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2015 - Rückblick

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In Bremen kehrte der Schiffsarzt Dr. Rasputin auf das Seniorenschiff „Welt & Mehr“ zurück. Er hatte eine wichtige Mission zu erfüllen ge­habt, von der jedoch niemand etwas wissen durfte. Das war sein Ge­heimnis und sollte es auch bleiben.

Die älteste Frau Deutschlands war zu Grabe getragen worden, und Ras­putin hatte sie in ihren letzten 24 Lebensjahren begleitet. Daraus war eine tiefe Freundschaft entstanden.

Wenn er jetzt zurückblickte, wusste er allerdings nicht mehr so genau, wann diese Freundschaft begonnen hatte – und vor allem, mit wem. Drei Schwestern, Emma, Berta und Dora, hatten als Kinder einen Bund geschlossen: „Eine für alle – alle für Eine“, frei nach dem Schwur der „Drei Musketiere“ in dem Roman von Alexandre Dumas.

Nach diesem Schwur hatten sie gelebt und waren immer füreinander eingetreten – hatten alle Widrigkeiten des Zwanzigsten Jahrhunderts gemeinsam gemeistert.

Emma Heldenreich war am 1. Januar 1900 in Dorpamarsch zur Welt gekommen, Berta folgte 1906 und Dora 1914. Als Emma am 1. August 2014 starb, galt sie als die älteste Frau Deutschlands, doch nur Rasputin wusste, dass sie in Wirklichkeit schon seit 1990 in einem Schweizer Kloster begraben war.

Damals war ihre Schwester Berta in die Rolle der Verstorbenen ge­schlüpft, um sich die Rentenzahlungen aus einer Lotterie weiterhin zu sichern. Auch sie starb im Jahre 2000 im Alter von fast 94 Jahren. Da nutzte Dora, die Jüngste und letzte Überlebende der Schwestern die Gunst der Stunde und übernahm ihrerseits die Identität der jetzt angeb­lich 100-jährigen Emma, um sich die Rentenzahlungen zu erhalten. Sie starb unter dem Namen „Emma Heldenreich“ und war somit vermeint­lich die älteste Frau Deutschlands. In Wirklichkeit wurde sie aber „nur“ 100 Jahre alt. Auf diese Weise hatten die beiden Schwestern fast 24 Jah­re lang die Rente von Emma kassiert, immerhin fast zehntausend Euro monatlich. Da war ein recht hübsches Vermögen zusammengekommen und Rasputin der Einzige, der den Schwindel durchschaut hatte. Nun war er der Vermögensverwalter.

Emma Heldenreich hatte notariell verfügt, dass die Hälfte ihres Ge­samtvermögens an ihren Lebensretter Friedrich Rupp, auf dem Schiff nur „Raupe“ genannt, zur Gründung eines „Tante-Emma-Ladens“, ging. Der Betrieb eines solchen Ladens, wie ihn Emma mit ihren Schwestern jahrzehntelang betrieben hatte, war eine ausdrückliche Be­dingung des Testaments. Die andere Hälfte sollte einer noch zu grün­denden Stiftung, die sich um in Not geratene Mannschaftsmitglieder des Seniorenschiffes kümmerte, zufließen.

Nun stand Rasputin vor der nicht gerade einfachen Pflicht, den Letzten Willen Emmas zu erfüllen.

Etwas Sorge bereitete ihm, dass die Tatumstände des missglückten Mordanschlags an Emma zwar aufgeklärt waren, doch der Täter wei­gerte sich nach wie vor, seinen Auftragsgeber zu nennen. Wer steckte dahinter, und welche Gefahr ging weiterhin von ihm aus?

Rasputin nahm seine Pflichten als Testamentsvollstrecker sehr ernst. Da er aber auch nicht auf die Tätigkeit als Schiffsarzt verzichten wollte, richtete er für die Stiftung ein Büro auf der „Welt & Mehr“ ein. Das war auch im Sinne der Reederei, deren Mannschaft ja davon profitieren soll­te. Die Stiftung wurde „Emma Heldenreich Stiftung“ genannt und von dem dreiköpfigen Vorstand Rasputin als Vorsitzenden und den Beisit­zern Reeder Hansen und Kapitän Harmsen geführt.

Allein konnte der Arzt aber die Mehrfachbelastungen nicht tragen und suchte nach einem geeigneten Geschäftsführer.

Hartmut Kömmel, inzwischen stellv. Direktor der Nordelbischen Lotte­riegesellschaft, ärgerte sich immer noch darüber, dass er bezüglich der Rentenzahlungen von Emma Heldenreich ausgetrickst worden war. Er vermutete weiterhin, dass er einem großen Betrug aufgesessen war, was ja zweifellos stimmte, doch es war ihm nicht möglich, das zu beweisen. Jetzt, wo Emma nicht mehr lebte, brauchte die „Nordelbische“ auch nicht weiterzuzahlen, aber Kömmel hoffte, eines Tages beweisen zu können, dass die Renten zu Unrecht gezahlt worden waren. Da Emma tot war, konnte er natürlich die Zahlungen nicht zurückfordern, doch vielleicht das angesammelte Vermögen beanspruchen. Das wäre eine Katastrophe für die Stiftung und ganz besonders für Raupe und seine Frau Rieke. Der Traum vom eigenen Tante-Emma-Laden wäre damit geplatzt.

Nun las Kömmel die Ausschreibung der Stiftung für einen Geschäfts­führer. Wenn es ihm gelänge, den Posten zu bekommen, hätte er vollen Einblick in alle Unterlagen und könnte sicherlich auch beliebig an Ras­putin vorbei manipulieren.

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