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Einleitung

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Die Fragen lauten: Welche historischen Perioden der Stadtentwicklung haben welche „Erbstücke“ hinterlassen? Welche materiellen Artefakte haben sich als gebaute Umwelt erhalten und welche in der Vergangenheit entstandenen Normen, Werthaltungen und Handlungsdirektiven wirken bis in die postindustrielle Gesellschaft hinein nach? Diese schlicht scheinenden Fragen zu beantworten ist nicht nur schwierig, sondern letztlich nur partiell möglich. Die Holzschnittmanier der idealtypischen Antwort bedient sich dabei einer auf der Abfolge von politischen Systemen fußenden Periodisierung, wobei der Hauptphase des jeweils voll entwickelten politischen Systems ein dominanter Stadttyp zugeschrieben wird. Hierbei geht es um zwei Zeiträume:

▪ die antiken Stadtkulturen, die bestenfalls Standortkontinuität, aber keine Kontinuität in den Einzelbestandteilen von Bauten und Wohnungen haben, und

▪ die europäische Bürgerstadt, welche erst nach einem umfassenden Entstädterungsprozeß entstanden ist.

Die antiken Stadtkulturen weisen zwei Ausprägungen auf: die griechische Polis und die Neugründungen des römischen Weltreichs, colonia und castrum. Zwei wesentliche Elemente der Stadt gehen auf die Antike zurück: die Monumentalität von öffentlichen Bauten und die Geometrie des Rastergrundrisses von Städten.

Der Zusammenbruch des römischen Weltreichs hat eine europaweite Entstädterung gebracht und es hat mehr als eineinhalb Jahrtausende gebraucht, bis der Stand der technischen Infrastruktur wieder erreicht worden ist. Allerdings bestand eine regional mehr oder weniger ausgeprägte Standortkontinuität von den einstigen Römerstädten zu den Bürgerstädten des mittelalterlichen Territorialstaates. Damit beginnt die europäische Stadtentwicklung. Die Bürgerstadt unterscheidet sich in mehreren wesentlichen Elementen von der Polis. Sie kennt keine Sklaven, welche ein sehr wesentliches Element der antiken Stadtkultur nicht nur im römischen Weltreich, sondern auch in Griechenland gewesen sind, und muß sich infolge der Trennung von der agraren Produktionssphäre einen virtuellen Lebensraum mittels Handel und Gewerbe schaffen. Sie lebt daher von der Erfüllung der Markt- und Produktionsfunktion.

Mit der Entwicklung von Territorialstaaten zu absolutistischen Flächenstaaten entsteht ein neuer Typus, die Residenzstadt, und mit dieser eine neue Gesellschaft: Der Adel wird in der Stadt ansässig – aus dem Landadel entsteht der Hofadel. Die Administration des Flächenstaates erfordert die Leistungen eines neuen Standes, des Beamtenstandes, der aus der Ehrenamtlichkeit städtischer Beamter im Mittelalter zu einer Profession avanciert, in der Bildung Aufstieg ermöglicht. Der Repräsentationsgedanke umfaßt das gesamte städtische System, von den Bauten bis zur Kleidung der Menschen. „Kleider machen Leute“ und „standesgemäß“ gekleidet zu sein bilden die Maximen.

Großbritannien ergriff die Führung im Liberalismus und schuf die ersten Industriesiedlungen. Mit der industriellen Gesellschaft haben sich alle bisherigen Bezüge geändert. Die Fabrik konnte in die Stadt nicht harmonisch integriert werden. Lange Zeit blieb die Frage strittig, ob man berechtigt sei, Industriesiedlungen zu den Städten zu zählen. Die ungeheuren Schattenseiten der Industrialisierung bewirkten das Entstehen einer neuen politischen Weltsicht. Die Slums der britischen Industriestädte gaben den Anschauungsunterricht für Karl Marx und Friedrich Engels.

Städtebauliche Reformideen kamen ebenfalls dort auf, wo die Desorganisation die großen Städte unüberschaubar gemacht hat – in Großbritannien. Die überschaubare Gliederung der Stadt und die Schaffung von menschenwürdigen Lebensbedingungen wurden zur Leitvorstellung für die Neue Stadt. Auch hierfür setzte erneut Großbritannien die Maßstäbe.

Das 20. Jahrhundert brachte technische Revolutionen, Hochhausbau, Autoverkehr und neue Kommunikationstechnologien. Das städtebauliche Dogma der Charta von Athen 1927 gliederte die Stadt nach den Funktionen von Arbeiten, Wohnen, Verkehr, Erholung usf. in monostrukturelle Gebiete. Die Wirklichkeit der Stadt erfuhr einen grundsätzlichen Wandel. Das Jahrtausende alte Konzept der kompakten Stadt wurde aufgegeben.

Die Stadt

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