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2.3.4. Ludwig Mies van der Rohe

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Als Sohn eines Steinmetzen und Maurermeisters wurde Ludwig Mies van der Rohe 1886 in Aachen geboren. Er ist einer der wichtigsten Architekten am Beginn der modernen Architektur und des International Style. Mies erlebte das Bauen von der Pike auf und lernte im heimischen Betrieb mit Stein, Ziegel und Mörtel umzugehen. Ausbildungen in verschiedenen Kunstschulen und Architekturbüros, unter anderem beim Reformarchitekten Bruno Paul, folgten. Es gab Berührungen mit der Reformbewegung auf dem Monte Verità, schließlich ging er zu Peter Behrens, wo er mit Walter Gropius in Kontakt kam. 1910 lernte er in Berlin Frank Lloyd Wright und einige Jahre später in Den Haag Hendrik Petrus Berlage kennen, beide prägten ihn nachhaltig. 1913 eröffnete er in Berlin ein eigenes Büro und arbeitete an verschiedenen Wohnhäusern, anfangs noch mit klassizistischen Anklängen im Sinne Schinkels.

Zwar gab es bei Mies keine ausdrückliche Wende, aber doch eine Schärfung seines modernen Profils, das zeitlich mit dem Ersten Weltkrieg zusammenfiel. In den Jahren 1921 bis 1924 entstand das, was man später Die Fünf Projekte nannte und mit denen Mies an die Spitze der modernen Architektur trat.

5.2.6.ff./X.2.6.1.

1921 schockierte er die Jury eines Wettbewerbs für ein Bürohochhaus in Berlin mit einem futuristischen Glasturm, etwas, was es auch in der zeitgenössischen amerikanischen Hochhausarchitektur noch nicht gab. Was er hier allerdings in spekulativer Form vorlegte, war die Pointe der zukünftigen Hochhausarchitektur, ein Trägersystem mit vorgehängten nicht-tragenden Fassaden. Weitere Hochhaus-Entwürfe sowie solche von Wohnhäusern (darunter ein Landhaus in Backstein und eines in Eisenbeton) folgten. Er gab den geschlossenen Kubus als Baukörper auf, durchbrach die Mauern durch Glasflächen und ließ das Gebäude in die Landschaft greifen. Innen vertrat er, radikaler noch als Wright, einen zentrumslosen offenen Grundriss, ließ Räume ineinander übergehen. Wände schließen nicht ab, sondern geben Orientierung. Es ist eine Architektur, die keine Statik kennt, sondern sich erst im Durchschreiten erschließt, die gewissermaßen einen performativen Charakter hat.

Mies van der Rohe, zit. nach Kruft 1985, 447; im Orig. kursiv

Mies war, wie berichtet, bereits in den Zwanzigerjahren von der Industrialisierung fasziniert, von der er eine Lösung von sozialen, wirtschaftlichen und ästhetischen Fragen erwartete. Ab etwa 1930 begann ihn die Spannung von Technik und Geist des Bauens zu interessieren. Die Materialfrage rückte zugunsten der »Frage nach dem Wert« in den Hintergrund. Trotzdem hielt er an der Objektivität der Baukunst fest: »Heute, wie seit langem, glaube ich, daß Baukunst wenig oder nichts zu tun hat mit der Erfindung interessanter Formen noch mit persönlichen Neigungen. Wahre Baukunst ist immer objektiv und ist Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst.«

Wie oben berichtet, war Mies ab 1924 Mitglied beim Deutschen Werkbund, 1930 bis zur Schließung war er Direktor des Bauhauses in Dessau. In diesem Kontext war die Weißenhof-Siedlung 1926 unter der Gesamtplanung von Mies van der Rohe in Stuttgart beschlossen worden. Die Häuser dieser Mustersiedlung des neuen Wohnungsbaus waren mit Licht, puristischen weißen Wänden, klaren Linien und geometrischen Formen standardisiert, hatten aber einen freien Grundriss. Mies hatte das Pouvoir, die Architekten auszusuchen, unter den siebzehn Architekten aus fünf Ländern war auch Le Corbusier. Als die Nationalsozialisten die Macht übernommen hatten, wurde die Weißenhof-Siedlung wegen ihrer kubischen Formen und den flachen Dächern als »undeutsches Araberdorf« verspottet. Auf Karikaturen tauchten Dattelpalmen und Kamele auf.

Kretschmer 2013, 157

Zusammen mit seiner Kollegin, der Innenarchitektin Lilly Reich, gestaltete er einige Bereiche der Weltausstellung 1929 in Barcelona, darunter den spektakulären Barcelona-Pavillon (urspr. Pavillon des Deutschen Reichs). »Eine kaum jemals wieder erreichte Transparenz, Leichtigkeit, Ruhe und noble Eleganz kennzeichnen diesen Klassiker des Internationalen Stils mit seinen ästhetischen Spiegelungseffekten und Kontrasten.«

Ebd., 158

Die beiden realisierten zudem das Haus Tugendhat (1930) in Brünn. Es war, einschließlich der Inneneinrichtung, eine »Art gebautes Manifest«. Die im Barcelona-Pavillon realisierten Ideen ließen sich in das Wohnhaus übertragen. Der offene Grundriss wurde durch dünne Mauern und kostbare Scheiben aus marokkanischem Onyx geordnet. Konservative wie Linke kritisierten den Bau heftig. Die Konservativen beklagten den Verlust eines Hauses als bergenden Ort, die Linken mokierten sich über die Individualität und die fehlende soziale Dimension.

Kretschmer 2013, 165

Mies diente sich anfangs den Nationalsozialisten zwar an, war aber nicht bereit, seine moderne Architektur-Linie aufzugeben und wurde deshalb bald ausgegrenzt. 1938 ging er in die USA, übernahm eine Professur in Chicago und gründete ein Architekturbüro. Es war eine sehr produktive Zeit mit zahlreichen Bauten, darunter die Neugestaltung des Hochschulgeländes und zwei Wohn-Hochhäuser mit Glasfassaden. Alle seine Projekte fanden große Beachtung. Einen besonderen Stellenwert nahm das bereits erwähnte, 1958 zum einhundertsten Bestandsjubiläum einer Whiskeyfirma in New York gebaute Seagram Building ein. Es war eine der Hochhausikonen des 20. Jh.s. Mies nützte die zur Verfügung stehende Grundfläche nicht völlig aus, sondern entschied sich für eine Plaza, die zudem den Baukörper wirkungsvoller erscheinen ließ. Die Vorhangfassaden blieben an den Ecken bewusst offen und lassen so die dahinterliegende Trägerstruktur sichtbar. Kunsthistorikerinnen möchten darin den Weg zur Selbstreferenz der Kunst erkennen: »Man könnte von einer Autothematisierung der Architektur sprechen.« Das Gebäude sollte von keinem Geringeren als Marc Rothko mit großformatigen Malereien ausgestattet werden. Als Rothko erfuhr, dass seine Bilder in einem Luxusrestaurant im Gebäude aufgehängt werden sollten, zog er sich vom Auftrag zurück.


612 Le Corbusier; SM

Mies van der Rohes letztes Werk wurde ein Auftrag aus der Heimat: der 1968 fertiggestellte (an der Eröffnung konnte er bereits nicht mehr teilnehmen) große Pavillon der Nationalgalerie in Berlin.

Kunstphilosophie und Ästhetik

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