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3.2.2. John Dewey

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1859 wurde in Burlington (Vermont) John Dewey in ein streng puritanisches Umfeld hineingeboren. Er wurde Philosoph und Psychologe, der zuerst an Hegels Idealismus, dann, etwa ab der Jahrhundertwende, an empirischen Methoden orientiert war. Er lehrte drei Jahrzehnte an der Columbia University in New York. Eines seiner philosophischen Anliegen war, die alte spekulative Philosophie pragmatischen Kriterien zu öffnen. Als Theoretiker des Pragmatismus wurde er in der Philosophiegeschichte bekannt. Das menschliche Handeln trat gegenüber Spekulationen in den Vordergrund der Betrachtung.

Pragmatismus und ästhetische Erfahrung

Wollheim 1968, 99

X.3.4.

X.1.4.ff.

Bei diesem Pragmatismus setzen auch Deweys Überlegungen zur Kunst an. Kunst werde sowohl in den theoretischen Überlegungen als auch in der Praxis vom Alltagshandeln des Menschen ausgelagert. Jede ästhetische Erfahrung wurzelt jedoch im Alltag. »Niemand hat die Abhängigkeit der Kunst und unserer Wertschätzung der Kunst von der Lebenserfahrung beharrlicher behauptet als John Dewey.« Deweys Alterswerk Art as Experience (1934), eine Sammlung von einschlägigen Vorlesungen, benennt sein Anliegen. Er steht gegen eine reine Zeichenhaftigkeit der Kunst, gegen den in der europäischen Kunstphilosophie vorherrschenden Idealismus und deutet sie als konkrete Erfahrung. Das Buch erschließt eine in der Alltagserfahrung geerdete Kunstphilosophie und es bietet damit viele Anregungen für das, was man als ästhetische Erfahrung bezeichnet. Erfahrungen können abstumpfen, sie können auch zu einer inkohärenten, nur mehr mechanischen Abfolge auseinanderfallen. Demgegenüber bleibt es wichtig, dass Erfahrungen sich verändern, aber trotzdem einen Zusammenhang aufweisen. In besonderer Weise gelinge dies in der Kunst. Kunstrezeption basiere auf elementaren physischen Voraussetzungen (basic vital functions) und auf der Kantischen Bestimmung, dass das ästhetische Urteil auf Erfahrung beruhe und ohne Begriff sei.

Bertram 2005, 195

Für Dewey bilden ästhetische Erfahrungen keine eigene Klasse von Erfahrungen, sondern sie sind eine Steigerung (und eine Ordnung) von Aspekten, die auch andere Erfahrungen auszeichnen. »In der Erfahrung von Kunst machen wir, so gesehen, Erfahrungen mit unserem sonstigen Erfahren.«

Jackson 1998, 109

Heininger Jörg in ÄGB I, 366

Dewey 1934, 22

Ästhetische Erfahrungen, also Erfahrungen mit Kunstwerken, sind demnach nicht von den Alltagserfahrungen getrennt, sondern stehen mit ihnen in Zusammenhang. Aber sie sind besonders intensiv, können das Leben verändern und sich zu sich selbst finden lassen. Selbstredend sind solche Erfahrungen von Rezipient zu Rezipient verschieden: »[…] the same art object may strike different people differently. Not everyone is moved to epiphanic heights by the same object. Some may never have such an experience.« Ästhetik ist für Dewey eine Art Sozialwissenschaft, »deren Erfahrungsbereich und Gegenstand neben der Kunst vor allem die in sich differenzierte Gesamtheit der sozialen Lebenswelt ist.« Zum Unterschied von der Wissenschaft beziehe sich Ästhetik auf Ganzheit. In einer an Platons Demiurgen-Paradigma erinnernden Überlegung verweist Dewey auf die rhythmischen Prozesse in der Natur, die in der Alltagserfahrung disparat verlaufen, in der Ästhetik jedoch zu einer Einheit harmonisiert werden. »Immer wenn ein stabiles, wenn auch in sich bewegliches Gleichgewicht erreicht wird, entsteht Form.«

Kunstwerkbegriff

Ullrich Wolfgang in ÄKPh, 217

Jackson 1998, 33

Dewey 1934, 159; im Orig. kursiv

Schneider 1996, 225

Sein Kunstwerkbegriff, den er hauptsächlich über den Kunstsammler Albert Coombs Barnes vermittelt bekam, bewegt sich dabei in bekannten Bahnen. Kunstwerke weisen eine Verbindung von Form und Material auf, sie sind physische Objekte. Die geschichtliche Veränderung der Kunst gibt es, »weil immer wieder neue Erfahrungen als relevant auftauchen, die nach Ausdruck verlangen und so neue Techniken – bzw. einen neuen Stil – provozieren.« Auch kommt dem Kunstwerk eine pseudo-anagogische Funktion zu, indem es durch seine Einheitlichkeit die Rezipientin aus der Verhaftung der Alltagserfahrung mit ihren Beschränkungen befreit und ihr eine neue Wahrnehmung ermöglicht. »The arts do more than provide us with fleeting moments of elation and delight. They expand our horizons. […] They teach us new ways of thinking, feeling, and perceiving.« Kunst ist für Dewey »das Wirken jener Kräfte, die die Erfahrung eines Ereignisses, eines Objekts, einer Szene oder Situation zu ihrer eigenen, integralen Erfüllung bringen.« In dieser Weise erhält Kunst eine moralische Dimension und werde zur Schule der Toleranz und Weltoffenheit, eine viel bessere, als dies jede philosophische Theorie leisten könnte. Solche Ansichten machte Deweys Buch für Künstler der Moderne, namentlich die Vertreter des Abstrakten Expressionismus, attraktiv, sodass man Dewey sogar als »theoretischen Lehrmeister der amerikanischen Avantgarde-Künstler […]« bezeichnen kann.

Ebd., 218

Das mag erstaunen, ist doch, allem Pragmatismus zum Trotz, die anagogische Ambition der Vertreter dieser Schule durchaus alteuropäisch. Was aber faszinierte, war sozusagen die metaphysikfreie Anagogie und die Ausgangsbasis der konkreten Erfahrungswelt. Ästhetische Erfahrung wird hier zu einer »Erhöhung des Lebensgefühls.« Deshalb darf Kunst nicht bloß individuelle Befriedigung bieten, was Dewey Kritik an bisherigen subjektivistischen und elitären Kunsttheorien üben lässt, wo er eine isolierte Konzentration auf Künstler oder Rezipientin sah.

Kunstphilosophie und Ästhetik

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