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b) Vergleich von Wirtschaftsgut und Vermögensgegenstand

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(1) Grundsätzliche Analyse: Ausgangspunkt des Vergleichs zwischen den beiden Begriffen (aktives) Wirtschaftsgut und Vermögensgegenstand bildet § 5 Abs. 1 S. 1 HS 1 EStG, wonach in der Steuerbilanz das Betriebsvermögen anzusetzen ist, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Der Ansatz dem Grunde nach richtet sich ausschließlich nach § 5 EStG, denn aus dem Einleitungssatz des § 6 Abs. 1 EStG geht ausdrücklich hervor, dass sich diese Vorschrift nur auf die Bewertung des Betriebsvermögens bezieht.

Wird das Maßgeblichkeitsprinzip wörtlich interpretiert, ist der Inhalt des steuerrechtlich für die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit geltenden Begriffs Wirtschaftsgut aus dem handelsrechtlichen Aktivierungskriterium Vermögensgegenstand abzuleiten, m.a.W. die beiden Begriffe Wirtschaftsgut und Vermögensgegenstand sind gleichzusetzen. Da aber der Gesetzgeber bei der Umsetzung der europäischen Bilanzrichtlinien in nationales Recht im Handelsgesetzbuch ausdrücklich am Begriff Vermögensgegenstand festgehalten hat und die Definitionen der Begriffe Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut unterschiedlich formuliert sind, ist eine genauere Analyse erforderlich, ob es sich nur um eine begriffliche oder auch um eine inhaltliche Unterscheidung handelt.

Unproblematisch sind Sachen und Rechte iSd bürgerlichen Rechts sowie finanzielle Vermögenswerte. Bei diesen Werten handelt es sich zweifellos sowohl um Vermögensgegenstände als auch um Wirtschaftsgüter. Die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit ist handelsrechtlich und steuerrechtlich unstrittig.

Schwieriger zu beurteilen sind die sonstigen wirtschaftlichen Vorteile. Der Vergleich zwischen einem Wirtschaftsgut und einem Vermögensgegenstand konzentriert sich auf die Gegenüberstellung der Kriterien „selbständige Bewertbarkeit“ sowie „selbständige Verwertbarkeit“ bei sonstigen wirtschaftlichen Vorteilen. Aus dieser Formulierung wird unmittelbar deutlich, dass das steuerrechtliche Kriterium der selbständigen Bewertbarkeit den Kreis der abstrakt bilanzierungsfähigen wirtschaftlichen Vorteile weiter abgrenzt als das handelsbilanzielle Merkmal der selbständigen Verwertbarkeit. Ein wirtschaftlicher Vorteil gilt bereits dann als Wirtschaftsgut, wenn er bei einer Veräußerung des gesamten Unternehmens als Einzelheit ins Gewicht fällt, dh der gedachte Erwerber des ganzen Betriebs würde für den betrachteten Vorteil ein gesondertes Entgelt ansetzen, m.a.W. der Gesamtkaufpreis würde sich verringern, wenn der betrachtete wirtschaftliche Vorteil nicht vorhanden wäre. Da handelsrechtlich auf das Merkmal der selbständigen Verwertbarkeit abgestellt wird, ist für das Vorliegen eines Vermögensgegenstands die Übertragbarkeit mit dem gesamten Unternehmen nicht ausreichend, vielmehr muss der wirtschaftliche Vorteil als solcher, dh einzeln, verwertbar sein.

Damit besteht offensichtlich ein Widerspruch: Einerseits wird mit Hinweis auf das Maßgeblichkeitsprinzip von einer Identität von Wirtschaftsgut und Vermögensgegenstand ausgegangen, andererseits geht das Merkmal „selbständige Bewertbarkeit“, anhand dessen die Aktivierungsfähigkeit für die steuerliche Gewinnermittlung beurteilt wird, weiter als das handelsrechtliche Aktivierungskriterium „selbständige Verwertbarkeit“. Selbständige Bewertbarkeit beinhaltet als Untermenge selbständig verwertbare Vorteile. Aber nicht jeder selbständig bewertbare wirtschaftliche Vorteil kann für sich (eigenständig) Gegenstand des Rechtsverkehrs sein.

Um diesen Widerspruch aufzuheben, hat der Bundesfinanzhof im Zeitablauf seine Rechtsprechung in zweifacher Weise geändert:

1. Modifikation. Der Begriff des Wirtschaftsguts wurde dadurch enger gefasst, dass an das Vorliegen des Kriteriums „Einzelbewertbarkeit“ höhere Anforderungen gestellt werden, m.a.W. dem Gedanken einer objektivierten Vermögensermittlung wird eine größere Bedeutung beigemessen.
2. Modifikation. Das handelsrechtliche Kriterium der selbständigen Verwertbarkeit wird vom Bundesfinanzhof im Sinne einer „bilanziellen Greifbarkeit“ interpretiert. Dies führt dazu, dass der Begriff Vermögensgegenstand von der Finanzrechtsprechung weit ausgelegt wird. Die Aktivierungsfähigkeit eines wirtschaftlichen Vorteils ist bei dieser Interpretation handelsrechtlich bereits dann erfüllt, wenn dieser Vorteil bei einer Veräußerung des ganzen Unternehmens als Einzelheit ins Gewicht fällt und sich nicht ins Allgemeine verflüchtigt.

Die stärkere Betonung des Objektivierungsgedankens bei der Interpretation des steuerrechtlichen Merkmals „selbständige Bewertbarkeit“ (1. Modifikation) führt lediglich zu einer Annäherung der Begriffe Wirtschaftsgut und Vermögensgegenstand. Eine vollständige Identität der handels- und steuerrechtlichen Bilanzierungsfähigkeit lässt sich nur dann erreichen, wenn zusätzlich der Begriff des Vermögensgegenstands weiter ausgelegt wird (2. Modifikation). Diese von der Finanzrechtsprechung vertretene weite Interpretation des Merkmals „selbständige Verwertbarkeit“ wird jedoch von der handelsrechtlichen Literatur weitgehend abgelehnt. Damit ist – entgegen der vom Bundesfinanzhof formulierten Deckungsgleichheit der beiden Begriffe[1] – davon auszugehen, dass der Kreis der in der Steuerbilanz aktivierten wirtschaftlichen Vorteile über den Kreis der handelsrechtlichen Vermögensgegenstände hinausgeht. Aufgrund der in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs weiterhin feststellbaren Tendenz, dem Objektivierungsgedanken ein hohes Gewicht beizumessen, erscheint es aber nicht ausgeschlossen, dass es zu einer noch stärkeren Eingrenzung des Begriffs „Wirtschaftsgut“ kommen wird. Trifft diese Erwartung zu, werden sich die Unterschiede zwischen den Begriffen Wirtschaftsgut und Vermögensgegenstand (weiter) reduzieren. Folgt man dieser Auffassung, liegen mit dem Aktivierungsgrundsatz „Vermögensgegenstand“ bzw „Wirtschaftsgut“ für beide Bilanzen verbindliche Regelungen vor, die in der praktischen Handhabung regelmäßig zum gleichen Ergebnis führen. Dies entspricht dem Fall 2a der für die Auswirkungen des Maßgeblichkeitsprinzips vorgenommenen Einteilung.

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(2) Besonderheiten beim Geschäfts- oder Firmenwert: Dass der Begriff des Wirtschaftsguts in der praktischen Handhabung aber dennoch weiter gehen kann als der Begriff des Vermögensgegenstands, wird insbesondere beim Geschäfts- oder Firmenwert deutlich. Der Geschäfts- oder Firmenwert ist definiert als die Differenz zwischen dem Gesamtunternehmenswert und der Summe der Zeitwerte der einzelnen Aktiva und Passiva. Der Geschäfts- oder Firmenwert repräsentiert die Gewinnchancen eines Unternehmens, soweit diese nicht aus einzelnen (materiellen und immateriellen) Wirtschaftsgütern oder der Person des Unternehmers hervorgehen, sondern aus dem Betrieb des Unternehmens in seiner Gesamtheit.[2] Seine Höhe wird entscheidend durch nicht oder nur schwer greifbare Faktoren bestimmt, wie Ruf der Firma, Kundenstamm, Organisationsstruktur, Produktionsverfahren, Absatzmärkte, Standortbedingungen, Kreditwürdigkeit, technische und kaufmännische Erfahrungen sowie Fähigkeiten der Belegschaft. Der Geschäfts- oder Firmenwert besteht im Wesentlichen aus dem Kapitalisierungsmehrwert, der daraus resultiert, dass die aus der Kombination der eingesetzten Wirtschaftsgüter resultierende Ertragsfähigkeit des Unternehmens den Reproduktionswert der einzelnen (materiellen und immateriellen) Wirtschaftsgüter übersteigt (Synergieeffekte).

Der Geschäfts- oder Firmenwert stellt aus steuerrechtlicher Sicht ein Wirtschaftsgut dar, weil es bei der Prüfung des Kriteriums der selbständigen Bewertbarkeit als ausreichend angesehen wird, wenn sich für den Geschäfts- oder Firmenwert im Rahmen der Gesamtunternehmensbewertung ein Wert ermitteln lässt. Da im Handelsrecht auf das Kriterium „selbständige Verwertbarkeit“ abgestellt wird, dürfte es sich bei dem Geschäfts- oder Firmenwert nicht um einen Vermögensgegenstand handeln, da er nicht losgelöst vom Unternehmen verkauft oder zur Nutzung überlassen werden kann. In § 246 Abs. 1 S. 4 HGB wird allerdings fingiert, dass es sich beim Geschäfts- oder Firmenwert um einen Vermögensgegenstand handelt. Damit ist der Geschäfts- oder Firmenwert nicht nur ein Wirtschaftsgut, gleichzeitig wird er aufgrund einer gesetzlichen Fiktion als Vermögensgegenstand angesehen. Im Ergebnis bestehen damit zwei inhaltlich übereinstimmende verbindliche Regelungen. Aus Sicht des Maßgeblichkeitsprinzips liegt der Fall 2a vor.

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(3) Besonderheiten bei der Beteiligung an einer Personengesellschaft: Zu einer Abweichung zwischen Handels- und Steuerbilanz hinsichtlich der abstrakten Bilanzierungsfähigkeit kommt es bei der Beteiligung an einer Personengesellschaft. Nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr 2 EStG hat der Gesellschafter die Gewinnanteile, die ihm von der Personengesellschaft zugerechnet werden, als eigene Einkünfte zu versteuern (Transparenzprinzip, Mitunternehmerkonzeption). Dieser Gewinnanteil wird auf Ebene der Personengesellschaft ermittelt. Der Beteiligung des Gesellschafters an der Personengesellschaft kommt in der Steuerbilanz des Gesellschafters keine eigenständige Bedeutung zu. Demgegenüber wird die Beteiligung an einer Personengesellschaft in der Handelsbilanz wie die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft beim Gesellschafter als Vermögensgegenstand aktiviert und nach den üblichen Bewertungsvorschriften bewertet.[3] Die speziellen Grundsätze zur Besteuerung von Personengesellschaften führen zu einer konzeptionellen Abweichung zwischen handels- und steuerrechtlicher Rechnungslegung. Bei der Einteilung der Auswirkungen des Maßgeblichkeitsprinzips wurde diese Situation dem Fall 9 zugeordnet.

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