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2.3.3. Frank Lloyd Wright

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Das Ringen um eine architektonische Identität in den Vereinigten Staaten erhielt eher als durch das Hochhaus eine Antwort durch Architekten-Handschriften wie jene Frank Lloyd Wrights, die vom Einfamilienhaus bis zur Stadtplanung reichte. Der 1867 in Wisconsin geborene Wright gilt als einer der wichtigsten Wegbereiter der neuen Formensprache. Durch seinen Vater, der als Pfarrer und Musiklehrer fungierte, und seine Mutter, die Lehrerin war, kam er mit der Musik Bachs und Beethovens und mit Schiller, Goethe und Shakespeare in Berührung. Weil ihr Sohn in das Zeichnen und Entwerfen vernarrt war, fädelte die Mutter als handgreiflichen Ausgleich sommerliche Aufenthalte auf der Farm seines Onkels ein, wo er intensiv die Natur erlebte, was ihn nach eigener Aussage nachhaltig geprägt hat.


610 Frank Lloyd Wright

Der Autodidakt trat 1888 in das Büro von Louis Henry Sullivan und Dankmar Adler in Chicago (Adler&Sullivan) ein. Er scheint ein offener Geist gewesen zu sein, der vom Funktionalismus über die Arts and Crafts-Bewegung, die Gedanken Viollet-le-Ducs und John Ruskins, bis zur japanischen Formensprache alles in sich aufsog. Ab 1896 hatte Wright, der im Streit über Arbeitsbedingungen nach sieben Jahren aus dem Büro Sullivans geschieden war, sein eigenes Büro in einem Vorort von Chicago.

Wohnhäuser

Wright, zit. nach Partsch 2002, 201

Wright, zit. nach Pfeiffer 1991, 21

Wright war der einzige unter den Architekten der Moderne, der in erster Linie Wohnhäuser baute. Als seine erste bedeutende Serie entstanden zwischen 1900 und 1910 die Präriehäuser. Die Planung der Häuser reichte nach den erwähnten Vorbildern bis zur Inneneinrichtung. »Selbst die Stühle und Tische, Schränke und sogar die Musikinstrumente – wo es sich durchführen läßt – gehören zu dem Gebäude selber, sie sind niemals Einrichtungsstücke, die nur hingestellt werden.« Wrights Häuser fügten sich in die Natur ein, sie bestanden aus lokalen Materialien und dienten dem Individualismus ihrer Bewohner in der außerordentlichen Landschaft. »Die Prärie hat eine ganz eigene Schönheit. Wir sollten diese natürliche Schönheit, die ruhige Weite erkennen und betonen. Daher die flach geneigten Dächer, die niedrigen Proportionen, die ruhigen Silhouetten, die gedrungenen, massigen Kamine und schützenden Überstände, die niedrig gesetzten Terrassen und die vorgezogenen Mauern, die kleine Gärten abgrenzen.«

Kretschmer 2013, 64

Wright, zit. nach Pfeiffer 1991, 27

Anders als bei Mies van der Rohe kannte Wrights Haus ein Zentrum. Der Kamin war der Mittelpunkt des Hauses. »Die symbolische Bedeutung von Wärme, Herdfeuer spielte dabei eine große Rolle.« Abgesehen von diesem Zentrum entwarf er das Haus in einem für die Moderne wichtigen offenen Grundriss. Dieser war ein zentrales Element auf dem Weg in die Moderne. Durch ihn gelang die »Zerstörung der Kiste« in der Architektur, wie er das ausdrückte: »[…] der umschlossene Raum wurde zur Realität des Gebäudes.« Es ging ihm sozusagen um die Befreiung des Inneren vom Äußeren. Das hatte zur Folge, dass die Mauern nicht mehr tragend ausgeführt wurden. Sie wichen Wandschirmen, die traditionell mit festem Mauerwerk oder transparent mit Glas ausgeführt werden konnten. Die statische Seite übernahmen die Stützen hinter den Mauern. Dieses Prinzip wurde von Mies van der Rohe noch konsequenter weitergeführt, namentlich in den Hochhausbauten mit Stahlgerüst und vorgehängten Fassaden. 1892 hatte Louis Sullivan einen Traktat Das Ornament in der Architektur herausgebracht, in dem er einem ausgewogenen Verhältnis von Konstruktion und Außenhaut das Wort redet.

Schlemmer, zit. HW, 400

Für Oskar Schlemmer war der Typus des Landhauses von Wright ein »grandioses Beispiel« für eine Architektur »aus dem Geist der Sachlichkeit heraus, ohne große künstlerische Ambition.« Eine ausgedehnte Europareise von 1909 bis 1911 hatte Wright in Europa früher bekannt gemacht als in Amerika und inspirierte Architekten wie Peter Behrens, Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe.

Kretschmer 2013, 67

Wright war fasziniert von der Einheit der Architektur in der Renaissance, die in der weiteren Entwicklung seiner Meinung nach verloren gegangen sei. Auch für die Gotik empfand er Sympathie, weil er sie von der Naturmetaphorik her las. Sie sei ein Niederschlag einer organischen und naturbezogenen Architektur. »Organische Architektur im Sinne Wrights sieht bei aller Abstraktion ein Haus in Analogie zum menschlichen Organismus oder zum Wachsen eines Baumes.« Genau eine solche organische Architektur wollte er realisieren, nicht im Sinn einer Biomorphie, sondern im Sinne eines Landschafts- und Menschenbezugs. »Vor fast 100 Jahren schon hat Wright in der Architektur Lösungen angeboten, die zeigen, wie man in Harmonie mit der Umwelt leben kann. Aber nicht aus Angst heraus, sondern aus tiefverwurzelter Liebe zur natürlichen Schönheit und aus der Überzeugung, daß die Menschen, wenn man sie wieder in das Gefüge der Natur einbindet, mit Zustimmung reagieren und spirituell wachsen werden.«

Pfeiffer 1991, 33

Tavares 2016, 361

Für den Bau präferierte Wright sowohl die natürlichen Materialen, Ziegel, Holz, Stein, wie die modernen: Beton, Glas, Stahl. Dazu war er Vorreiter der Vorfabrikation, um die Kosten beim Hausbau in Grenzen zu halten. Die Verbindung von industriellen und natürlichen Materialien gelang Wright (wie auch anderen Architekten der Zeit, etwa Oscar Niemeyer) problemlos. Diese Wertschätzung des Alten und Neuen zeigte sich auch bei einer Liebhaberei Wrights, dem Druck von bibliophilen Architekturbüchern. 1898 betätigte er in der Garage eines Freundes händisch die Presse, um (zusammen mit William Channing Gannett) Ausgaben von The House Beautiful anzufertigen, wobei sich Industriepapier mit echter Handarbeit paarte. »To Wright, such a partnership between industry and craftsmanship was a cherished ideal.«

Wright, zit. nach Benevolo 1960, 293

Eines seiner Grundprinzipien war die Unabhängigkeit der Architektur »von jeder von außen kommenden Auflage, woher auch immer sie kommen mag […].« Das hieß vor allem »Unabhängigkeit von jedem – alten oder neuen – Klassizismus und jeder Anbetung der ›Klassiker‹; Unabhängigkeit von jeder kommerziellen oder akademischen Norm, die ›das Leben kreuzigt‹.«


611 Haus Fallingwater von Frank Lloyd Wright (1939)

In den Zwanzigerjahren wurden seine Häuser schwerer und kompakter, auch monumentaler. Sie standen in anderen Gegenden als in der Prärie oder in der Wüste, deren Landschaft flache Formen verlangt. Er griff jetzt verstärkt auf Industrieprodukte wie den Stahlbeton zurück. Das berühmteste Beispiel dafür ist das Haus Fallingwater (1937) in Pennsylvania. Es handelt sich um ein kraftvolles Haus, das aber seine organische Komponente deswegen nicht verloren hat: »Sowohl von der Raumkonstruktion als auch vom optischen Einbinden in die Natur entspricht Fallingwater trotz fast kubistischer Formensprache und rationaler Bauweise dem Konzept Wrights von einer organischen Architektur.«

Kretschmer 2013, 187

Zwar war Wright durch und durch Praktiker, aber er legte in zahlreichen Schriften auch theoretische Reflexionen über sein Tun nieder. Die Quintessenz dabei war die positive Haltung zu Maschine und Industrie. Wie für Le Corbusier und die späteren Futuristen waren für ihn Maschinen, Motoren und Schlachtschiffe die Kunstwerke des Jahrhunderts. Seine erste theoretische Schrift artikuliert diese Maschinenästhetik ausdrücklich: The Art and Craft of the Machinell (1903). Es ging darin auch um die im Deutschen Werkbund umstrittene Zusammenarbeit mit der Industrie.

Ab 1936 baute er die sogenannten Usonian Houses. Der Begriff bezeichnet die Häuser eines visionär erdachten zukünftigen, egalitären und mobilen Amerika. Es handelt sich um Häuser, die er mit kleinen Gärten zu einer Einheit verband, was ein nachhaltiger Beitrag zum low cost housing wurde. Die Auflösung aller Widersprüche in einer solchen Einheit bezeichnete er als organisch, und diesem Ziel habe sich die Architektur zu stellen.

Ebd., 189

Ein grandioser Solitär ist das 1959 fertig gestellte Solomon R. Guggenheim Museum für Moderne Kunst in New York, wo durch seine Spiralform die »vierte Dimension, das Kontinuum der Zeit und der offene Raum [sind] bestechend umgesetzt« sind.

Stadtvision

Kruft 1985, 495

In mehreren, praktisch gleichlautenden Büchern legte Wright seine philosophische Position zur Stadt nieder, die sich um vier Prinzipien rankte: organisch, dezentral, integrativ, demokratisch. Die Städte sollten naturnah dezentralisiert werden, sodass jedem Bewohner ein Stück Land zur Verfügung stand. Er schuf dazu 1935 ein großes Modell: Broadacre City. »Broadacre City soll eine Synthese zwischen Maschinendesign, Präfabrikation, Dezentralisation unter Wahrung der desirable features of the city und Freiheit von Grund und Boden herstellen. […] Broadacre City ist für ihn architektonisch realisierte Demokratie.«

Wright, zit. nach Pfeiffer 1991, 37/39

Wie beim französischen Architekten und Anhänger von Proudhons Sozialismus, Tony Garnier, hatte auch bei Wright die Architektur eine eminent pädagogische Funktion. Ihr Ziel bleibe die Verbesserung des Menschen, was in der Folge – so weit ging der ideologisch unterfütterte Optimismus – sogar Gefängnisse überflüssig mache. Die Hoffnung auf diese heilsame Wirkung von Architektur lastete auf der Beziehung zur Natur, im Speziellen zu Sonne und Licht: »Ich habe mich ständig auf eine ›humanere‹ Architektur bezogen […] Wie das Sonnensystem nach Lichtjahren berechnet wird, so soll das innere Licht das sein, was wir als Menschlichkeit bezeichnen. […] Das Sonnenlicht verhält sich zur Natur wie jenes innere Licht zum Geiste des Menschen: Menschenlicht.«/»Es gibt nicht Höheres im menschlichen Bewußtsein als Strahlen dieses inneren Lichtes. Wir nennen sie Schönheit. Schönheit ist nur der Schein des Lichtes im Menschen – der Glanz der hohen Romantik seines Menschtums, so wie wir wissen, daß Architektur, Kunst, Philosophie und Religion romantisch sind. […] Dieses innere Licht bürgt dafür, daß des Menschen Architektur, Kunst und Religion eins sind – seine Symbole.«

Kruft 1985, 499

Zwar bildete Frank Lloyd Wright trotz vielfältiger Ausstrahlung in die ganze Welt keine Schule im engeren Sinn, doch die Bedeutung seiner Architektur war groß und sie lag vor allem darin, dass er »Technologie mit ständigem Rückbezug auf das Natürliche, das Organische und Humane verband.«

Kunstphilosophie und Ästhetik

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