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3 Die Existenzrelevanz der Pflege Birgit Ehrenfels

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Der Begriff »systemrelevant«, wie die Politiker den Pflegeberuf seit Beginn der Coronapandemie bezeichnen, ist sehr unspezifisch. Es ist mühsam, darüber zu spekulieren, was mit dieser Bezeichnung genau gemeint ist. Für welches System ist der Pflegeberuf relevant? Für das deutsche Gesundheitssystem? Für jedes Gesellschaftssystem? »Systemrelevant« war Pflege auch zur Zeit des Dritten Reichs unter dem nationalsozialistischen Regime. Damals ist sie in ungeheuerlicher Weise instrumentalisiert worden (vgl. Steppe, 2013). Sie hat Misshandlungen und Tötungen von Millionen Menschen unterstützt. Insofern ist die Bezeichnung »systemrelevant« sogar eher zweifelhaft und muss immer hinterfragt werden.

Was auch immer mit »Systemrelevanz« gemeint ist, dieser Begriff trifft die Bedeutung der Pflege nicht annähernd. Das zumindest hat die weltweite Coronakrise ganz deutlich gemacht. Pflege arbeitet immer, unabhängig von einem politischen System, von einem Gesellschaftssystem, unabhängig von Krisen und unabhängig von Gefahren. Dabei ist Pflege ihrem Ursprung nach kein politisches Instrument. Gerade auch während der Coronapandemie ist Pflege weltweit weiterhin für Menschen tätig. Pflege arbeitet für jedes Individuum, für Pflegebedürftige jeder Nationalität, jeder Religion und jeder Herkunft. Pflege arbeitet für alle Menschen gleichermaßen, egal ob reich oder arm, jung oder alt. Diese Haltung vertritt auch der International Council of Nurses und hat sie in seinem Ethik-Kodex (ICN, 2012, S. 1) festgeschrieben. Darin wird Pflege »als Beruf mit hoher gesellschaftlicher und individueller Verantwortung« (Müller, 2018, S. 97) charakterisiert. Seine vorrangigen Aufgaben sind sowohl die Rechte und Würde der Pflegebedürftigen zu schützen als auch die Pflegehandlungen moralisch verantwortungsvoll an den gesellschaftlichen Normen und Werten auszurichten (vgl. Müller, 2018). Diese müssen deshalb ständig überprüft und reflektiert werden, um ggf. Missbrauch und Instrumentalisierung früh zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken (Müller, 2018, S. 98). Pflege orientiert sich demnach hauptsächlich gerade nicht an den situativen Gegebenheiten, die durch irgendein System festgelegt sind, sondern vor allem am ständig existierenden Bedarf und an den immerwährenden Bedürfnissen der zu Pflegenden sowie an der moralischen Verantwortung, die mit der Ausübung der Pflege verbunden ist. Damit ist Pflege weitaus mehr als systemrelevant, sie ist nämlich existenzrelevant. Die helfende Ausübung des Pflegeberufes an sich ist existentiell (vgl. Bauch, 2005).

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