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Der Prozess – Proaktiv I
ОглавлениеMein Prozess beginnt jetzt. Und ich habe das Ende beziehungsweise das Ziel im Blick. Ich weiß, wie es ausschaut, ich weiß, wie es sich anfühlt, ich weiß, dass ich es erreichen werde. Auch wenn es schwer wird … Ich stelle mir vor, wie ich über meinen flachen Bauch streiche und mich sagen höre: Ich gratuliere mir, das habe ich toll hinbekommen. Gut, wie ich mich auf dieses Ziel programmiert habe und dieses Projekt zu meinen Gunsten durchgezogen habe. Sehr angenehm, nicht die fette Bauchschwarte in der Hand zu halten, sie resignierend zu zwicken. Ich sehe auch, wie ich mit meinem erkennbaren Sixpack (nicht Bier) vor dem Spiegel stehe und mich bewundere, ja auch das darf sein. Ich registriere heute schon, wie die Hosen weiter werden und ich meine Schwiegermutter oder eine Näherin bitten werde, sie enger zu machen. Ich sehe mich, wie ich leichtfüßig und ohne zu keuchen meine Laufrunden im Park absolviere. Wie ich mich auf einen Halbmarathon vorbereite, wie ich vital und fit statt fett durchs Leben gehe. Und ich sehe, wie ich problemlos meine Schuhbänder zumache.
Ich weiß und bin fest davon überzeugt, dass eines der »Geheimnisse« die oft erwähnte und viel strapazierte »Proaktivität« ist. Man kennt diesen Begriff aus der Management-Literatur, aber in den meisten Wörterbüchern wird man ihn erfolglos suchen. Proaktiv zu sein bedeutet viel mehr als selbst initiativ zu werden und zu sein. Meine Erkenntnis in vielen Lebensbereichen ist die, dass mein Verhalten nicht von den äußeren Bedingungen abhängt, sondern einzig und allein von meiner Entscheidung beziehungsweise meinen Entscheidungen.
Geht es dir nicht auch so: Wenn du entschieden hast, das und/oder jenes zu tun, zu machen, zu meistern – auch wenn es mit Mühen, mit Anstrengungen, mit Überwindung verknüpft ist –,dann wird es auch passieren. Das heißt, dass die jeweilige persönliche Leidensgrenze erreicht werden muss. Dass du jenen Zustand erreichst, der dich geradezu zwingt, eine Veränderung herbeizuführen. Von außen wird die Erhellung nicht kommen, die Erleuchtung, der Geistesblitz. Das wäre ja auch billig und bequem. Die Entscheidung zur Veränderung, zum Aktiv-Werden, die fällst du ganz alleine. Und das tut fallweise weh. Aus meiner langjährigen, auch sehr schmerzvollen Erfahrung weiß ich: Ja, es tut weh. Aber der Schmerz wird besiegt, er lässt nach, er verblasst und hat irgendwann absolut keine Bedeutung mehr in deinem (endlichen) Dasein. Das ist erfüllend, das ist erhebend. Du hast dann etwas geschafft, etwas fertiggestellt, weitergebracht, was auch immer. Und dazu darfst und sollst du dir gratulieren.
Den Zustand der absoluten Erfüllung, Befriedigung erreichst du ohnehin nur, wenn du dich sehr, manchmal auch über Gebühr, anstrengst. Wenn du dich sehr veränderst, du sehr flexibel bist. Manchmal sogar an deine absoluten Grenzen gehst und vor allem dazu bereit bist, dorthin zu gehen. Dieser absolute – möglicherweise glücklich machende – Zustand ist aber nicht unbedingt anzustreben. Meiner Meinung nach genügt es vollkommen, wenn du dich aufraffst und dir sagst: Liebe(r) … Es ist Zeit, möglicherweise sogar höchste Zeit, dass du etwas unternimmst zur Verbesserung deiner Lebensqualität, zur Hebung deines »Wohlstandes«.
Erinnerst du dich: Was ist Wohlstand? Nicht ein mögliches Vermögen, das du im Laufe der vorbeiziehenden Jahre vielleicht ansparst oder hortest, nein. Wohlstand ist die Beantwortung auf Fragen wie: Wie wohl steht es in meinem Leben? Steht es wohl? Habe ich Wohl-Stand? Du kannst dich auch fragen: Bin ich glücklich? Unter Wohlstand verstehe ich, dass die wichtigsten Parameter in deinem Leben (halbwegs) in Balance sind. Und diese Bereiche sind 1. der Bereich Familie/soziale Kontakte/Freunde/Bekannte, mit dem Bedürfnis nach Geborgenheit, emotionalem Austausch, Zuwendung und Liebe sowie Anerkennung, dann 2. der berufliche Bereich, also Arbeit und Leistung, mit der Orientierung auf Erfolg und Befriedigung, Karriere, materiellen Wohlstand und Vermögen, dann 3. die Körperlichkeit, also Gesundheit, der Wunsch nach Fitness, Entspannung, Wohlbefinden und einer möglichst hohen Lebenserwartung. Und 4. der Sinn meines Daseins. Wozu bin ich da? Stifte ich Nutzen? Da spielt die Kultur mit hinein mit der Sehnsucht nach Selbstverwirklichung, Erfüllung, philosophischer Grundfragenklärung, auch Religion und Zukunftsfragen. Wenn alle vier Bereiche »wohl stehen« und sich dazu noch gegenseitig die Balance halten, fühlt sich ein Mensch rundherum zufrieden.
Proaktiv zu sein heißt, wir ergreifen die Initiative, die Verantwortung für unser Handeln, für unser Tun. Proaktiv zu sein heißt, die Zügel in die Hand zu nehmen. Wir entscheiden selbst, wir richten uns nicht nach Gegebenheiten und Bedingungen. Als ich den Begriff das erste Mal – spät in meinem Leben – hörte, verstand ich ihn nicht gleich. Ein wertvoller Freund, der mir davon erzählte, fragte: Willst du machen oder gemacht werden? Die Entscheidung war sonnenklar. Ich will machen. Und ich mache. Seit geraumer Zeit bin ich der Macher in meinem Leben. Ohne Wenn und Aber. Glaube mir, es war ein anstrengender, steiniger, mühevoller Weg. Und er ist noch immer mühevoll, steinig und anstrengend. Nur wird es mit der Zeit spürbar leichter und leichter.
Proaktivität in meinem Leben bedeutet, dass ich auf die Parameter meines Daseins zugehe, nicht die Dinge auf mich. Mir fällt nichts mehr zu. Deshalb sage ich auch meistens, dass es keine Zufälle gibt. Was passiert reaktiven Menschen? Sie erleben, sie spüren es oft nur im Unterbewusstsein, aber sie ahnen, dass sie von der Umwelt getrieben werden. Dass sie von den Umständen (»Ich kann nichts machen, das ist nun einmal so …«), den Bedingungen (»So ist das und das bleibt auch so!«) und den Gefühlen (Befindlichkeiten) gefangen genommen sind. Reaktive Menschen werden von ihrer sozialen Umgebung, dem »sozialen Wetter« beeinflusst.3 Wenn andere sie gut behandeln, dann fühlen sie sich gut, wenn man sie nicht gut behandelt, dann ziehen sie sich in eine defensive Schutzhaltung zurück. Proaktive Menschen werden durch ihre Werte geleitet. Natürlich spielen auch äußere Reize eine Rolle, zum Beispiel physische, soziale oder psychische Reize – nur: die Reaktion auf diese bewussten oder unbewussten Reize ist eine auf Werten beruhende Wahl oder auch Antwort.