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2017 - Rieke

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Rieke hatte sich das Zusammenleben mit Friedrich Rupp ganz anders vorgestellt. Sie war jetzt 32 Jahre alt und er fünf Jahre älter. Seit 12 Jah­ren waren sie verheiratet, doch in dieser Zeit war er meist auf See unter­wegs gewesen.

Den Tante-Emma-Laden wollten sie eigentlich gemeinsam betreiben, damit er ständig mit ihr zusammen sein konnte. Doch das hatte er nur in den ersten Wochen getan, als sie alles einrichteten und nach ihrem Ge­schmack umbauten. Die Umbauten durften natürlich das Weltkulturer­be nicht allzu sehr verändern. Im Prinzip wurde alles wieder so, wie es die drei Heldenreich-Schwestern einmal gemacht hatten. Einige Moder­nisierungen hatten weitgehend unsichtbar Einzug gehalten, wie zum Beispiel das elektronische Kassensystem. Emma Heldenreich hatte die einzelnen Waren noch auf schmale Papierstreifen geschrieben und blitzschnell aus dem Kopf zusammengezählt. Da war sie schneller als jeder Taschenrechner. Allerdings nahm die tägliche Zusammenfassung für das Finanzamt mehr Zeit in Anspruch. Das erledigte nun das neue Kassensystem auf Knopfdruck. Darüber war Rieke auch ganz froh.

Friedrich hatte sich wieder aus dem Laden zurückgezogen, als er die Geschäftsführung der Emma Heldenreich Stiftung übernahm. Das nahm viel Zeit in Anspruch. Dazu kam der neue Beratervertrag, der zwar mehr symbolisch gemeint war, doch Raupe nahm ihn sehr ernst. Die Weiterentwicklung des E-Bikes bis zum Prototyp wurde zu seinem Hobby. Am Anfang war man bei PM gar nicht so glücklich darüber, fürchtete man doch eine ständige unbequeme Einmischung, doch seine Ideen hatten immer Hand und Fuß.

Aber davon verstand Rieke nichts. Der Tante-Emma-Laden lief so leid­lich weiter. Eigentlich hatte sich diese Ladenform schon lange überlebt. Die Supermärkte boten ein größeres Sortiment bei gleichzeitig geringe­ren Preisen. In Riekes Laden gingen die Frauen mit Einkaufstasche, zum Posuma-Supermarkt kam man mit dem Auto und fuhr mit gefüll­tem Kofferraum wieder zurück. Der Tante-Emma-Laden blieb nur durch die Anerkennung als Weltkulturerbe lebensfähig. Von weit her kamen Menschen, um dieses Relikt aus dem vergangenen Jahrhundert zu besuchen. Sogar Amerikaner und Japaner kamen, um sich in dem La­den umzusehen. Mit leichtem Grusel stiegen sie dann auch die steilen Treppen bis ins Gewölbe hinunter und ließen sich die damit verbunde­nen Geschichten erzählen. Das machte meist eine der Schattenbein-Frauen, während Rieke im Laden bediente.

Der geerbte Tante-Emma-Laden bestand aus zwei Wohnhäusern, wel­che direkt nebeneinander durch einen gemeinsamen Keller verbunden waren. Unter dem Keller befand sich das „Gewölbe“, auf das im Jahre 1941 der alte Friedrich Torfstecher aufmerksam gemacht hatte. Das stammte noch aus dem 19. Jahrhundert, war aber bis 1941 in Vergessen­heit geraten. Während der Judenverfolgung im Dritten Reich hatten dort drei jüdische Familien Unterschlupf gefunden.

In einem der beiden Wohnhäuser befand sich schon zur Kaiserzeit der Kaufmannsladen von August Heldenreich, den nach seinem Tod die drei Töchter Emma, Berta und Dora weiterbetrieben. Nach der Ältesten Emma benannt, wurde daraus der erste Tante-Emma-Laden Deutsch­lands.

Im zweiten Haus betrieb nach dem Zweiten Weltkrieg der Elektriker Klasen Bungsberg ein Elektrogeschäft, bis der Supermarktbetreiber Arno Pototzki ihn in seinem Supermarkt aufnahm, um das gesamte Grundstück mit beiden Wohnhäusern kaufen zu können. Allerdings wurde zeitgleich das Haus wegen des historischen Gewölbes unter Denkmalschutz gestellt und wenig später der Tante-Emma-Laden zum Weltkulturerbe erklärt. Diesen Status hatte das Doppelhaus noch heute.

Im Haus über dem Laden wohnten jetzt Rieke und Friedrich, in dem an­deren die Witwe Helma Schattenbein mit ihrer Tochter Luise.

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