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Rom, die Millionenstadt der Antike

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Im folgenden wird auf Rom eingegangen, nicht nur weil hier mit Abstand die größte Zahl an Bauresten einschließlich der Stadtmauer aus aurelianischer Zeit erhalten ist, sondern weil diese Millionenstadt der Antike eine Reihe von Phänomenen aufweist, welche zu einem Vergleich mit der Gegenwart auffordern (Abb. 1.5).

Ausgegangen sei von dem faszinierenden Dualismus einer enormen staatlichen Investition in die technische Infrastruktur der Stadt und des rentenkapitalistischen Prinzipien folgenden Mietwohnungsbaus. Dabei wurde auf die Anlage der technischen Infrastruktur von Wasserleitungen und Abwasserkanälen ebenso Wert gelegt wie auf die öffentliche Vorsorge für die Verproviantierung der Millionenstadt. Der Staat war sehr effizient in Aufbau und Erhaltung einer städtischen Infrastruktur. Insgesamt ist der technische Standard der Städte des Römischen Reichs erst wieder am Ende der Gründerzeit erreicht worden, nicht erreicht wurde bis heute der luxuriöse Standard des Wohnens in der Villenkultur. Andererseits überließ man die Wohnbautätigkeit dem Rentenkapitalismus. In der Wohnungswirtschaft standen einander drei Parteien gegenüber: die Eigentümer, die Mieter und die Verwalter. Die Mietshäuser befanden sich in Händen einer zahlenmäßig kleinen Hausbesitzerschicht. Diese bediente sich zur Vermietung der Wohnungen einer speziellen Gruppe von Pächtern, die gegen Abführung eines vertraglich vereinbarten Pachtzinses an den Eigentümer die Wohnungen mit einem entsprechenden Aufschlag weitervermietet haben. In der Ausbildung dieses gesamten Pacht- und Mietsystems entstanden recht komplexe mehrschichtige Strukturen der Weitervermietung und Untervermietung. Alle Schattenseiten unkontrollierter Bauqualität und einer rentenkapitalistischen Wohnungswirtschaft konnten sich aufgrund der enormen Nachfrage nach Wohnungen entwickeln. Dementsprechend erreichten die Mieten vor allem im Zentrum des antiken Rom Höhen, die mit denen in modernen Weltstädten vergleichbar sind. Bereits zur Zeit von Julius Cäsar mußte man für die bescheidenste Wohnung 2000 Sesterzen im Jahr bezahlen, einen Betrag, für den man in der Provinz einen Bauernhof kaufen konnte.

Die Eintragungen in den Grundbüchern weisen in bezug auf den Wohnhausbestand Roms gegen Ende des 3. Jh.s n. Chr. folgende Häuserzahlen aus: Nur 1790 Objekte waren ein- oder zweistöckige Einfamilienhäuser (sogenannte domus), dagegen 44 300 insulae, d.h. mehrgeschossige Mietshäuser, eine doch recht beachtliche Zahl, so daß bei der geschätzten Einwohnerzahl von Rom von rund 1 Mio. im Durchschnitt nur wenig mehr als jeweils 20 Personen in derartigen Mietshäusern gewohnt haben dürften. Rom war zur Kaiserzeit eine Mietshausstadt par excellence, allerdings kann nicht davon die Rede sein, daß es eine Mietskasernenstadt gewesen ist.

Zur Zeit des Höhepunkts des Römischen Reiches war Rom in eine Vielzahl von sozialräumlichen Vierteln gegliedert. In diese Viertel hatten sich auch die sozialen Aktivitäten verlagert, zu den Bädern, Versammlungshäusern und Ladenstraßen. Plätze mit Springbrunnen und öffentlichen WC-Anlagen dienten als Treffpunkte. Damit verlor das Forum Romanum seine zentrale Bedeutung und wurde zum Standort für die Monumente und Schauplatz der Zeremonien des Kaisers. Dort besaßen freilich nach wie vor die reichen römischen Familien ihre weiträumigen, luxuriösen Wohnhäuser und wirkten über die Errichtung von öffentlichen Bauten in den öffentlichen Raum hinein. Dies galt in besonderem Maße für die Tempel, welche die Einheit von Religion und Staat auf dem Forum repräsentierten.


Abb. 1.5: Rom zur Kaiserzeit (Modell)

Wenn man heute von „Festivalisierung“ spricht und dies als neuen Trend der Städte einer postindustriellen Gesellschaft auffaßt, so sollte man die Zahlen für das antike Rom zum Vergleich heranziehen. Nahezu jeder Kaiser mußte unter dem Druck der aus allen Teilen des weiten Reichs zusammenströmenden Bevölkerung neue riesige Bauten für immer spektakulärere Massenveranstaltungen bauen. Das Colosseum faßte „nur“ 50.000 Menschen, während im Circus Maximus 250.000 Personen Platz fanden, eine Größenordnung, die seither nie mehr erreicht worden ist und vor der auch die Sicherheitskräfte moderner westlicher Staaten kapitulieren würden (Abb. 1.6). Als Zuschauer in der Arena oder im Zirkus konnten sich die Römer, geschützt durch die Anonymität der Masse, durch Applaus und Protest politisch äußern. Der Kaiser oder ein anderer Repräsentant der Macht saß sichtbar, gleichzeitig aber unerreichbar, in seiner Loge.

Das vielzitierte „panem et circenses“ bezieht sich jedoch nicht nur auf die kostenlosen öffentlichen Spektakel, sondern bedeutete auch, daß im 3. Jh. n. Chr. etwa 150.000 Personen, d.h. schätzungsweise 15 % der Bevölkerung, aus öffentlichen Geldern erhalten wurden. Überdies gab es in Rom zur gleichen Zeit die für unsere großstädtische Arbeitsgesellschaft unvorstellbare Zahl von 182 Feiertagen jährlich, an denen die gesamte Bevölkerung gratis jede Art von Veranstaltungen besuchen konnte. Die enormen Mittel der Metropole sind daraus zu entnehmen. Geld, Material und die menschliche Arbeitskraft der Sklaven kamen aus allen Teilen des Reichs für die Repräsentation und das große Spektakel der Weltstadt im Weltreich.

Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln galt ebenso wie die Organisation von zahlreichen Vergnügungen als öffentliche Aufgabe. Für den Transport von Lebensmitteln tiberaufwärts war vor der Tiberinsel ein eindrucksvolles System von Lagerhallen errichtet worden. Allein durch das Anhäufen der weggeworfenen Amphoren entstand ein beachtlicher Hügel, der Monte Testaccio.

Durch 13 Aquädukte flossen täglich 1 Mrd. m3 Wasser in erster Linie für öffentliche Anlagen, Brunnen und Thermen in die Stadt. Das entspricht etwa der Wassermenge, welche in der Donau in eineinhalb Stunden an der österreichischungarischen Grenze bei Mittelwasser durchfließt. In den Mietshäusern gab es in der Regel keine Wasserversorgung, von einigen privilegierten Hausbesitzern abgesehen (Abb. 1.7).

Der Großzügigkeit der Anlagen zur Wasserversorgung entsprach die Großzügigkeit der Abwasserbeseitigung, mit der schon früh, nämlich im 6. Jh. v. Chr. begonnen worden ist und die ständig ausgebaut und erweitert wurde. Einige der unterirdischen Abwasserkanäle waren so geräumig, daß darin zwei Heuwagen aneinander vorbeifahren konnten.

Die hohe Bevölkerungszahl und -dichte der Millionenstadt schufen jedoch auch gravierende Probleme. Erstaunlich schlecht war das Straßennetz. Die Probleme der Verkehrsüberlastung blieben ungelöst. Die Mehrzahl der Straßen waren schlichtweg nur Durchgänge für Fußgänger (itinera). Die meisten anderen Straßen waren Einbahnstraßen und boten lediglich Platz für einen Wagen (actus). Es gab nur wenige Straßen (via), welche so breit waren, daß sie einen Gegenverkehr von zwei Wagen zuließen. Das Stadtzentrum selbst wurde nur durch zwei derartige Straßen erschlossen, die Via Sacra und die Via Nova, die beide am Forum vorbeiführten. Gemäß den Zwölftafelgesetzen durften Straßen die maximale Breite von 4,80 m nicht überschreiten, nur einzelne erreichten eine Breite von 6,50 m. Die meisten Straßen hatten eine Breite von 2,90 m. Der Straßenverkehr wurde ferner dadurch erschwert, daß die Straßen unbeleuchtet waren und eine öffentliche Straßenreinigung überhaupt fehlte. Cäsar erließ strenge Gesetze, wonach die Anrainer die Straßen reinigen und instandhalten mußten. Um das Verkehrschaos etwas in den Griff zu bekommen, durften zwischen Sonnenauf- und -untergang nur Fahrzeuge zur Belieferung der Baustellen unterwegs sein. Die Folge war, daß die Mehrzahl der Wagen nachts fahren mußte, so daß die Straßen von Lärm erfüllt waren.


Abb. 1.6: Rom, Colosseum und Konstantinsbogen 1982


Abb. 1.7: Aquädukt in Segovia 1978


Abb. 1.8: Trier, Porta Nigra 1989

Vitruvs grundlegendes Werk „De Architectura“, welches zur Zeit von Kaiser Augustus geschrieben wurde, gibt uns heute noch die Grundelemente des römischen Städtebaus wieder: die Teilung in Haupt- und Nebenstraßen, die Orientierung der Straßen nach Himmelsrichtung und Windschutz, die Beschaffenheit der Baustoffe und des Mauerverbands. Vitruv verwirft den Fachwerkbau aus Gründen mangelnder Feuersicherheit. Bei Vitruv sind auch Details über den Hausbau nachzulesen.

Auf das Römische Reich gehen zwei wichtige Grundformen des Wohnbaus zurück: das Hofhaus, welches ursprünglich ein Eigenhaus war und dann im Zuge des Stadtwachstums vom Wohnhof zum Mietshaus aufgestockt und umgewandelt wurde, und die außerhalb der Stadt gelegene Villa in den zwei Ausprägungen der Villa urbana und der Villa rustica. Auf die Grundformen des Wohnbaus wird im Kapitel „Wohnraum und Gesellschaft“ ausführlich eingegangen.


Abb. 1.9: Trier, römischer und mittelalterlicher Grundriß

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