Читать книгу Eine kurze Geschichte des systemischen Denkens - Wolfram Lutterer - Страница 11

Von der Einheit (Laozi)

Оглавление

Ein weiterer prominenter Vordenker entstammt dem chinesischen Kulturkreis. Von dem Philosophen Laozi* (auch: »Laotse«) sind zwar keine genaueren Lebensdaten bekannt, er soll jedoch ebenfalls im 6. Jahrhundert v. Chr. gelebt haben. Genaueres weiß man allerdings nicht. Vielleicht hat er sogar erst im 3. Jahrhundert gelebt. Nimmt man den früheren Termin, so können wir ihn uns jedenfalls als einen ungefähren Zeitgenossen von Xenophanes und Siddhartha Gautama Buddha vorstellen.

Gelebt haben soll Laozi in einem Landstrich, der heute zu der chinesischen Provinz Henan gehört. Laozi gilt als der Begründer des Taoismus. Und im Gegensatz zu Buddha ist immerhin eine Schrift überliefert, die ihm zugerechnet wird, das Daodejing – bzw. in anderer Schreibweise Tao-te-king.

Im Daodejing zeigt Laozi mithilfe verschiedenster Beispiele, ganz ähnlich wie Siddharta, die wechselseitige Bedingtheit von Phänomenen auf. Schon zu Beginn formuliert er:

»Wenn auf Erden alle das Schöne als schön erkennen,

so ist dadurch schon das Hässliche gesetzt.

Wenn auf Erden alle das Gute als gut erkennen,

so ist dadurch schon das Nichtgute gesetzt.

Denn Sein und Nichtsein erzeugen einander« (Laotse 1978, S. 42).7

Damit nimmt er eine sichtbar relativistische Perspektive ein. Es gibt eine grundsätzliche Verbundenheit von eigentlich als komplementär erachteten Dingen. Es kann nicht einfach alles nur – so wie in manchen Kindheitsträumen vielleicht – gut und schön sein. Vielmehr sind dies jeweils notwendigerweise Gegensatzpaare. Nichts Schönes ohne das Hässliche, so einfach ist das.

Laozi formuliert darüber hinaus eine kritische und wiederum relativistische Feststellung, was das Wissen selbst anbelangt: »Die Nichtwissenheit wissen ist das Höchste« (ebd., S. 114). Ähnliches wird später Sokrates formulieren. Alles in allem offenbaren sich damit bei Laozi deutliche prä-konstruktivistische sowie systemische Gedanken.

Im europäisch geprägten Kulturraum sind Buddha und Laozi vor allem seit dem 19. Jahrhundert breiter rezipiert worden. In inhaltlicher Hinsicht unterscheiden sich ihre frühen Gedanken jedenfalls nicht sehr von dem, was zur gleichen Zeit auch in unserem Kulturkreis anzutreffen ist: An sehr unterschiedlichen Orten finden sich Spuren und frühe Einsichten in die systemisch-konstruktivistische Struktur unserer Welt. Damit nun wieder zurück zu den Griechen.

Eine kurze Geschichte des systemischen Denkens

Подняться наверх