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Der direkte Notaufbau

Problem: Frakturierte Teleskopkrone

Ein 83-jähriger Patient kam mit folgendem Problem in die Praxis: Der Zahn 33, versorgt mit einer Teleskopkrone zur Lagerung einer 15 Jahre alten Teleskopprothese auf den Zähnen 43 und 33, war auf Gingivaniveau abgebrochen (Abb. 1 bis 4). Der Patient konnte nicht mehr richtig kauen und hatte Angst, dass der zweite Pfeiler auch noch abbricht und seine Unterkieferprothese dann gar keinen Halt mehr hat.

Abb. 1 Teleskopierende Prothese im Unterkiefer


Abb. 2 Der Pfeilerzahn 33 ist abgebrochen


Abb. 3 Die tiefe Fraktur bei Zahn 33

Abb. 4 Die Teleskopprothese (Basisansicht)

In dieser Situation galt es Folgendes zu bedenken:

 Der Patient befand sich in einem fortgeschrittenen Lebensalter.

 Wenn der Zahn 33 nicht als teleskopierender Stützpfeiler wiederhergestellt werden würde, käme es sehr wahrscheinlich zur Fraktur der zweiten Teleskopkrone bei Zahn 43, da die Statik der Lagerung nicht mehr gegeben war. Dies würde zur Kippung der Prothese um den Zahn 43 und damit zum Bruch und Verlust des zweiten Pfeilerzahnes führen (Abb. 5).Abb. 5 Die Pfeilerverteilung (Teleskope auf 43 und 33)

 Der Zahn war tief frakturiert und durfte nach den Regeln der evidenzbasierten Zahnheilkunde nicht mehr mit einem Wurzelstiftaufbau versorgt werden (Abb. 6a und b).Abb. 6a Röntgenbild nach Bruch (Messaufnahme)Abb. 6b Röntgenbild nach endodontischer Behandlung

 Eine kieferorthopädische Extrusion kam nicht in Betracht, weil der Zahn ankylosiert war (Periotest-Wert: -4) und darüber hinaus kaum eine Verankerungsmöglichkeit für ein extrusives Element bestand.

 Eine Extraktion mit nachfolgender Implantation zur Wiederherstellung der Prothesenstatik kam für den Patienten aufgrund des reduzierten Allgemeinzustandes in seinem hohen Lebensalter nicht in Frage.

Was würden Sie tun, wenn Ihr Vater oder Großvater in einer solchen Situation wäre?

Die erprobte Lösung: Versorgung mit einem direkten Notaufbau

Evidenzbasierte Zahnheilkunde hin oder her – hier musste geholfen werden. Das Ziel bestand darin, alles zu tun, um zumindest mittelfristig die Kaufähigkeit des Patienten mit seiner bestehenden Teleskopprothese wiederherzustellen.

Der Zahn 33 wurde mit einer Wurzelkanalfüllung lege artis versorgt. Anschließend wurde einige Tage abgewartet, bis der Erfolg der Maßnahme beurteilt werden konnte. Danach sollte der Wurzelstumpf direkt aufgebaut und das Innenteleskop wiederbefestigt werden (Abb. 6a und b). Dabei waren folgende Möglichkeiten abzuwägen:

 Ein direkt modellierter und im Labor indirekt hergestellter gegossener Stiftaufbau wäre im Verhältnis zur Wahrscheinlichkeit eines dauerhaften Erfolges zu aufwändig gewesen. Ein Ferrule-Effekt durch Zahnhartsubstanz war nicht mehr gegeben (Abb. 7).Abb. 7 Alternative: gegossener Aufbau

 Ein direkter adhäsiver Schraubenaufbau mit einem Glasfaser- oder Zirkonstift wäre möglich gewesen, versprach aber wegen der fehlenden vertikalen Zahnsubstanz zu wenig Retention (Abb. 8 und 9).Abb. 8 Alternative: adhäsiver Aufbau mit GlasfaserstiftAbb. 9 Alternative: adhäsiver Aufbau mit Zirkonstift

 Ein konventioneller Schraubenaufbau mit Spannung im Wurzelkanal führt sehr häufig nach einiger Zeit zur Längsfraktur der Wurzel (Abb. 10).Abb. 10 Alternative: adhäsiver Aufbau mit Metallschraube

 Ein spannungsfrei adhäsiv befestigter konfektionierter Schraubenaufbau ist nach meiner Erfahrung die beste Möglichkeit, einen Erfolg über einen längeren Zeitraum zu erzielen.

Unserem Patienten sollte geholfen und die Kaufunktion seiner teleskopierenden Prothese wiederhergestellt werden. Das Vorgehen wird im Folgenden Schritt für Schritt dargestellt.

 Die Karies wurde entfernt und eine Wurzelkanalbehandlung lege artis durchgeführt (Abb. 11 bis 13).Abb. 11 Abgebrochener Kronenstumpf 33Abb. 12 Entfernung der KariesAbb. 13 Zustand nach endodontischer Behandlung

 Die Wurzelkanalfüllung aus Guttapercha wurde im oberen Teil mit einer heißen stumpfen Sonde erweicht und herausgelöst. Mit genormten maschinellen Kanalbohrern wurde der Wurzelkanal zur Aufnahme des Schraubenaufbaus vorsichtig erweitert (Abb. 14 und 15).Abb. 14a Eine stumpfe Sonde wird mit der Flamme erhitztAbb. 14b Ausschmelzen des Guttaperchastiftes im oberen DrittelAbb. 15 Erweiterung des Kanals mit dem Normbohrer

 Als System kam das Vlock-Schraubensystem (Größe blau) zum Einsatz (Abb. 16a und b).Abb. 16a und b Vlock-Anker und Schraube einzeln (a) sowie zusammengesteckt (b)

 Mit einem passenden Handschraubenzieher wurde der Aufbau eingeschraubt und wieder ausgedreht, bis die Schraube spannungsfrei in den Kanal einschraubbar war.

 Das Schraubenteil wurde gestrahlt, geätzt, mit Metallprimer eingepinselt und sorgfältig getrocknet.

 Der Wurzelkanal wurde gereinigt, 30 Sekunden mit Phosphorsäuregel geätzt, gespült und ausgeblasen (Abb. 17).Abb. 17 Ätzung des Dentins mit Phosphorsäuregel

 Ein Adhäsiv wurde in „Wet-Technik“ in den Kanal gepinselt. Nach Aufsaugung der Überschüsse mit Papierspitzen erfolgte eine Lichthärtung mit einer sehr starken LED-Lichthärtungslampe für 10 Sekunden (Abb. 18).Abb. 18 Einpinseln des Dentinadhäsivs

 Mit einem Wurzelfüller wurde das maschinell angemischte dualhärtende Befestigungskomposit in den Kanal eingebracht, der Aufbau spannungsfrei eingedreht und der Überschuss mit dem Pinsel entfernt. Anschließend erfolgte wieder eine Lichthärtung, wobei jetzt aber 5 Minuten lang die Selbsthärtung des Befestigungskomposits abgewartet wurde (Abb. 19a und b).Abb. 19a Das Befestigungskomposit ist appliziert, und der Schraubenaufbau wird eingedrehtAbb. 19b Aufbau nach dem spannungsfreien Eindrehen

 Inzwischen wurde das abgebrochene Dentinteil aus der Innenteleskopkrone entfernt und die Krone ausgestrahlt, gereinigt, mit Metallprimer eingepinselt und getrocknet (Abb. 20).Abb. 20 Die gereinigte Innenkrone

 Zum Wiedereinsetzen wurde die Innenkrone in die mit Vaselineöl isolierte Außenkrone eingesteckt. Dabei war darauf zu achten, dass keine Isolierung in das Innenteleskop gelangte (Abb. 21a bis c).Abb. 21a Einstecken des Innenteleskops in das Außenteleskop der ProtheseAbb. 21b Das fest eingesteckte InnenteleskopAbb. 21c Einpinseln des Innenteleskops mit Metallprimer

 Erneut wurde eine Kapsel Befestigungskomposit maschinell angemischt, die Krone damit ausgepinselt, der gerippte Aufbau sorgfältig ausgekleidet und ein Überschuss aufgebracht (Abb. 22).Abb. 22 Aufspritzen des Befestigungskomposits

 Die Teleskopprothese wurde mit dem Innenteleskop genau platziert und auf exakten Sitz kontrolliert.

 Die Überschüsse wurden mit dem Pinsel reduziert (Abb. 23).Abb. 23 Einsetzen der Prothese – die Überschüsse wurden mit dem Pinsel entfernt

 Der Patient biss zu und hielt die Prothese in Schlussbisslage mit Druck während der Aushärtungszeit von 5 Minuten fixiert.

 Anschließend wurde die Prothese mit einem Ruck abgenommen. Die Überschüsse des Befestigungskomposits an Innen- und Außenkrone wurden entfernt (Abb. 24).Abb. 24 Das eingegliederte Innenteleskop

 Zum Abschluss der Behandlung erfolgte eine Kontrolle der wiederhergestellten Funktion der teleskopierenden Unterkieferprothese, insbesondere der Prothesenbasis. Bei Bedarf sollte eine rechtzeitige Unterfütterung durchgeführt werden (Abb. 25 und 26).Abb. 25 Überprüfung der PassungAbb. 26 Der Patient ist erleichtert

Fazit

Beim Aufbau des tief zerstörten Kronenstumpfes wurden sowohl die mechanisch-retentive auch die adhäsive Befestigungsmethode verwendet, um eine mittelfristige Instandsetzung des bestehenden Zahnersatzes zu gewährleisten.

Materialliste

1 Wurzelkanalfüllung: Guttaperchastift mit Apexit als Sealer (Fa. Ivoclar Vivadent, Ellwangen; www.ivoclarvivadent.de) nach Wurzelkanalaufbereitung mit dem FlexMaster-System (Fa. VDW, München; www.vdw-dental.com).

2 Direktes Schraubenaufbausystem: Vlock-Anker (Komet, Fa. Brasseler, Lemgo; www.brasseler.de).

3 Befestigungskomposit: Rely X Unicem (Fa. 3M Espe, Seefeld; www.3mespe.com/de).

4 Dentinadhäsiv: Adhese (Fa. Ivoclar Vivadent).

5 LED-Lichthärtungslampe: Blue Phase 16i (Fa. Ivoclar Vivadent).

6 Metallprimer: Metal Zirconia Primer (Fa. Ivoclar Vivadent).

Die dentale Trickkiste

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