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Veneerversorgung von Kronen

Problem: Änderung der Zahnfarbe bei problematischen Frontzahnkronen

Bei einer liebenswerten, charmanten Patientin waren die Zähne 12, 11, 21 und 22 mit keramikverblendeten Zirkonoxidkeramikkronen versorgt worden. Nach einer geraumen Zeit störte sie sich immer mehr am Aussehen der Zähne: Diese seien plötzlich zu grau, hätten Zwischenräume, der Ehemann rede gar von „Raucherzähnen“ – kurzum, sie steigerte sich zunehmend in die ihrer Meinung nach mangelhafte Ästhetik der Versorgung hinein (Abb. 1 und 2).

Abb. 1 Frontalansicht der Patientin

Abb. 2 Lippenbild

Jeder erfahrene Zahnarzt weiß, dass hier nur eine Lösung möglich ist: Die Kronen müssen herunter und neu hergestellt werden. Aussagen wie „Farbe und Form beißen sich ein“ oder „Sie hatten sich doch schon daran gewöhnt“ waren in früherer Zeit kein Trost für die Betroffenen, und heutzutage sollte man ganz auf solche Formulierungen verzichten. Ich besänftigte die Patientin und versprach ihr, Abhilfe zu schaffen.

Einige Tage später kam die Patientin zu einem vereinbarten Besprechungstermin, bei dem wir gezielt auf Ruhe in der Praxis und im Sprechstundenablauf achteten. Während des Gesprächs über die Erneuerung der Frontzahnkronen sagte die Patientin, sie habe den Stress der Präparation, der Abformung, der Eingliederung und vor allem der vielen Injektionen noch zu deutlich in schlimmer Erinnerung. Deshalb wollte sie wissen, ob es nicht eine andere, weniger belastende Methode gebe, die Kronen in Form und Farbe zu ändern.

Auch ich machte mir Sorgen, und zwar um die beschliffenen Stümpfe unter den Kronen. Mit viel Mühe und hohem Risiko hatte ich die unvollständigen Wurzelkanalfüllungen der sehr tief frakturierten Zähne revidiert und mit Glasfaserstiften direkt adhäsiv aufgebaut (Abb. 3 und 4). Ein so genannter Fassreifen- oder Ferrule-Effekt durch zirkuläres Dentin im Kronenrandbereich war kaum mehr zu erzielen, denn es standen vertikal nur noch einzelne Dentinwände, die zur adhäsiven Befestigung der Aufbauten dienten. Es handelte sich also um einen Grenzfall, der jedoch funktionierte. Wenn ich aber die adhäsiv zementierten Zirkonoxidkeramikkronen für einen Erneuerung auftrennen und abnehmen würde, bestand meines Erachtens die große Gefahr, dass die Stiftaufbauten ausbrechen und die Zahnsubstanz dann nicht mehr ausreichen würde, um sie erneut mit Aufbauten zu versorgen (Abb. 5). Wie sollte ich vorgehen, um das Risiko beim Abnehmen der Kronen zu minimieren und darüber hinaus die Patientin so wenig wie möglich traumatisch zu belasten?

Abb. 3 Mundsituation

Abb. 4 Röntgenaufnahme der Oberkieferfrontzähne nach der endodontischen Revision mit neuen direkten Aufbauten

Abb. 5 Die Oberkieferfront vor der Präparation

Die erprobte Lösung: Veneers auf Kronen

Nach einiger Zeit der Überlegung entstand die Idee, die vorhandenen vollkeramischen Kronen nur labial approximal als Verblendschalen (Veneers) zu beschleifen und die neu hergestellten Teile adhäsiv auf der Keramik zu befestigen.

Die Zähne wurden für die Neuversorgung beschliffen, als ob sie natürliche Zähne wären. Somit konnte jeder Abnahmestress ausgeschaltet werden (Abb. 6a und b). Ich achtete streng darauf, mit der Präparation im silikatischen Verblendungsanteil der Zirkonoxidkeramikkronen zu bleiben, um eine gesicherte adhäsive Befestigung der neuen Verblendschalen zu gewährleisten. Vor der Abformung wurden zur Retraktion der Gingiva Fäden gelegt (Abb. 7a und b). Die Abformung erfolgt mit Polyether im individuellen Löffel (Abb. 8a und b).

Abb. 6a Festlegung der Präparationstiefe mit Diamantkugel

Abb. 6b Abtragung der Schmelzschicht innerhalb der Aufbrennkeramik

Abb. 7a Retraktionsfäden werden gelegt

Abb. 7b Zähne 12, 11, 21 und 22 bereit zur Abformung

Abb. 8a Abformung mit Polyether im individuellen Löffel

Abb. 8b Abformung in der Vergrößerung

Für die Schichtüberprüfung der Verblendschalen wurden Ästhetikstümpfe aus Empress-Stumpfmaterial (Die) hergestellt. Dazu wurde die Stumpffarbe individuell bestimmt (Abb. 9). Die Herstellung des Meistermodells im zahntechnischen Labor erfolgte mit dem Superhartgips Moldasynt (Abb. 10a und b). Nach den Änderungswünschen der Patientin stellte der Zahntechniker die Verblendschalen aus Presskeramik in Schichttechnik her (Abb. 11a bis c). Die Verblendschalen wurden auf dem ungesägten Meistermodell zur Einprobe angeliefert.

Abb. 9 Auswahl der Stumpffarbe für die Herstellung der Ästhetikstümpfe (Empress-Stumpfmaterial Die)

Abb. 10a und b Das Meistermodell in der Labial- (a) und Inzisalansicht (b)


Abb. 11a bis c Die neuen Verblendschalen in der Labial- (a) und Inzisalansicht (b) sowie bereit zur Einprobe (c)

Die Einprobe und die Individualisierung erfolgten in Anwesenheit des Ehemannes der Patientin, damit dieser sein Urteil abgeben konnte (Abb. 12). Nachdem sowohl die Patientin als auch ihr Ehemann im Anschluss an kleinere Korrekturen einverstanden waren, wurde die adhäsive Eingliederung durchgeführt. Sie erfolgte analog dem Vorgehen bei der Eingliederung keramischer Inlays (vgl. Kapitel „Die rationelle adhäsive Eingliederung keramischer Inlays“ im Buch „Die dentale Trickkiste“, S. 57 ff.).

Abb. 12 Einprobe mit Try-in-Paste im Mund

Zur Trockenlegung wurde Kofferdam angelegt. Um Klammern im Bereich der Stümpfe zu vermeiden, wurde der Kofferdam im Stumpfbereich aufgeschnitten (Abb. 13a und b). Die alten Kronen wurden im Bereich der Präparation für 1 Minute mit dem Flusssäuregel Porcelain Etch angeätzt, das anschließend mit einer chirurgischen Kanüle abgesaugt wurde, um ein Umherspritzen zu vermeiden. Nach einer sorgfältigen Spülung erfolgten die Silanisierung der Oberflächen für 1 Minute und das Abblasen in eine Watterolle (Abb. 14a bis d).

Abb. 13a Applikation des Kofferdams

Abb. 13b Trockengelegte Pfeilerzähne

Abb. 14a Anätzen mit dem Flusssäuregel Porcelain Etch


Abb. 14b Chirurgischer Sauger zum gezielten Absaugen des Flusssäuregels


Abb. 14c Silanisierung

Abb. 14d Abblasen in eine Watterolle

Zur Trockenhaltung wurden speziell aufgeschlitzte Stücke aus gepresstem Zellstoff appliziert. Diese können das 10-Fache ihres Eigenvolumens an Flüssigkeit aufnehmen und sorgen für absolute Trockenheit (Abb. 15a bis c). Parallel dazu wurden die Verblendschalen 1 Minute mit Flusssäure angeätzt, abgespült und silanisiert. Die Silanschicht wurde mit einem kleinen Warmluftfön getrocknet (Abb. 16a bis d).


Abb. 15a bis c Trockenhaltung: Sugis (a), Sugis mit Schere geschlitzt (b) und Sugis in situ (c)

Abb. 16a Ätzung mit Flusssäure für 1 Minute


Abb. 16b Flusssäuregel in der Applikationsspritze


Abb. 16c Silanisierung

Abb. 16d Abtrocknung mit Warmluftfön

Während der adhäsiven Eingliederung wurden die Verblendschalen nach Einfüllen eines mittelviskösen dualhärtenden Eingliederungskomposits mit Hilfe eines speziell modifizierten Instrumentes (ein in der Kontur aufgeschliffener Pinselgriff) an die konditionierten Kronenstümpfe adaptiert, wobei ein leicht rotierender Andruck ausgeübt wurde (Abb. 17a bis d). Im Anschluss an eine erste punktuelle Lichthärtung mit Lochblende erfolgte die Endhärtung mit zwei gegeneinander positionierten Aushärtungslampen (Abb. 18a und b).

Abb. 17a Eingliederung: Anmischung des Befestigungskomposits


Abb. 17b und c Nach Einsetzen Andrücken mit Spezialinstrument

Abb. 17d Spezialinstrument – ein modifizierter Pinselgriff

Abb. 18a Lochblende

Abb. 18b Endhärtung mit zwei LED-Polymerisationslampen

Nach Entfernung der Überschüsse und der Endkontrolle strahlte die Patientin und war mit dem Endergebnis zufrieden. Auch der Ehemann zeigte sein Wohlwollen, und wir hatten wieder etwas dazugelernt (Abb. 19a bis c und 20).


Abb. 19a bis c Endkontrolle nach Abnahme des Kofferdams

Abb. 20 Frontalansicht der hoffentlich langfristig zufriedenen Patientin

Es wäre wünschenswert, dass dieses Vorgehen und vor allem der adhäsive Verbund von wissenschaftlicher Seite untersucht werden, damit eine solche Behandlung bei Bedarf mit gutem Gewissen und der Aussicht auf einen Langzeiterfolg durchgeführt werden kann.

Materialliste

1 Keramikinlays aus Empress-Presskeramik (Fa. Ivoclar Vivadent, Ellwangen; www.ivoclarvivadent.de). Es gibt eine Vielzahl von anderen Herstellern hochwertiger Keramikinlaymaterialien. Bei frei gebrannten Feldspatkeramikinlays sollte jedoch sehr viel vorsichtiger vorgegangen werden.

2 Adhäsives Befestigungssystem, bestehend aus Dentinadhäsiv Syntac Classic, Befestigungskomposit Variolink Ultra, Liquid Strip Gel zum Sauerstoffausschluss und Fluor Protector zur Fluoridierung (Fa. Ivoclar Vivadent). Es gibt auch gute Systeme anderer Firmen, jedoch sollte stets ein chemisch in sich abgestimmtes System verwendet werden.

3 Ätzen und Silanisieren:Schmelz und Dentin: selbstätzender Primer AdheSE (Fa. Ivoclar Vivadent),Keramik: Porcelain Etch (Fa. Ultradent Products/UP Dental, Köln; www.updental.de),Silanisieren: Silane (Fa. Ultradent Products/UP Dental),Retraktionsfäden: Ultrapak (Fa. Ultradent Products/UP Dental).

4 Provisorien:Schnelltiefziehsystem Perfect-Blast Kit (Fa. Hager & Werken, Duisburg; www.hagerwerken.de),Komposit: Luxatemp Solar (Fa. DMG, Hamburg; www.dmg-dental.com),provisorische Befestigung mit fließfähigem Komposit Tetric Flow ohne Ätzen (Fa. Ivoclar Vivadent).

5 Präparationsset: Diamantkugel, Torpedo Normal- und Feinkorn (Fa. Brasseler, Lemgo; www.brasseler.de).

6 Superhartgips Moldasynt (Fa. Heraeus Kulzer, Hanau; www.heraeus-kulzer.de).

7 Lupenbrille 6-fach Heine (Fa. Lercher, Emmingen-Liptingen).

8 Klebestick Vivastick (Fa. Ivoclar Vivadent).

9 Spotprobe bei Keramikrestaurationen: Xantopren blau (Fa. Heraeus Kulzer).

10 Try-in-Paste (Fa. Ivoclar Vivadent).

11 Kofferdam:Kofferdamgummi reißfest: Keydent (Fa. American Dental Systems, Vaterstetten; www.adsystems.de),Kofferdamklammern (Fa. Dentsply Ash, Weybridge, Großbritannien; www.ash-instruments.co.uk),Wedjets (Fa. Hygenic, Akron, USA; www.hygenic.com),Kofferdamstempel (Fa. Hygenic).

12 Trockenhaltung: Sugis (Fa. Kettenbach, Eschenburg; www.kettenbach.de).

13 Lochblende aus dunkler Folie ausgeschnitten und mit dem Aktenlocher gelocht.

14 Aushärtungslampe: Bluephase 16i (Fa. Ivoclar Vivadent).

15 Glide Floss (Fa. W. L. Gore & Associates, Putzbrunn; www.gore.com) und Oral-B Super Floss (Fa. Procter & Gamble, Schwalbach; www.oralb.com/de).

Die dentale Trickkiste

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