als Alternative käme die direkte Herstellung eines Brückengliedes mit Hilfe von Komposit und einer vorgefertigten Hülsenkrone in Frage (Abb. 3a und b).
Abb. 3a und b Pontic mit eigenem Zahn (a) und mit Stripkrone (b)
Bei der spontanen Anfertigung und adhäsiven Befestigung einer provisorischen Brücke ist möglichst planvoll vorzugehen – all unsere zahnärztlichen Behandlungen sollten mit einer „Zeichnung im Kopf“ durchgeführt werden! Die Herstellung und Eingliederung einer solchen Brücke wird im Folgenden anhand eines Patientenfalles Schritt für Schritt demonstriert.
Fallbeispiel
Es ist Freitag am späten Nachmittag, das Wochenende steht kurz bevor, da kommt eine Patientin mit akuten Aufbissbeschwerden an Zahn 42 in die Praxis. Pus tritt aus, und der Zahn ist leicht gelockert und protrudiert. Ein sofort angefertigtes Röntgenbild stellt einen fortgeschrittenen Höhenund Seitenabbau des Parodontiums dar – der Zahn ist nicht mehr zu erhalten. Als mit der Patientin die Notwendigkeit einer Extraktion besprochen wird, sagt sie sofort: „Aber was geschieht dann mit Zahnlücke? Ich habe am Wochenende eine Familienfeier und kann nicht mit einer Zahnlücke auftreten!“ (Abb. 4 bis 6).
Abb. 4 Unterkieferfrontzähne der Schmerzpatientin
Abb. 5 Der Problemzahn 42
Abb. 6 Röntgenbild des Zahnes 42
Normalerweise stellt eine geplante und ggf. laborgefertigte provisorische Versorgung stets das Optimum dar, aber dies ist unter den gegebenen Umständen nicht durchführbar. Der Patientin wird die Möglichkeit der Versorgung mit einer spontan angefertigten provisorischen Klebebrücke unter Einbeziehung des eigenen Zahnes erklärt. Sie ist mit dem geplanten Vorgehen und den entstehenden Kosten einverstanden. Wir legen los:
Zunächst erfolgt eine Leitungsanästhesie im rechten Unterkiefer.
Der gelockerte Zahn 42 wird in der Stellung retrudiert und dann mit Hilfe von fließfähigem Komposit mit den Nachbarzähnen fixiert (Abb. 7).Abb. 7 Fixierung des Zahnes mit Hilfe von fließfähigem Komposit
Putty-Silikon wird für einen Repositionsschlüssel angemischt und appliziert. Nach der Aushärtung wird der Schlüssel entfernt und kontrolliert (Abb. 8a und b sowie 9a bis c).Abb. 8a und b Dosierung (a) und Anmischen (b) des SilikonsAbb. 9a Vorwall aus SilikonAbb. 9b Lingualansicht des SilikonvorwallsAbb. 9c Vorwall abgenommen
Die Extraktion erfolgt so schonend wie möglich, um Knochen und Weichteile optimal zu erhalten. Dazu wird der Zahn mit einem Luxator extrahiert. Luxatoren sind eine Kombination aus vertikalem Hebel und Periotom. Die Extraktion geschieht mit geringem Kraftaufwand unter Hebelanwendung und nicht mit Zange und Bizeps! (vgl. Dentale Trickkiste „Brückenpfeiler gehen verloren – was tun?“ in „Quintessenz“ 12/2003 oder im Buch „Die dentale Trickkiste“, S. 29 ff.) (Abb. 10a bis d).Abb. 10a bis d Zirkuläre Umstechung (a bis c) sowie Luxation und Extraktion (d)
Die Alveole wird auskürettiert und das Granulationsgewebe entfernt. Ein blutstillender resorbierbarer Tampon wird eingebracht (Abb. 11).Abb. 11 Entfernung des Granulationsgewebes
Bei der Inspektion des extrahierten Zahnes 42 zeigt sich ein deutlicher Höhenabbau. Die Diagnose ist bestätigt: Der Zahn war nicht zu erhalten (Abb. 12).Abb. 12 Der extrahierte Zahn 42
Der extrahierte Zahn wird in den Repositionierungsschlüssel aus Silikon einprobiert (Abb. 13).Abb. 13 Einpassung in den Silikonschlüssel
Der Zahn wird gekürzt. Die Wurzel soll ca. 4 mm stehen bleiben (Abb. 14).Abb. 14 Kürzung der Wurzel
Zervikal wird eine Kavität präpariert und ein retrograder ponticförmiger abgerundeter Verschluss adhäsiv hergestellt (Abb. 15a bis c).Abb. 15a Retrograde KavitätAbb. 15b Legen der retrograden FüllungAbb. 15c Retrograde Füllung
In die Rückfläche des Zahnes 42 wird eine horizontale ausgeprägte Rille einpräpariert (Abb. 16). Anmerkung: Es wäre noch eleganter gewesen, diese Rille vor der Extraktion in situ einzuschleifen.Abb. 16 Die horizontale Rille
Kofferdam wird adaptiert und mit Wedjets fixiert.
Die Rückflächen der Nachbarzähne werden mit einbezogen, und die eingeschliffene Rille am extrahierten Zahn wird geätzt. Anschließend wird die Rille mit Dentaladhäsiv eingepinselt und lichtgehärtet (Abb. 17a und b).Abb. 17a Kofferdam wird platziert, und die Rückflächen werden angeätztAbb. 17b Ätzung des Zahnes 42
Mit einer kalibrierten Messsonde wird die Länge des benötigten Glasfaserstranges abgemessen (Abb. 18).Abb. 18 Abmessung der Faserbündellänge
Die direkte Schienungstechnik wurde im Buch „ Die dentale Trickkiste“ ausführlich beschrieben. Zur direkten Anwendung der Glasfasertechnik sei hier das System everStick der Firma Stick Tech empfohlen. In den Abbildungen 19a bis e wird dieses System in einer kurzen Bildfolge vorgestellt.
Abb. 19a Entnahme der Fasern aus der Silikonverpackung
Abb. 19b Aufbau der Glasfasern
Abb. 19c Lufteinschlüsse zur Erhöhung der Flexibilität
Abb. 19d REM-Aufnahme der beschichteten Glasfasern
Abb. 19e Das everStick Starter Kit
Abb. 19a bis e Vorstellung des Glasfasersystems everStick
Die abgemessene Faserstranglänge wird auf die Verpackung der Fasern everStick Perio übertragen. Es können auch die dickeren Faserbündel everStick C&B angewandt werden, doch m. E. sind für den Schienungszweck die Perio-Faserbündel mehr als ausreichend (Abb. 20 und 21).Abb. 20 Die Perio-FasernAbb. 21 Übertragung der gemessenen Länge
Die in das Verpackungssilikon eingebetteten Fasern werden auf Länge durchgeschnitten (Abb. 22).Abb. 22 Abschneiden mit der Schere
Das Verpackungssilikon wird durchgebogen. Das nun greifbare Glasfaserbündel wird mit der Pinzette entnommen und unter einer lichtgeschützten Platte aufbewahrt (Abb. 23).Abb. 23 Entnahme des Faserbündels
Der Silikonschlüssel wird beschnitten und mit dem Pontic in situ eingebracht (Abb. 24a und b sowie 25).Abb. 24a Beschneiden des SilikonschlüsselsAbb. 24b Der beschnittene SilikonschlüsselAbb. 25 Einprobe des Silikonschlüssels mit dem Ponticzahn
Eine erste Schicht von fließfähigem Komposit wird aufgespritzt und in die approximalen Kontaktpunktbereiche eingepinselt.
Die Glasfasern werden sorgfältig auf die Nachbarzähne sowie in die Rille des Pontics adaptiert und flach gestrichen (Abb. 26a und b). Es erfolgt eine erste Lichthärtung.Abb. 26a Aufbringen und Flachdrücken des FaserbündelsAbb. 26b Adaptation und Abdeckung
Der Faserbereich wird anschließend mit einer zweiten Schicht des fließfähigen Komposits abgedeckt. Nach Entfernung der Überschüsse mit einem Pinsel wird der ganze Bereich ausgeformt und lichtgehärtet.
Die Ausarbeitung erfolgt wie gewohnt mittels Feinkorndiamantflamme und die Politur mit Gummipolierern sowie Occlubrushes.
Die Okklusion wird adjustiert und das Brückenglied außer Okklusion gestellt.
Am Ende der Behandlung kontrolliert die Patientin das Ergebnis im Handspiegel und ist sehr erleichtert – die Familienfeier kann unbelastet stattfinden (Abb. 27 bis 29).
Abb. 27a und b Die fertige provisorische Brücke von lingual (a) und von labial (b)
Abb. 28 Die Patientin begutachtet das Ergebnis
Abb. 29a und b Provisorischen Brücke bei der Kontrolle nach 2 Wochen von lingual (a) und von labial (b)
Danksagung
Mein Dank gilt heute dem so tragisch verstorbenen Freund Gerd Loser, der mit mir dental durch dick und dünn gegangen ist. Er hat mich bei der Glasfasertechnik stets mit Rat und Tat unterstützt.
Materialliste
1 Luxatoren (Fa. Optima Dental, Kümmersbruck/ Oberpfalz; E-Mail: optimal-dental@web.de).
2 Silikon Coltoflax (Fa. Coltène/Whaledent, Langenau; www.coltenewhaledent.biz).
3 Kofferdam und Wedjets (Fa. Hygenic, Akron, USA; www.hygenic.com).
4 Glasfasersystem everStick (Fa. Stick Tech, Turku, Finnland; www.sticktech.com. Vertrieb in Deutschland: Fa. Gerd Loser, Leverkusen).
5 Fließfähiges Komposit Tetric Flow (Fa. Ivoclar Vivadent, Ellwangen; www.ivoclarvivadent.de).
6 Rely X Unicem (Fa. 3M Espe, Seefeld; www.3mespe.com/de).
7 Polierer Occlubrush (Fa. KerrHawe, Bioggio, Schweiz; www.kerrhawe.com).