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2.2.9. De Stijl

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van Doesburg, zit. nach Ruhrberg Karl in Walther 1998, 172

van Doesburg, zit. nach Partsch 2002, 233

1917 gründete Theo van Doesburg in Leiden die Gruppe De Stijl (Der Stil), die bis zu seinem Tod 1931 existierte. In der Gruppe, welche verschiedene Kunstgenres verband, versammelten sich Piet Mondrian, Bart Anthony, El Lissitzky, Robert van’t Hoff, Gerrit Rietveld, Pieter Oud und andere, Maler, Bildhauer, Designer, Architekten. Die Ambition der Vereinigung verschiedener Künste einschließlich des Kunstgewerbes unter einer verbindenden Idee ähnelt jener in Werkbund und Bauhaus. Von dort kamen die meisten Anregungen, die in der ebenfalls 1917 gegründeten gleichnamigen Monatszeitschrift (mit Unterbrechungen bis 1928) weiter entwickelt wurden. Die verbindende Idee sollte auch gleich in eine einheitliche künstlerische Sprache münden: »Wenn die Ausdrucksmittel von allen Eigentümlichkeiten befreit sind, stehen sie in Beziehung mit dem eigentlichen Ziel der Kunst: eine universelle Sprache zu schaffen.« Diese optimistische Vision wurde im International Style erstaunlich weitreichend umgesetzt, jedenfalls deutlich erfolgreicher als die analoge Bemühung in der Sprachphilosophie des Wiener Kreises und des frühen Wittgenstein. »Es gibt ein altes und ein neues Zeitbewußtsein. Das alte richtet sich auf das Individuelle. Das neue richtet sich auf das Universelle. Der Streit des Individuum gegen das Universelle zeigt sich sowohl in dem Weltkrieg wie in der heutigen Kunst.«

3.1.

2.1.2.

Mondrian, zit. nach Kruft 1985, 437

In das Programm mischten sich Ideen der Theosophie, vor allem Konzepte des Theosophen und Mathematikers M.H.J. Schoenmaekers, der mit van Doesburg und Mondrian in Verbindung stand. Im Sinne der Ablehnung der Sinnlichkeit in Platonismus und Idealismus plädierte Schoenmaekers für die Abstraktion und für die gerade Linie, den rechten Winkel und die Primärfarben Rot, Gelb, Blau sowie Schwarz und Weiß, ein Plädoyer, das Piet Mondrian sorgfältig umsetzte. Mondrian formulierte das alte Credo von Rationalismus und Idealismus: »Der wahrhaft moderne Künstler betrachtet die Großstadt als eine Verkörperung abstrakten Lebens. Sie ist ihm näher als die Natur; sie wird ihm eher ein Gefühl der Schönheit vermitteln. Denn in der Großstadt erscheint die Natur schon geordnet und durch den menschlichen Geist reguliert.« Die bildenden Künste und die Architektur sollten auf der Grundlage eines klaren geometrischen Formenvorrats erneuert werden, wobei die Dynamik als Körper- und Flächendynamik in Kunst und Architektur umgesetzt wird. Dabei ist van Doesburg zufolge die Architektur nichts anderes als die Umsetzung der Prinzipien der bildenden Kunst. Das Programm der Gruppe war dermaßen exklusiv auf die Ästhetik ausgerichtet, dass bald Spannungen zu sozial engagierten Kollegen wie Pieter Oud auftauchten.

Rodtschenko, zit. HW, 349

Ebd., 348

Ebd., 349

Die Verbindung zum russischen Suprematismus und zum Konstruktivismus belebte die Diskussion um Linie und rechten Winkel. Für Rodtschenko fungierte die Linie als Instrument der Ablösung von der alten Kunst: »Die Linie ist das erste und das letzte, sowohl in der Malerei als auch generell in jeder Konstruktion. Die Linie ist die Passage, die Bewegung, die Berührung, Kante, Gegenzeichnung, Schnitt. […] Die Linie hat ein Kreuz über der Malerei geschlagen.« Deshalb forderte er die Ablösung der mit der Hand gezogenen Linie, welche die alte Kunst repräsentiere, durch die mit Lineal und Zirkel gezogene. Beim alten malerischen Herangehen an das Bild »hörte das Bild auf, als Bild zu existieren, es wurde Malerei bzw. ein Gegenstand.« In dieser neuen Kunst sei der Pinsel »ein unzureichendes und zu ungenaues Instrument und wurde durch die Presse, die Walze, die Reißfeder, den Zirkel usw. verdrängt.«

van de Velde, zit. HW, 64

van de Velde, zit. nach Bill in Kandinsky 1912, 10

Jaffé Hans L.C. in Argan 1977, 226

Henry van de Velde griff solch philosophische Betrachtungen auf: »Eine Linie ist eine Kraft, die ähnlich wie alle elementaren Kräfte tätig ist, mehrere in Verbindung gebrachte, sich aber widerstrebende Linien bewirken dasselbe, wie mehrere gegeneinander wirkende elementare Kräfte.« Mit dieser Kraft sollte der Bruch mit der traditionellen Kunst gelingen, um zu einer Formensprache zu gelangen, die sich nicht mehr auf eine Naturgrundlage beruft, sondern auf elementaren mathematischen Grundformen beruht, die sich gleichsam selbstreferentiell entwickelt. »Heute muß jeder Maler wissen, daß ein Farbenstrich den andern beeinflußt, nach den bestimmten Gesetzen des Gegensatzes und der gegenseitigen Ergänzung, er muß wissen, daß er nicht frei und nach Willkür damit verfahren darf. Ich bin überzeugt, daß wir jetzt bald eine wissenschaftliche Theorie der Linien und Formen erhalten werden.«

zit. HW, 376

Die Geometrie war jenes Genre, welches die Unebenheiten des Natürlichen abzulösen versprach. »Genauso wollte die Kunst des Stijl siegen über die Zufälligkeiten der Natur und die Erscheinungen auf ihre Gesetzmäßigkeiten zurückführen.« 1918 wurde im ersten Manifest der Bewegung das Anliegen so formuliert: »Deshalb rufen die Begründer der neuen Bildung alle, die an die Reform der Kunst und der Kultur glauben, auf, diese Hindernisse der Entwicklung zu vernichten, so wie sie in der neuen bildenden Kunst – indem sie die natürliche Form aufhoben – dasjenige ausgeschaltet haben, das dem reinen Kunstausdruck, der äuszersten Konsequenz jeden Kunstbegriffs, im Wege steht.«

van Doesburg, zit. HW, 377f

Van Doesburg selbst fasste seinen Gedankenkosmos in einen Traktat, der, nach einer früheren Publikation in Holland, 1925 in neuer Fassung unter dem Titel Grundbegriffe der neuen gestaltenden Kunst als Bauhausbuch erschien. Demnach umfasse das Angleichen der Kunst an die Moderne die Ablösung des Individuums durch die Mathematisierung und das formelhafte Schema. Dass bei dieser, letztlich dem demiurgischen Projekt Platons folgenden Programmatik nicht nur die Abkehr von der Natur-Mimesis formuliert, sondern die alte kosmische Harmonie beschworen wurde, ist nicht inkonsequent. Der Maler arbeite »nicht rein nach dem Gesichtspunkt natürlicher gegenständlicher Deutlichkeit«, sondern bemühe sich »mehr um ästhetische Absichten als um die Naturformen. […] Wenn wir auch die vollkommene Harmonie, das absolute Gleichgewicht im All nicht zu erfassen vermögen, so ist doch alles und jedes im Weltall (jeder Vorwurf) den Gesetzen dieser Harmonie, dieses Gleichgewichts untergeordnet. Es ist Aufgabe der Künstler, diese verborgene Harmonie, dieses universale Gleichgewicht in den Dingen aufzuspüren und zu gestalten, ihre Gesetzmäßigkeit aufzuweisen usw. Das (wirklich exakte) Kunstwerk ist ein Gleichnis des Universums mit künstlerischen Mitteln.«

X.2.5.

X.3.5.1.2.

zit. HW, 410

Bisweilen verwies man bei diesem Programm der »Reinigung der Künste« auf die in den Niederlanden starke Tradition des Calvinismus. Die Programmatik der De Stijl-Gruppe ist nicht nur ein Beispiel für die Selbstreferentialität einer auf wenigen Zeichen basierenden Kunst, sondern sie verortet sich in der Nähe eines mentalistischen Kunstkonzepts. Denn die »Reinigung« der Kunst bezog sich nicht nur auf das Natur-Vorbild, es umfasste ebenso das Kunst-Werk selbst. Das Kunstwerk sei bereits mit dem Bauplan und der Partitur erreicht. Dass sich eine dermaßen auf formale Aspekte zurückziehende Kunst nicht notwendig einer, wenngleich sehr allgemein gehaltenen, Gesellschaftstheorie verschließt, zeigt ein von van Doesburg gemeinsam mit El Lissitzky und Hans Richter unterzeichnetes Manifest der internationalen Konstruktivisten 1922. Darin heißt es: »Wir stellen fest, daß die Kunst heute aufhört, ein Traum zu sein, der sich in Gegensatz stellt zur Realität der Welt, aufhört, ein Mittel zur Entdeckung kosmischer Geheimnisse zu sein. Die Kunst ist ein allgemeiner und realer Ausdruck der schöpferischen Energie, die den Fortschritt der Menschheit organisiert […].«

Kunstphilosophie und Ästhetik

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