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1. Begriff des aktiven Wirtschaftsguts

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(1) Begriffsinterpretation durch die Finanzrechtsprechung: Der Begriff des aktiven Wirtschaftsguts ist gesetzlich nicht definiert. Der in § 4 Abs. 1 S. 2 EStG enthaltene Klammerzusatz, wonach als Wirtschaftsgüter Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen anzusehen sind, ist zu unbestimmt, um als allgemein verbindliche Interpretation der abstrakten Bilanzierungsfähigkeit von wirtschaftlichen Werten verwendet werden zu können. Der Begriff des Wirtschaftsguts wurde vielmehr von der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs eingeführt und vom Bundesfinanzhof weiterentwickelt. Der Begriff des Wirtschaftsguts wird sowohl für Vermögensvorteile als auch für Belastungen verwendet, sodass von aktiven (positiven) Wirtschaftsgütern bzw von passiven (negativen) Wirtschaftsgütern gesprochen wird.[1]

Nach ständiger Rechtsprechung fallen unter den Begriff des Wirtschaftsguts (1) Sachen und Rechte im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie (2) sonstige wirtschaftliche Vorteile, die nach der Verkehrsauffassung selbständig bewertbar sind:[2]

Abb. 13:

Definition des aktiven Wirtschaftsguts


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(2) Sachen und Rechte im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs: Das Vorliegen eines Wirtschaftsguts ist unstrittig gegeben, wenn es sich um einen körperlichen (materiellen) Gegenstand handelt, also um eine Sache im Sinne des § 90 BGB. Die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit ist darüber hinaus bei immateriellen Werten gegeben, sofern diese nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch als Recht (unkörperlicher Gegenstand) angesehen werden.

Zu den Wirtschaftsgütern gehören auch finanzielle Vermögenswerte, wie Kassenbestände, Bankguthaben, Schecks, Forderungen, Beteiligungen (Aktien, GmbH-Anteile, Anteile an Genossenschaften) oder festverzinsliche Wertpapiere, da sie jeweils bestimmte Rechtspositionen repräsentieren.

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(3) Sonstige selbständig bewertbare wirtschaftliche Vorteile: Durch die Erweiterung des Begriffs des Wirtschaftsguts um sonstige wirtschaftliche Vorteile gelten auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und sonstige vermögenswerte Vorteile als abstrakt bilanzierungsfähig, sofern diese nach der Verkaufsauffassung selbständig bewertbar sind.

Selbständige Bewertbarkeit liegt vor, wenn der wirtschaftliche Vorteil bei einer Übertragung als Einzelheit von Bedeutung und als solcher greifbar ist. Es wird darauf abgestellt, ob sich dem sonstigen wirtschaftlichen Vorteil ein Betrag zuordnen lässt, der im Rahmen des Unternehmens nicht unbedeutend ist und der sich von den übrigen Vermögenswerten des Betriebs abgrenzen lässt. Der betrachtete wirtschaftliche Wert muss sich insbesondere gegenüber dem Geschäfts- oder Firmenwert abheben. Die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit ist zu verneinen, wenn sich der wirtschaftliche Vorteil ins Allgemeine verflüchtigt, sodass er nur indirekt über eine Steigerung des Geschäfts- oder Firmenwerts in Erscheinung tritt.

Die selbständige Bewertbarkeit wird aus Sicht eines potenziellen Erwerbers beurteilt. Es wird darauf abgestellt, ob ein gedachter Erwerber für den untersuchten wirtschaftlichen Vorteil ein ins Gewicht fallendes gesondertes Entgelt ansetzen würde. Es muss eine nachvollziehbare Relation zwischen dem Vorliegen eines bestimmten wirtschaftlichen Vorteils und der Höhe des Kaufpreises hergestellt werden können. Ein Anhaltspunkt dafür ist, ob der Steuerpflichtige sich die Erlangung des wirtschaftlichen Vorteils etwas hat kosten lassen oder – bei unentgeltlichem Erwerb – kosten lassen würde.

Für das Vorliegen eines Wirtschaftsguts wird nicht gefordert, dass der wirtschaftliche Wert einzeln veräußert oder durch Nutzungsüberlassung einzeln verwertet werden kann. Es ist ausreichend, wenn der wirtschaftliche Vorteil zusammen mit dem gesamten Unternehmen übertragbar ist.

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(4) Beispiele: Die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit lässt sich bei materiellen Wirtschaftsgütern sowie bei finanziellen Vermögenswerten anhand zivilrechtlicher Kriterien prüfen. Das Vorliegen eines Wirtschaftsguts ist in folgenden Fällen unstrittig:

körperliche Gegenstände, dh Sachen iSd § 90 BGB (zB Grundstücke, Gebäude, Maschinen, Fahrzeuge, Betriebs- und Geschäftsausstattung, Rohstoffe oder Fertigerzeugnisse) und Tiere (§ 90a BGB)
finanzielle Vermögenswerte (nominalgüterliche Wirtschaftsgüter), wie Kassenbestände, Bankguthaben, Schecks, Forderungen, Beteiligungen (Aktien, GmbH-Anteile, Anteile an Genossenschaften) oder festverzinsliche Wertpapiere.

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Obwohl bei immateriellen wirtschaftlichen Werten hinsichtlich der abstrakten Bilanzierungsfähigkeit in Teilbereichen Meinungsverschiedenheiten bestehen, ist es allgemein anerkannt, dass folgende Rechte, Rechtspositionen und wirtschaftliche Werte Wirtschaftsgüter sind:

Zahlungen für den Erwerb sonstiger Rechte von Dritten, insbesondere Erbbaurechte, Anzahlungen auf bestellte Anlagen oder Vorräte, Gehalts- oder Honorarvorschüsse
gewerbliche Schutzrechte, insbesondere Patente, Warenzeichen, Gebrauchsmuster sowie Urheber- und Verlagsrechte, Domain-Namen
Nutzungsrechte, wie Nießbrauch (§ 1030, § 1068 BGB)
Optionsrechte (das Recht, Wertpapiere zu erwerben oder zu verkaufen)
Konzessionen (öffentlich-rechtliche Befugnisse), wie Güterfernverkehrslizenzen, Taxikonzessionen, Fischereirechte, Start- und Landerechte, UMTS-Lizenzen
selbständig bewertbare Vorteile, wie Ergebnisse von Entwicklungsaufträgen (einschließlich Prototypen), Software, Datenbanken (einschließlich Ausgaben zur Implementierung eines Internetauftritts), Adresssammlungen, ungeschützte Erfindungen, Geheimverfahren, Rezepte, Film- und Tonaufzeichnungen, Werbefilme, Kundenlisten.

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Kein Wirtschaftsgut stellen beispielsweise die erwarteten Vorteile eines Werbefeldzugs oder von Public-Relations-Maßnahmen dar. Da ihr Wert nicht mit hinreichender Sicherheit zu quantifizieren ist, liegt das zur Objektivierung herangezogene Kriterium der selbständigen Bewertbarkeit nicht vor. Bei den Vorteilen aus einem hohen Ausbildungsstand der Mitarbeiter, der Organisationsstruktur des Unternehmens und den Standortbedingungen ist gleichfalls die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit abzulehnen. Diese wirtschaftlichen Vorteile gelten nicht als Wirtschaftsgut, vielmehr sind sie als unselbständige Teile des Geschäfts- oder Firmenwerts anzusehen.

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Obwohl in weiten Bereichen die Prüfung, ob die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit gegeben ist, zu einem eindeutigen Ergebnis führt, verbleiben zahlreiche Fälle, in denen das Vorliegen eines Wirtschaftsguts kontrovers diskutiert wird. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Interpretation des Kriteriums „selbständige Bewertbarkeit“ von subjektiven Einschätzungen abhängt. Im Kern lassen sich die Meinungsverschiedenheiten darauf zurückführen, welches Gewicht dem Gedanken einer objektivierten Vermögensermittlung beigemessen wird:

Je mehr gefordert wird, dass die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit intersubjektiv nachprüfbar sein muss, umso höhere Anforderungen werden an den Nachweis der selbständigen Bewertbarkeit gestellt und umso kleiner fällt der Kreis der wirtschaftlichen Vorteile aus, bei denen die Wirtschaftsguteigenschaft bejaht wird.
Umgekehrt gilt: Je weniger gefordert wird, dass die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit intersubjektiv nachprüfbar sein muss, umso geringere Anforderungen werden an den Nachweis der selbständigen Bewertbarkeit gestellt und umso größer fällt der Kreis der wirtschaftlichen Vorteile aus, bei denen die Wirtschaftsguteigenschaft angenommen wird.

Da für diesen Abwägungsprozess kein eindeutiger Beurteilungsmaßstab zur Verfügung steht, bleibt der Umfang der Aktiva unbestimmt. Dies ist insbesondere deshalb unbefriedigend, weil bei einer Gewinnermittlung durch einen Betriebsvermögensvergleich die Höhe der in den einzelnen Perioden ausgewiesenen Einkünfte aus Gewerbebetrieb in starkem Maße davon abhängt, welche Vermögenswerte in die Berechnung des Reinvermögens einbezogen werden (Wirtschaftsguteigenschaft wird bejaht) und welche Ausgaben sofort als Betriebsausgabe verrechnet werden (Vorliegen eines Wirtschaftsguts wird verneint).

Besteuerung von Unternehmen II

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