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Dualismus (René Descartes)

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René Descartes (1596–1650) stammt aus dem kleinen französischen Örtchen La Haye en Touraine, das in der Region des Loire-Tals liegt. Gelebt hat er jedoch vor allem in Paris, in den Niederlanden und zuletzt in Stockholm.

Eine der großen philosophischen Fragen, die Descartes beschäftigten, bestand darin, dass unsere Sinneswahrnehmungen uns betrügen können. Die ganze Welt als eine Fata Morgana? Dies ließ ihn geradezu verzweifelt nach einem sicheren Kriterium für eine unumstößliche Wahrheit suchen. Descartes ist der große Sucher nach erkenntnistheoretischer Sicherheit.

Das zentrale Problem für ihn bestand darin, dass er all die Erkenntnisse bezweifelte, die unser Wahrnehmungsvermögen erst ermöglicht. Unsere Sinne seien trügerisch, denn sie können getäuscht werden. Daher ist ihnen zu misstrauen. Unmöglich also, dass sie einen verlässlichen Boden für sicheres Wissen bieten können.

Wäre Descartes diesem Zweifel in einer anderen Weise begegnet, und hätte er nicht derart verzweifelt nach einer felsenfesten Form von Wahrheit gesucht, wäre er vielleicht sogar zu einem Konstruktivisten geworden. Seine Feststellung jedoch, dass unsere Sinne uns täuschen können, bedeutete für ihn bloß, dass man ihnen gar nicht erst trauen dürfe.27

Welcher Instanz aber stattdessen Vertrauen schenken? Für Descartes war der gesamte Körper also ausgeschlossen. Somit blieb für ihn nur noch der Geist, die Vernunft. Seine daraufhin entwickelten Ideen setzen eine zentrale Wegmarke in der langen Tradition der Aufspaltung und des wechselseitigen Ausspielens des menschlichen Körpers gegen seinen Geist. Wenn wir eine Ahnengalerie des Reduktionismus aufbauen wollten, so gebührte Descartes gewiss ein prominenter Platz.

Im Rahmen seiner sechs »Meditationen« entwickelt er eine philosophische Position, die sich als radikale Gegentheorie sowohl zu systemischen als auch zu konstruktivistischen Denkweisen lesen lässt. Seine Argumentation zeichnet sich hierbei übrigens durch eine bewundernswerte Klarheit aus. Umso leichter wird es sein, den zentralen Fehlschluss in seinem Denken aufzuzeigen.

Descartes betont also die bis heute vielerorts zwar gebräuchliche, wenn auch fatale radikale Trennung von Körper und Geist. Den Körper versteht er im Gegensatz zum Geist als teilbar. Der Geist – bzw. die Seele – hingegen sei notwendigerweise unteilbar. Für ihn folgte daraus unter anderem, dass »aus der Zerstörung des Körpers nicht die Vernichtung des Geistes folgt«28. Denn der Geist, d. h. die Seele, sei unsterblich, und das Dasein Gottes ist für ihn kein Glaubensartikel, sondern wird als bewiesen angesehen. (Aber worin bestünde dann der Sinn des Glaubens?)

Immerhin flirtet Descartes mit konstruktivistischen Sichtweisen. So formuliert er – durchaus konform mit moderneren Einsichten –, dass der Körper letztlich nicht bloß durch die Sinne oder durch die Einbildungskraft erkannt wird, sondern durch den Verstand, also dadurch, dass man den Körper denkt.29 Aber daraus zu folgen, dass wir damit erst lernfähige Wesen sind und dass dies daher gar nicht so schlimm ist, das liegt ihm fern. Descartes glaubt, dass es Wahrheit ganz einfach geben müsse. Und da es sie in der dinglichen Welt nicht geben kann (womit er im Übrigen deutlich weiter ist als die vielen kruden Reduktionisten und »Realisten« nach ihm), so verbleibt ihm nur noch Gott.

Damit nimmt nun aber das philosophische Unheil erst so richtig seinen Lauf. Descartes müht sich gar nicht erst damit ab, sich selbst als ein gewordenes Wesen zu begreifen. Er scheint nie wirklich Kind gewesen zu sein. So erklärt er selber sinngemäß sogar, dass seine Eltern ihn zwar körperlich erzeugt hätten, sein Geist sei jedoch allein von Gott gekommen und habe sich offenbar in seinem wachsenden Leib einfach »irgendwie« entfaltet. Und da dieser Geist zudem unteilbar zu sein hat, gibt es keinen Platz mehr für innerpsychische Differenzierungen. So einfach kann man es sich machen.

Damit aber stellte sich Descartes als Urahn des Dualismus (also der Trennung von Körper und Geist) gleich eine doppelte Falle: Zum einen führte sein Beharren auf Unteilbarkeit auf der Seite des Geistes zu einem komplett mangelhaften Differenzierungsvermögen in allen geistigen Dingen. Zum anderen entspricht seine Betonung einer beliebigen Teilbarkeit des Körpers einer Art von Holzhackermentalität, was die Welt anbelangt. Diese beliebige Teilbarkeit (und demzufolge Zusammenbastelei) von allem und jedem ist ein typischer Kern reduktionistischer Denkweisen, auch wenn hier später natürlich deutlich elaboriertere Konzepte entwickelt werden. Es gibt zudem spätere Formen des Reduktionismus, welche konsequenterweise auf die sowieso nur künstliche Trennung von Körper und Geist verzichten, dann aber alles der Materie zurechnen.

So weit geht Descartes zwar nicht, philosophisch unbefriedigend bleibt seine Konstruktion dennoch: Eines der Probleme nämlich, welches Descartes zwar wortreich umkreist, jedoch bei Weitem nicht löst, besteht darin, dass all seine Aussagen über den Geist und über die Seele sich nur mithilfe von Sinnen vornehmen lassen. Wir können nun einmal seine Worte nur über den trügerischen Weg unserer Sinne lesen … Sein früher Reduktionismus krankt somit an seiner forcierten Ignoranz gegenüber der Verwobenheit der Welt unserer Wahrnehmung.

Besonders deutlich zeigt sich die Malaise dieses Denkens in der berühmten Zuspitzung, die Descartes selbst in Gestalt seines «Ich denke, also bin ich« (»Cogito, ergo sum«) vornimmt.30 Diese Formel ist es, die für ihn letztendlich das Fundament einer nicht weiter hinterfragbaren Einsicht einnimmt. Allerdings handelt es sich bei dieser scheinbar unhinterfragbaren Wahrheit um einen klassischen sogenannten Kategorienfehler, also um eine unzulässige Vermengung verschiedener Aussageebenen.* Denn: Jenes »Ich bin« beinhaltet bereits ein Sein, und zwar ein körperliches Sein. Descartes kann schlichtweg keine Form des Denkens behaupten, ohne eine Aussage mit Bezug auf unsere Sinne und somit auf unsere Körperlichkeit zu machen. Er sagt somit letztlich nicht mehr, als »Ich bin Geist, also bin ich Körper« – ein logischer Schluss, den er im Rahmen seiner dualistischen Philosophie jedoch von Beginn an ablehnt. Er endet somit genau da, wovor er sich durch seinen verzweifelten Denkakt schützen wollte. Würde man derartige Kategorienfehler vermeiden wollen, so wäre eine logisch korrekte, wenn auch hinreichend belanglose Wendung: »Ich esse, also bin ich.«

Ich habe dies deswegen in dieser relativen Ausführlichkeit auseinandergesetzt, weil der Dualismus von Körper und Geist, den Descartes ausbreitet, bis heute in verschiedenster Form fortwirkt. Man mag da nur staunen: Jedwedes Denken kann sich ausschließlich in den verschiedenen Formen der Kommunikation – also der Äußerlichkeit – manifestieren, und doch soll es in irgendeiner grundsätzlichen Weise unverbunden sein mit dem eigenen Leib. Descartes eröffnet damit jedenfalls eine dritte Ahnengalerie, und zwar die der antisystemischen Denker.

Jener Dualismus, den Descartes entwickelte, erscheint jedoch mancherorts bis heute offenbar als eine äußerst attraktive Idee, denn sonst hätte er sich nicht als derart wirkmächtig erwiesen. Doch wie könnte eine systemische Positionierung zu all diesem aussehen? So weit, so vorläufig: Systemische Herangehensweisen geben sich schlichtweg nicht damit zufrieden, Dinge bloß einfach so auseinanderzunehmen, wie beispielsweise ein Kleinkind eine Küchenschublade ausräumt. Für einen Systemiker wäre es wichtig, die Beziehungen zwischen dem, was wir »Körper« benennen, zu dem, was wir als »Geist« wahrnehmen, weiter zu erkunden und eben nicht nur auf Abgrenzungen abzuzielen. Das ist es, was den Systemiker vom Reduktionisten trennt: das Interesse am Verstehen der Durchdringung von Materie und Geist, ohne von einem Primat von einem der beiden auszugehen. Neugier anstelle von Dogma.

Eine kurze Geschichte des systemischen Denkens

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