Читать книгу Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten Deutschlands - Wolfram Letzner - Страница 12
ОглавлениеVon der Pleite zum Superfund! Unter diesem Motto könnte der Grabhügel von Seddin stehen, der im späten 19. Jh. aus wirtschaftlichen Gründen von den damaligen Eigentümern ausgebeutet werden sollte. In der Gegend gab es neben dem „Königsgrab“ zahlreiche andere Grabhügel, die durchweg im 19. Jh. abgetragen wurden, da man das Steinmaterial der Grabkammern (Findlinge) und anderes Geröllmaterial aus den Hügeln gut für den Straßenbau verwenden konnte.
[06] Seddin – ein Königsgrab?
Brandenburg • Berlin
Wer heute das „Königsgrab“ von Seddin, wie es in der Literatur immer noch genannt wird, besuchen will, muss sich zunächst an der Ortsangabe Groß Pankow, Ortsteil Wolfshagen, orientieren. Schon vor langer Zeit war Seddin dem Ort Wolfshagen zugeschlagen worden. Die Grabanlage findet sich etwa 2 km südwestlich des Ortskerns von Seddin und ist über die K 7017 zu erreichen, von der man rechts abbiegt.
Der Grabhügel und seine Funde
Ein Hügel, der einen Durchmesser von etwa 90 m und eine Höhe von 11 m aufwies und ein Volumen von rund 30.000 m³ – das entspricht etwa dem Fassungsvermögen von 100 Transportcontainern – besaß, zeichnete sich im 19. Jh. noch deutlich im Gelände ab. Im Jahr 1888 erweckte er das Interesse des Grundeigentümers, der, so heißt es, große wirtschaftliche Schwierigkeiten hatte. In der lokalen Überlieferung wurde der Hügel mit der Grablege eines Riesen in Verbindung gebracht, der in einem goldenen Sarg beigesetzt sei. Schatzsuche war also das Motiv und von einer wissenschaftlichen Ausgrabung konnte daher auch keine Rede sein. (Abb. 6)
Abb. 6 Seddin, Königsgrab. Zeichnerische Rekonstruktion (Schnitt durch den Grabhügel und Grundriss der Grabkammer).
Nachdem der Besitz seinen Eigentümer gewechselt hatte, sollte die wirtschaftliche Ausbeutung weitergehen, nun aber mit realistischen Plänen: Statt nach Gold zu suchen, ging es nun um die Gewinnung von Steinmaterial aus dem Hügel. Im Herbst 1899 stieß man bei der Steingewinnung in der Mitte des Hügels auf einen Steineinbau, bei dem es sich nur um eine Grabkammer handeln konnte. Diese Kammer, deren Höhe und Durchmesser später mit 2 m angegeben wurde, besteht in seinem Grundriss aus einem Neuneck aus aufrecht stehenden Steinblöcken; die Abdeckung ist ein falsches Gewölbe, d. h. Steinplatten wurden so übereinander gelegt, dass die jeweils folgende ein kleines Stück vorsprang. Die Steinblöcke wiesen einen Lehmverputz auf, der wohl bemalt war.
Im ersten Moment gewann offenbar der Schatzsucherinstinkt die Oberhand. Ohne fachliche Anleitung und ohne Dokumentation wurde die Kammer geöffnet und die wertvollen Funde geborgen. Entweder hatte man die Befürchtung, der Wert des Ausgegrabenen könne durch Gerüchte an die zuständigen Behörden gelangen, oder der Finder war zur Einsicht gekommen, was er auf seinem Grund gefunden habe, müsse doch gemeldet werden.
Die Funde wurden nun von Seiten des Staates gesichert und zunächst in das Märkische Provinzialmuseum nach Berlin gebracht. Nach 1945 gelangten die Funde, soweit sie die Wirren des Zweiten Weltkrieges überstanden hatten, in das Museum für Vor- und Frühgeschichte zu Berlin. Mit der Einrichtung des Brandenburgischen Landesmuseums im Jahr 2008 wurden sie dorthin abgegeben. Zeitgleich mit der Sicherung der Funde erfolgte die Unterschutzstellung des Grabhügels. Im Zuge dieses Verfahrens wurde die Grabkammer zugänglich gemacht; dieser Zustand ist noch heute aktuell.
Die Funde verteilen sich auf mehrere Bestattungen. Die Hauptbestattung war die eines etwa 30- bis 40-jähren Mannes, dessen Leichenbrand (Asche und Knochenreste) in einer reich verzierten, aus mehreren Teilen gefertigten Urne aus Bronzeblech beigesetzt wurde. Die Urne selbst fand sich in einem rund 0,5 m hohen Tongefäß; ob kultische Gründe für diese Art der Aufbewahrung verantwortlich waren oder ob man die kostbare Urne vor Schäden schützen wollte, lässt sich nicht beantworten.
Neben der Hauptbestattung fanden sich zwei Nebenbestattungen, die vom Material der Urnen deutlich bescheidener waren. Es handelte sich um Tongefäße, in denen jeweils der Leichenbrand einer 20 bis 30 Jahre alten Frau gefunden wurde.
Das Inventar des Grabes erwies sich als überaus reich, weil es neben der Urne der Hauptbestattung zahlreiche Bronzeobjekte enthielt. Darunter befanden sich u. a. ein Schwert, ein Messer, ein Rasiermesser, ein Tüllenbeil, zwei Schalen, Schmuck und eine gegossene Tasse. Aufsehenerregend waren aber zwei Nadeln aus Eisen, die zu dieser Zeit besonders wertvoll waren.
Die kostbare Ausstattung des Grabes und die beiden Nebenbestattungen – die Forschung sieht in ihnen Witwenopfer – deuten darauf hin, dass es sich hier um die Grablege einer hochrangigen Persönlichkeit gehandelt haben muss. In gewisser Weise spiegelt sich dies auch in der Bezeichnung des Grabhügels als „Königsgrab“ wider.
Bei der Datierung des Grabes ging man lange Zeit davon aus, dass es um 800 v. Chr., also in der späten Bronzezeit, angelegt wurde. Archäologische Untersuchungen im Jahr 2003 erbrachten Fundmaterial, welches sich für eine C14-Analyse eignete. Dabei kam man auf das Datum 829 v. Chr.; allerdings muss man bei dieser Methode hinsichtlich ihrer Genauigkeit doch einige Abstriche machen. Bei weiteren Untersuchungen in der Nähe des Grabhügels fand man mehrere Feuergruben, deren Inhalte ebenfalls C14-Analysen erlaubten. Hier erhielt man Daten, die zwischen 1101 und 904 v. Chr. liegen. Damit stellt sich die Frage, ob diese Gruben mit dem Grab in Verbindung stehen.
Schloss-Museum Wolfshagen Prignitz
Im Schloss-Museum, das mit den ersten Räumen im Jahr 1998 eröffnet wurde, wird im Wesentlichen eindrucksvoll die Wohnkultur des märkischen Adels dargestellt, die während der Zeit der ehemaligen DDR weitgehend vernachlässigt, wenn nicht gar zerstört wurde. Ein Raum ist jedoch den Funden aus dem „Königsgrab“ von Seddin gewidmet. Schon das Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin hatte dem jungen Museum Kopien von Funden zur Verfügung gestellt, sodass ein Besucher heute nicht zwangsläufig nach Brandenburg an der Havel fahren muss, um im dortigen Landesmuseum die Originale zu sehen.
Putlitzer Straße 16, 16928 Groß Pankow (Ortsteil Wolfshagen), Tel. 038789-61063, www.schlossmuseum-wolfshagen.com
Literatur
J. May – T. Hauptmann, „König Hinz“ kommt in die Jahre. Neues vom Königsgrab Seddin, Lkr. Prignitz, in: Archäologische Gesellschaft in Berlin und Brandenburg e.V. – Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege – Archäologisches Landesmuseum und Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.), Archäologie in Berlin und Brandenburg 2003 (2005) 54–56; E Probst, Deutschland in der Bronzezeit (1999) 337. 341. 345 Abb. S. 351; H. Wüstemann, C 4 Seddin, in: J. Herrmann (Hrsg.), Archäologie in der Deutschen Demokratischen Republik (1989) 437 f. Abb. S. 437.