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Keine andere Schlacht als die im Teutoburger Wald hat die Gemüter der Deutschen seit mehr als 2000 Jahren so bewegt. Arminius, der Held dieser Schlacht, wurde seit dem späten 18. Jh. zur Symbolfigur für eine deutsch-nationale Identität und einen Nationalstaat. Einen Schönheitsfehler hatte die Geschichte aber: Man wusste nicht, wo dieser heroische Kampf stattgefunden hatte. Erst seit gut 20 Jahren neigt die Forschung dazu, das Schlachtfeld im niedersächsischen Kalkriese, nördlich von Osnabrück zu lokalisieren.

[14] Bramsche/Kalkriese – Eine Schicksalsstunde der Deutschen?

Niedersachsen

Furor Teutonicus – der historische Hintergrund

Germanien, ein römisches Trauma? Blickt man auf die römische Geschichte, so zeigt sich, dass es im Laufe der Jahrhunderte immer wieder zu Konflikten zwischen Rom und den Germanen gekommen war. Und diese gingen nicht immer zugunsten der Römer aus.

Für römische Feldherren und Politiker bestand daher immer wieder der Rechtfertigungsgrund für einen Angriffskrieg und Gebietserweiterungen, man müsse der Gefahr aus dem Norden zuvorkommen. Caesars Eroberungen waren nach dessen Ermordung im Jahr 44 v. Chr. durch den folgenden Bürgerkrieg nicht ausreichend gesichert. Um 17/16 v. Chr. war es zu einer erneuten Invasion eines germanischen Stammes, der Sugambrer, gekommen, wobei eine Legion vernichtend geschlagen worden war. Der Verlust einer Legion mochte zwar bedauerlich sein, doch unverzeihbar war der Verlust des Legionsadlers, dem ein großer Symbolwert anhaftete.

Der aus dem Bürgerkrieg siegreich hervorgegangene Augustus, der Adoptivsohn Caesars, nahm die Niederlage sehr persönlich, weil er gerade in Rom ein „Goldenes Zeitalter“ verkündet hatte. Unter anderem war es ihm gelungen, eine der größten römischen Niederlagen jüngerer Zeit diplomatisch zu relativieren. Aus Prestigegründen hatte M. Licinius Crassus (115–53 v. Chr.) in seinem Konsulat (55 v. Chr.) eine Ermächtigungserklärung des Senats durchsetzen können, die es ihm erlaubte, gegen die Parther Krieg zu führen. Das Parthische Reich, das sich über weite Teile des Nahen und Mittleren Ostens erstreckte und mit Rom um die Vormacht in der Region konkurrierte, wurde in Rom als „Erzfeind“ betrachtet. Auf seinem Feldzug verlor Crassus bei Carrhae, dem heutigen Harran in der Türkei, im Jahr 53 v. Chr. nicht nur die Schlacht, sondern auch sein Leben. Nur ein Viertel der römischen Armee konnte sich retten. Neben den gewaltigen Verlusten an Truppen war es für die Römer aber überaus schmerzlich, dass die Feldzeichen verloren gingen. Diese hatte Augustus durch geschickte Verhandlungen zurückerhalten und die Schmach der Niederlage verringert.

Die Niederlage gegen die Sugambrer verlangte daher nach einer schnellen und harten Reaktion, wollte Augustus seine Position in Rom nicht gefährden. So ging der Kaiser von 16–13 v. Chr. nach Gallien und verlegte Truppen aus dem Landesinneren an die Rheingrenze, schon mit der Absicht, das Reichsgebiet über den Fluss hinaus auszudehnen. Eine Gelegenheit für eine militärische Intervention bot sich im Jahr 12 v. Chr., als die Sugambrer erneut in die römische Provinz eindrangen. Drusus, der Stiefsohn des Augustus, wehrte den Angriff ab und führte zwischen 11 und 9 v. Chr. drei Feldzüge durch, die bis zur Elbe und zur Weser führten.

Nach dem tragischen Tod des Drusus, der im Jahr 9 v. Chr. vom Pferd gefallen war, übernahm dessen Bruder Tiberius das Oberkommando und konnte in mehreren Feldzügen das Land weitgehend unter römische Kontrolle bringen. In der Folge entstanden nicht nur weitere römische Feldlager, sondern es gab auch eine zivile Siedlung, Lahnau-Waldgirmes (s. S. 138f.), die man als Beleg für die Existenz einer Provinz Germania verstehen kann.

Um das Jahr 7 n. Chr. herum wollte man von römischer Seite eine reguläre Provinz in Germanien errichten. Diese Aufgabe fiel dem P. Quintilius Varus zu, einem durchaus fähigen und verdienten Mann. Durch seine rigorosen Maßnahmen zur Durchsetzung römischen Rechts auf allen Ebenen geriet er aber in Konflikt mit den traditionellen Wertvorstellungen der Germanen. Widerstand regte sich. Der Cherusker Arminius, der in der römischen Armee als Offizier diente und Varus begleitete, machte sich diese Stimmung zunutze. Insgeheim organisierte er eine Allianz aus mehreren germanischen Stämmen, die die Römer aus der Heimat vertreiben sollte.

Ein geeigneter Zeitpunkt fand sich im Jahr 9 n. Chr. Wie der römische Geschichtsschreiber Cassius Dio (ca. 150 – ca. 235 n. Chr.) berichtete, befand Varus sich mit seinen drei Legionen auf dem Rückmarsch von der Weser in sein Winterquartier. Durch das Vortäuschen eines kleineren Aufstandes wurde das Heer von seinem regulären Weg abgelenkt und in eine Falle gelockt, aus der es kein Entkommen gab. Die Topografie – auf der einen Seite einer Senke fand sich ein Gebirgszug und auf der anderen ein großes Moor – und das Wetter erlaubten es den Römern nicht, den Feind, der sich hinter Schanzen verbarg und immer wieder blitzartig zuschlug, zu einer regulären Schlacht zu stellen. In einem viertägigen Kampf wurden drei Legionen vernichtet und Germanien blieb frei!

Der Ort dieser katastrophalen Niederlage Roms wurde im Gegensatz zum Schlachtverlauf in den schriftlichen Quellen nicht näher bestimmt, sieht man einmal von der Angabe „saltus teutoburgiensis“ des römischen Historikers Tacitus (um 55 – ca. 117/120 n. Chr.) ab. So war der Forschung ein breiter Raum für Spekulationen gegeben. Unzählige Theorien über Ort und genauen Ablauf der Schlacht entstanden.

Das Schlachtfeld

Schon Theodor Mommsen, der große deutsche Altertumswissenschaftler des 19. Jhs., hatte aufgrund von Münzfunden in Kalkriese die Vermutung aufgestellt, die Varusschlacht habe hier stattgefunden. Im Jahr 1987 forcierten weitere Funde von Münzen und militärischen Objekten umfassende archäologische Untersuchungen, die relativ schnell Verbindungen zur überlieferten Topografie eines Schlachtfeldes erlaubten. Aus den ersten Untersuchungen entwickelte sich ein Großprojekt der Archäologie, bei dem sich die Ausgrabungen mittlerweile über rund 30 km² erstrecken.

Eine riesige Fundmenge kam im Laufe der Jahre zusammen, die insgesamt mit einer militärischen Auseinandersetzung zu verbinden ist: Reste von Waffen, Fahrzeugen und Gespanntieren, Werkzeuge, Münzen und persönlicher Habe der getöteten Legionäre. Vieles davon war beschädigt, sodass die plündernden Germanen es auf dem Schlachtfeld liegen ließen.

Anrührend sind aber auch die Bestattungen der gefallenen Römer. Nicht die Germanen, sondern römische Truppen unter Germanicus sorgten im Jahr 13 n. Chr. für die Beisetzungen in Gruben.

Museum und Park Kalkriese

Ein zentraler Punkt im Kampfgeschehen konnte auf dem „Oberesch“ lokalisiert werden. Weil die Funde in der breiten Öffentlichkeit Aufsehen erregten, stand schon im Jahr 2000 fest, dass in unmittelbarer Nähe zum Schlachtfeld die Ergebnisse der Grabungen präsentiert werden müssten. So entstanden 2002 das Museum und der 240.000 m² große Park Kalkriese auf dem „Oberesch“. Hier bot sich nämlich die Gelegenheit, die kriegerischen Ereignisse an Ort und Stelle zu präsentieren. Der Verlauf des germanischen Walls wird dabei durch Eisenstangen, die im Museum auch als Stelen bezeichnet werden, gekennzeichnet. Dort, wo er gesichert ist, stehen die Stangen dichter, während diese im nicht gesicherten Verlauf in größeren Abständen gesetzt sind. Darüber hinaus ist auch ein Wallabschnitt rekonstruiert worden. Der Marschweg der Römer ist mit rostigen Stahlplatten belegt. Außerdem ist im Landschaftspark auch der Versuch unternommen worden, die Umwelt des Jahres 9 n. Chr. darzustellen.

Das Museum selbst weist eine außergewöhnliche Architektur auf, die durch einen 40 m hohen, rostigen Turm dominiert wird. (Abb. 14) Vortragssäle und ein Ausstellungsbereich komplettieren das Haus. Neben der Präsentation der Funde werden im Museum auch Zeugnisse der schriftlichen Überlieferung und Forschungsgeschichte gezeigt.


Abb. 14 Bramsche, Museum und Archäologischer Park Kalkriese. Aussichtsturm.

Es ist selbstverständlich, dass nur eine Auswahl der Funde im Museum präsentiert werden kann. Das Material reicht von Münzen, über Teile der militärischen Ausrüstung der römischen Truppen bis hin zu Objekten des täglichen Bedarfs wie etwa Geschirr oder einige Luxusgegenstände für die Offiziere, die die plündernden Germanen übersehen hatten. Ein absolutes Prunkstück ist aber die Gesichtsmaske eines römischen Helms, der schon zu Anfang der Ausgrabungen gefunden wurde.

Angesichts der neuartigen Aufgabe, die Archäologie eines Schlachtfeldes darstellen zu wollen, ging man im Museum und Park Kalkriese neue Wege. Diese Bemühungen wurden im Jahr 2005 mit der Verleihung des seit 2002 ausgelobten Kulturerbepreises der Europäischen Union (Europa Nostra – European Heritage Award 2004) honoriert.

Da die archäologischen Forschungen in Kalkriese noch nicht endgültig abgeschlossen sind, wird es auch zukünftig noch Veränderungen im Museum geben.

Varusschlacht im Osnabrücker Land GmbH, Museum und Park Kalkriese, Venner Straße 69, D-49565 Bramsche-Kalkriese, www.kalkriese-varusschlacht.de

Literatur

LWL-Römermuseum in Haltern am See (Hrsg.), 2000 Jahre Varusschlacht. Imperium (2009); Varusschlacht im Osnabrücker Land GmbH – Museum und Park Kalkriese (Hrsg.), Varusschlacht. Konflikt (2009); G. Moosbauer, Die Varusschlacht (2009).

Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten Deutschlands

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