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4 Nutzen der Pflege für Staat und Gesellschaft vs. Pflichten von Staat und Gesellschaft gegenüber dem Pflegeberuf Birgit Ehrenfels 4.1 Nutzen der Pflege für Staat und Gesellschaft

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Für Schulabgänger und Arbeitssuchende hält der Pflegeberuf vielfältige Arbeitsmöglichkeiten und Entwicklungschancen bereit, z. B. im direkten Patientenkontakt, in Lehre oder Management. Der Pflegeberuf ist durchaus ein attraktiver Ausbildungsgang mit sicheren Berufsaussichten. Wer in der Pflege arbeitet, muss Arbeitslosigkeit nicht fürchten, weil der Bedarf an Pflegekräften ständig steigt. Pflege bietet außerdem in allen Tätigkeitsfeldern viele Möglichkeiten zur Spezialisierung. Der Pflegeberuf ist damit ein wichtiger Ausbildungs- und Berufszweig und wichtiger Teil der Arbeitslandschaft in unserer Gesellschaft. Das weist auf eine strukturbildende Funktion hin.

Die Bundespflegekammer beziffert die Zahl der Pflegekräfte in Deutschland mit 1,2 Mio. (Bundespflegekammer, 2021). Die Pflegekräfte stellen damit die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen. Das bedeutet zuallererst, dass sie in vielfacher Hinsicht einen enormen volkswirtschaftlichen Beitrag leisten: über 1 Mio. Pflegekräfte zahlen dauerhaft Abgaben und zahlen vor allem auch dauerhaft in die Renten- und Sozialkassen ein. Ferner stärken über 1 Mio. Beschäftigte mit sicherem Einkommen die Kaufkraft in unserem Land. Pflegekräfte verhelfen durch ihre tägliche Arbeit Kranken und Pflegebedürftigen zu Selbständigkeit und möglichst auch zur Erhaltung ihrer Arbeitskraft, sodass sie weiterhin am Arbeitsprozess teilnehmen oder sich ehrenamtlich engagieren können. Zusätzlich pflegen und versorgen zigtausend Pflegekräfte außerhalb ihres beruflichen Arbeitsalltags jahrelang eigene Angehörige und entlasten dadurch enorm die Sozialkassen und die Solidargemeinschaft. Die Pflege leistet damit für unseren Staat auf mehreren Ebenen massiv finanzielle Unterstützung. Oder umgekehrt: der Staat und die Gesellschaft profitieren finanziell auf verschiedene Weise sehr stark von den Pflegekräften.

Abgesehen von den finanziellen Leistungen schafft Pflege auch zahlreiche andere Leistungen, die sich aus den Zielen, Aufgaben und Inhalten ergeben, die mit der Profession Pflege verbunden sind. Bei Betrachtung dieser Leistungen wird das schier unermessliche Ausmaß des Nutzens, den die Pflege für die Gesellschaft erbringt, erst richtig deutlich.

Zunächst nützt die Pflege jedem einzelnen Pflegebedürftigen auf unterschiedliche Weise: angefangen von fachlicher Expertise und Beratung zu pflegerischen und gesundheitlichen Fragen über die praktische Durchführung von Pflegemaßnahmen bis hin zu Hilfe in anderen Lebensbereichen, z. B. Hauswirtschaft, Bewältigung von bürokratischem Aufwand, Vermittlung anderer Hilfsangebote. Das Spektrum an Dienstleistungen, die die Pflege erbringt und die allzu oft unentgeltlich in die Berufsausübung einfließen, ist sehr umfangreich. Primär dreht sich Pflege ihrem Auftrag nach allerdings um Gesundheitsversorgung und alles, was dazu gehört wie Gesundheitsförderung, Prävention, Nachsorge, Leidenslinderung, Sterbebegleitung. An dieser Stelle wird auf die Kap. 2 und 3 in diesem Buch verwiesen ( Kap 2; Kap. 3).

Der existentiell bedeutende Auftrag der Gesundheitsversorgung führt zum weiteren Nutzen der Pflege für die Gesellschaft: die Erhaltung der Gesundheit ist für die zukünftige Entwicklung der ganzen Gesellschaft von existentieller Bedeutung. Die Gesundheit der Bevölkerung muss erhalten bleiben, um die Zukunft von Staat und Gesellschaft zu sichern. Deshalb ist der Pflegeberuf ein sehr maßgeblicher zukunftssichernder Berufszweig innerhalb der Gesellschaft, denn er ist in seiner Zielsetzung und seiner Funktion auf dieses prospektive Streben nach gesellschaftlicher Gesundheitssicherung ausgerichtet.

Der Pflegeberuf leistet für die Gesellschaft nicht nur hinsichtlich der Gesundheitsversorgung einen großen Dienst. Jährlich gibt es ca. 20 Mio. Pflegeempfänger (Bundespflegekammer, 2021), das ist etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung (ca. 80 Mio.). Kranke und pflegebedürftige Menschen, ob jung oder alt, erfahren durch die Pflegenden über die pflegefachliche Versorgung hinaus menschliche Zuwendung, Nähe, Unterstützung und Hilfe. Für viele Menschen ist allein die körperliche Berührung, die sie bei der Pflege spüren, sogar die einzige, die sie überhaupt erfahren. Sich um andere Menschen kümmern, andere Menschen umsorgen und pflegen, für andere Menschen Verantwortung übernehmen, anderen Menschen Unterstützung und Hilfestellung bieten, das alles sind soziale Tätigkeiten, die das Miteinander in der Gesellschaft fördern. Schon die reine Vorstellung, dass diese millionenfach erbrachten sozialen Leistungen für die Gesellschaft einmal nicht mehr zur Verfügung stehen könnten, ist beängstigend. Pflege ist also ein überaus wichtiges soziales Element innerhalb jeder Gesellschaft.

Neben allen pflegerisch erforderlichen Maßnahmen sowie diesen sozialen Tätigkeiten, die allen Menschen gleichermaßen zur Verfügung stehen, werden ferner Werte und Prinzipien innerhalb der Gesellschaft gefördert, die unser politisches und gesellschaftliches System kennzeichnen, z. B. das Gebot der Hilfeleistung, Toleranz gegenüber den Mitmenschen, das Prinzip der Gleichbehandlung, die Solidargemeinschaft, Sicherheit für die Versorgung der Bürger. In ganz besonderem Maße verkörpert Pflege das oberste Gebot unserer demokratischen Grundordnung: »Die Würde des Menschen ist unantastbar«. Pflege ist dadurch gleichermaßen ein wichtiges soziales wie auch ein wichtiges politisches Element für unsere demokratische Gesellschaft.

Zusammengefasst hat Pflege also nicht nur einen individuellen gesundheitlichen Nutzen für jeden einzelnen Pflegebedürftigen, sondern für unseren Staat und für unsere Gesellschaft insgesamt einen strukturellen, einen enormen volkswirtschaftlichen sowie auch einen enorm großen sozialen und politischen Nutzen. Ferner liefert der Pflegeberuf nicht nur den praktischen Nutzen durch die alltägliche Verrichtung der Pflegemaßnahmen während der Berufsausübung, durch die Mitarbeit bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme sowie durch Information und Expertise zu Gesundheitsthemen, sondern vielmehr den ideellen Nutzen durch die mit dieser Profession verbundenen ethischen Ziele und Aufgaben, die er in die Gesellschaft hineinträgt. Sodann beinhaltet das prospektive Gesundheitsstreben der professionellen Pflege die Zukunftssicherung sowohl für jedes Individuum als auch für Staat und Gesamtgesellschaft. Pflege liefert für Staat und Gesellschaft insgesamt einen immens vielfältigen Nutzen.

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