Читать книгу In den Fängen der Stasi - Ellen G. Reinke - Страница 12

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10. Nur Staatsfeinde kehren der Partei den Rücken

Ich war ja bekanntlich Mitglied in der LDPD (Liberal Demokratische Partei Deutschlands), die als Blockpartei nach außen hin Demokratie im Sozialistischen Staat vorgaukeln sollte. In Wirklichkeit waren inzwischen alle Parteien Vasallen der SED. Die Mitgliederzahlen verringerten sich zunehmend und die LDPD kämpfte um die ihren. Was lag für die Partei näher, als eine Ärztin, die auch noch im Wohngebiet arbeitete, als Aushängeschild zu benutzen, denn das Ansehen der Ärzte war in der Bevölkerung hoch. Man bot mir eine Tätigkeit als Schöffe beim Bezirksgericht an. Für den ersten Moment fand ich das sogar toll, aber ich bat mir glücklicherweise Bedenkzeit aus, die wir für Erkundigungen nutzten. Wir erfuhren, dass man wohl sogar vorwiegend über politische Vergehen zu entscheiden hatte. Mir rutschte das Herz in die Hosentasche. Hatten sie mich jetzt?

Jo und ich berieten uns und wir kamen zu dem Schluss, dass ich es wagen könnte, aus der Partei auszutreten.

Ich nahm allen Mut zusammen und erklärte meinen Austritt schriftlich. Aber zu meinem Erstaunen gab man mir das Schreiben zurück. Aus einer politischen Partei auszutreten, sei so etwas wie eine Kriegserklärung, nach dem Motto: „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“. Man empfahl mir, ich sollte mir das reiflich überlegen. Aber diese Empfehlung war eher eine Drohung.

Jo und ich diskutierten lange. Schließlich ermunterte er mich und gab mir Kraft, indem er sagte: „Was hast du schon, das sie dir wegnehmen können.“ Jo würde zu mir halten. Meine Tochter konnten sie mir nicht wegnehmen, vielleicht meinen Job, aber bei dem Ärztemangel war das eher unwahrscheinlich. Zu viele Ärzte waren aus der DDR geflüchtet.

Ich blieb dabei. Nun sollte eine Aussprache stattfinden, mit dem Vorsitzenden der Wohngebietsgruppe. Als ich zum vereinbarten Termin erschien, staunte ich nicht schlecht. Letzterer war wohl anwesend, aber noch vier weitere Personen, die ich nicht kannte. Und ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass sie sich mir vorgestellt hätten. Da saß ich nun, ich armes Würstchen, ganz allein den fünf Geschulten gegenüber. Ich versuchte, mich so wacker wie möglich zu schlagen.

Zunächst fragte ich, ob es denn verboten sei, auszutreten, ich sei ja auch freiwillig eingetreten. Natürlich war es das nicht, aber warum ich dies wolle. Der Ton war höflich. Ich versuchte, meine Situation zu erklären: Mein Ehemann war in einer verantwortungsvollen Position und mit einer außerplanmäßigen Aspirantur befasst. Die vielen zusätzlichen Nachtdienste in meinem Vollzeitjob und außerdem ein Kind, das ja schließlich auch Zuwendung brauchte, nahmen meine Zeit über alle Maßen in Anspruch. Für politische Aktivitäten bliebe da kein Freiraum mehr. Man signalisierte mir Verständnis, ich müsse ja nicht unbedingt kandidieren. Ich versuchte, der Schlinge zu entkommen. Entweder richtig oder gar nicht, das sei schon immer mein Motto gewesen. Für Halbheiten sei ich nicht zu haben.

Der Ton wurde gereizter. Früher sei das ja auch gegangen. Aber da war meine familiäre Situation noch nicht so. Ich hätte mich überschätzt, ich könne das nicht schaffen. Wozu also Beitrag zahlen. Ach du meine Güte, so blöd konnte auch nur ich sein. Jetzt bot man mir an, die Mitgliedschaft ruhen zu lassen, ich brauchte mich nicht zu engagieren und keinen Mitgliedsbeitrag mehr zu bezahlen. Hatte ich alles vermasselt?

Ich blieb standhaft und erklärte immer wieder meinen Entschluss, auszutreten. Jetzt wurde nicht nur der Tonfall aggressiver. Man erklärte mich zum Staatsfeind. Das war genau das Richtige für mich. Bis dahin hatte ich sehr zurückhaltend argumentiert, eher etwas eingeschüchtert. Damit war es jetzt vorbei. Nun verlangte ich eine Erklärung, auf welcher Grundlage man mir so etwas unterstellen könne. Ich lies mir die Argumente nach dem Motto: „ Wer nicht für uns ist…“, nicht bieten.

Und dann kam, man könne mir alles nehmen. Ha, darauf hatte ich nur gewartet. Ich dachte an Jos Worte und war bestens vorbereitet. Nun verblüffte ich sie mit meiner Frage, was man mir denn nehmen wolle. Ich hätte nichts, was in ihrer Macht stünde, mir zu nehmen. Oder reiche es dazu, mir zu kündigen? Natürlich nicht, aber bei Prämien würde ich wohl zukünftig nicht mehr berücksichtigt werden. Pah, ich erklärte, wie hoch die Prämienbeträge bisher gewesen waren und meinte, auf die paar Piepen könne ich gut und gern verzichten. Das Wort „Peanuts“ war damals in diesem Sinne noch nicht gebräuchlich.

Nun kam die nächste Tour: Ich würde mir selbst meine Zukunft verbauen. Eine weitere berufliche Entwicklung sei damit ausgeschlossen, eine leitende Position würde ich nie mehr bekommen. Wie scharf ich darauf war, erfuhren sie, indem ich ihnen meine Geschichte erzählte. Wer dreimal leitende Positionen ablehnt, der verzichtet auch zukünftig gern zugunsten anderer.

Betretene Gesichter…

Ich fühlte mich fast wie ein Sieger, stolz, diese Hürde genommen zu haben, komme was wolle. Nun war ich wieder parteilos.

War die Entscheidung richtig oder falsch?

In den Fängen der Stasi

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