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ОглавлениеDie verklemmte Teleskopprothese
Problem: Eine Teleskopprothese ist verklemmt und kann nicht mehr abgenommen werden
Eine Patientin kam ganz verzweifelt in die Praxis, weil sie ihre Teleskopprothese im Unterkiefer seit 4 Tagen nicht mehr entfernen konnte. Sie hätte alles ausprobiert (Abb. 1 und 2).
Abb. 1 Die verzweifelte Patientin
Abb. 2 Die verklemmte Teleskopprothese im Unterkiefer
Die Prothese war teleskopierend auf vier Implantaten in der Unterkieferfront gelagert (Regio 43, 42, 31 und 33). Wir versuchten es mit der Kraft der Hände, mit Hammer und Hirtenstab sowie mit der Zange und dem Coronaflex-Gerät (Abb. 3a bis c). Die Prothese ließ sich aber nicht abnehmen, und der Patientin schmerzte der Unterkiefer.
Abb. 3a bis c Versuch der Teleskopprothesenabnahme mit bloßen Händen (a), Hirtenstab und Hammer (b) sowie Zange und Coronaflex-Gerät (c)
Spontan fiel mir außer der Abnahme durch Auftrennen der gesamten Konstruktion nichts ein, und dies hätte zwangsläufig eine Neuanfertigung nach sich gezogen. Deshalb wurde mit der Patientin ein Termin am folgenden Tag vereinbart, verbunden mit der Hoffnung, dass bis dahin ein Weg zur Lösung des Problems gefunden werden könnte. Kaum war die Patientin jedoch aus der Praxis, fiel der Groschen, und ich ließ alle Röntgenbilder, Modelle und Aufzeichnungen zur Planung der Abnahme zusammentragen.
Die erprobte Lösung: Eröffnung der Schraubenkanäle und Abschrauben der Innenteleskope samt Abutments
Ein kurzes Nachdenken über das Problem führte zur Lösung: Es musste ein Zugang durch die Gesamtkonstruktion zu den Vertikalschrauben der Abutments auf den Implantaten geschliffen werden, damit die Overdenture-Prothese abgenommen werden konnte. Dieses exakte Auffinden der Schraubenschächte erforderte eine sorgfältige Planung und einen Ablaufplan. Ein ungenaues Aufschleifen hätte sicherlich die Reparaturfähigkeit der Teleskopprothese gefährdet (Abb. 4 und 5).
Abb. 4 Die Teleskopprothese (Okklusalansicht)
Abb. 5 Wo sitzen die Teleskope? Frontaler Abschnitt der Teleskopprothese
Auf dem Meistermodell aus dem Archiv wurde die Mitte angezeichnet sowie der Abstand zwischen den einzelnen Implantaten vermessen und auf dem Modell notiert (Abb. 6 a bis c). Diese Positionen wurden mit der Situation auf dem Orthopantomogramm verglichen (Abb. 7). Die Patientin erschien pünktlich zum vereinbarten Termin und war gespannt, wie wir das Problem lösen würden. Das geplante Vorgehen wurde ihr ausführlich erklärt, und sie war mit allem einverstanden – Hauptsache, es funktionierte!
Abb. 6a Festlegung der Mitte
Abb. 6b Abstandsmessung mit der Millimetersonde
Abb. 6c Abstandswerte auf dem Modell notiert
Abb. 7 OPG nach Implantation – Messung der Abstände mit dem OPG-Lineal
Im Mund wurden die ermittelten Implantatpositionen mit Faserschreiber nach Vermessung auf der Prothese markiert (Abb. 8). Mit einem überlangen Rosendiamanten wurden anschließend die Außenteleskope freigeschliffen (Abb. 9a bis c). Die Perforation der Außen- und Innenteleskopkronen erfolgte mit einem feinen scharfen Kronenauftrenner (Abb. 10a bis c).
Abb. 8 Markierung der Implantatpositionen auf der Teleskopprothese nach Vermessung
Abb. 9a Rosendiamant
Abb. 9b Freischleifen der Außenteleskope mit dem Rosendiamanten
Abb. 9c Die freigeschliffenen Außenteleskope
Abb. 10a Feiner Kronenauftrenner
Abb. 10b Perforation von Außenund Innenteleskopkrone mit dem Kronenauftrenner
Abb. 10c Die gelungene Perforation
Das den Schraubenschacht ausfüllende Komposit war nun sichtbar. Es wurde vorsichtig mit einem zylindrischen Diamantschleifer langsam in die Tiefe gehend bis zum Kopf der Schraube entfernt (Abb. 11). Direkt am Kopf der Schraube lag ein Wattepellet, welches sich praktischerweise in toto um den Diamantschleifer gewickelt hatte.
Abb. 11 Entfernung des Komposits aus dem Schraubenschacht mit einem Diamantschleifer
Die Kompositreste an der Innenwand des Schraubenschachtes wurden mit einem Piezoscaler sorgfältig entfernt (Abb. 12). Der Kopf der Schraube war im Schacht freigelegt (Abb. 13a und b).
Abb. 12 Entfernung der Kompositreste im Schraubenschacht mit einem Piezoscaler
Abb. 13a Schlitz- und Sechskantschraube
Abb. 13b Schlitz- und Sechskantschrauber
Abb. 13a und b Die Kombinationsschraube des XiVE-Systems
Bei dem Implantatsystem handelte es sich um das XiVE-System, das hinsichtlich der prothetischen Teile baugleich mit dem Frialit-2-System ist. Die Vertikalschrauben dieses Systems haben den Vorteil, dass sie nicht nur einen Innensechskant, sondern auch einen Schraubenschlitz aufweisen. Sollte also der Innensechskantschrauber nicht fassen, bleibt die Möglichkeit, die Schraube mit einem Schlitzschrauber herauszuschrauben. Es ist sehr viel leichter, die Schrauben mit einem gesicherten Handschrauber herauszuschrauben, da nur mit diesem eine Taktilität, ein Gefühl für das Einrasten des Schraubers gewährleistet ist.
Die Schraube ließ sich beim ersten Versuch herausschrauben (Abb. 14a bis c) und wurde in einer vorbereiteten kleinen Box mit Fächern abgelegt. Diese Box war vormals ein Container für Guttaperchaspitzen und eignet sich sehr gut zur Aufbewahrung von Kronen, Schrauben, Abutments u. Ä.
Abb. 14a Herausschrauben der Vertikalschraube
Abb. 14b Die entfernte Vertikalschraube
Abb. 14c Die entfernte Schraube auf dem gesicherten Handschrauber
Nach ca. 30 Minuten waren alle Schrauben erfolgreich entfernt (Abb. 15). Die verklemmte Teleskopprothese konnte nun abgehoben werden (Abb. 16 und 17). Dies alles geschah natürlich unter größter Anspannung, wovon die in Abbildung 18 zu sehende, zur Sichtbarmachung rosa eingefärbte „Adrenalinpfütze“ unter dem Behandlungsstuhl Zeugnis ablegt. Die Implantate waren intakt und wiesen nur Spuren einer leichten temporären Periimplantitis auf (Abb. 19). Bis die Teleskopprothese im zahntechnischen Labor wiederhergestellt war, wurden die Gingivaformer zum Schutz der Implantate wieder eingeschraubt.
Abb. 15 Die leeren Schraubenschächte
Abb. 16 Die Teleskopprothese kann abgenommen werden
Abb. 17 Abgenommene Teleskopprothese
Abb. 18 Die „Adrenalinpfütze“
Abb. 19 Die Implantate mit Spuren einer leichten Periimplantitis
Im Labor wurde die Prothese gereinigt und desinfiziert. Jetzt galt es, die Abutments mit den Innenteleskopen aus den Außenteleskopkronen zu entfernen. Dazu wurden zunächst die Implantatanaloge aufgeschraubt (Abb. 20). Mit einer Spitzflachzange konnten die Innenteleskopkronen losgerüttelt, herausgezogen und in der Box abgelegt werden (Abb. 21 bis 23). Sie wurden gereinigt, poliert und in das Implantatmeistermodell eingeschraubt (Abb. 24). Die Teleskopprothese wurde auf Passung überprüft und auf das Meistermodell aufgesetzt (Abb. 25). Dann erfolgte eine Versiegelung der Perforationen (Abb. 26) mit Wachs auf Durchtrittsniveau (Abb. 27).
Abb. 20 Das Laboranalog wird eingeschraubt
Abb. 21 Mit der Zange werden die Außenteleskope losgerüttelt und herausgezogen
Abb. 22 Alle Innenteleskopkronen sind aus der Prothese entfernt
Abb. 23 Markierte Aufbewahrbox – vormals ein Container für Guttaperchaspitzen
Abb. 24 Die Innenteleskopkronen sind in das Implantatmodell eingeschraubt
Abb. 25 Teleskopprothese auf dem Meistermodell
Abb. 26 Perforationen der Außenteleskopkronen
Abb. 27 Die Perforationen werden mit Wachs verschlossen
Die Perforationen im Prothesenkunststoff wurden mit rosafarbenem Kaltpolymerisat verschlossen (Abb. 28) und im Drucktopf auspolymerisiert. Nach Ausbrühen des Wachses wurden die Kunststoffüberschüsse in den Außenteleskopkronen entfernt und diese poliert (Abb. 29). Anschließend erfolgten die Aufpassung der Prothese auf das Meistermodell und deren Politur (Abb. 30). Die Gingivaformer im Mund wurden entfernt (Abb. 31) und die Innenteleskopkronenabutments mit 20 Ncm eingeschraubt (Abb. 32). Im Anschluss an eine Überprüfung der Teleskopprothese auf Passform wurden die Schraubenschächte wie folgt aufgefüllt:
Abb. 28 Die Perforationen werden mit Kaltpolymerisat verschlossen
Abb. 29 Die verschlossenen Außenteleskope
Abb. 30 Die aufgepasste und polierte Teleskopprothese
Abb. 31 Entfernen der Gingivaformer
Abb. 32 Einschrauben der Innenteleskope mit 20 Ncm
gründliche Reinigung und Trocknung;
Einbringen eines Pfropfens aus gelber Stangenguttapercha (Abb. 33);Abb. 33 Abdecken der Schraube im Schacht mit gelber Stangenguttapercha
sorgfältiges Stopfen (Abb. 34);Abb. 34 Sorgfältiges Stopfen
Aufpinseln eines Metallprimers auf die Schachtinnenwände und Trocknung nach einer Wartezeit von 1 Minute (Abb. 35);Abb. 35 Metallprimer aufpinseln, 1 Minute warten und trocknen
Einspritzen von fließfähigem Komposit, Glättung mit einem Pinsel, Auspolymerisation und Polymerisation (Abb. 36).Abb. 36 Fließfähiges Komposit einspritzen und aushärten
Abschließend wurde die Teleskopprothese eingegliedert, die Abnahme mit der Patientin geübt (Abb. 37 und 38) und mit ihr das Vorgehen, der Aufwand sowie der Erfolg besprochen. Dies war das Procedere bei der Entfernung einer verklemmten, nicht mehr abnehmbaren Teleskopprothese auf implantatgestützten Innenteleskopkronen. Bei Innenteleskopkronen auf natürlichen Zähnen könnte ich mir den Einsatz des Crown-Lift-Systems vorstellen (vgl. Dentale Trickkiste „Das Abnehmen von Kronen mit dem Crown-Lift-System“ in „Quintessenz“ 5/2001 oder im Buch „Die dentale Trickkiste“ S. 7ff.), aber ich warte ehrlich gesagt nicht unbedingt auf einen solchen Fall!
Abb. 37 Die Prothese ist erfolgreich eingegliedert
Abb. 38 Die Teleskopprothese hat genügend Retention und lässt sich problemlos entferne
Materialliste
1 Implantatsystem XiVE (Fa. Dentsply Friadent, Mannheim; www.friadent.de).
2 Coronaflex-System (Fa. KaVo, Biberach; www.kavo.com).
3 PA-Millimetersonde (Fa. Hu-Friedy, Leimen; www.hu-friedy.de).
4 OPG-Lineal (Fa. Bredent, Senden; www.bredent.com).
5 Rosendiamanten (erhältlich beim Autor).
6 Kronenauftrenner SS White (Fa. American Dental Systems, Vaterstetten; www.adsystems.de).
7 Piezogerät (beliebig, bei mehreren Herstellern erhältlich).
8 Metallprimer (Fa. GC, München; www.germany.gceurope.com).
9 Prothesenkunststoff Paladur rosa (Fa. Heraeus Kulzer, Hanau; www.heraeus-kulzer.de).
10 Stangenguttapercha gelb (Dentalhandel).
11 Fließfähiges Komposit Tetric Flow (Fa. Ivoclar Vivadent, Ellwangen; www.ivoclarvivadent.de).