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Vorwort

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Die Initiative zu den im Fernsehen mehrfach ausgestrahlten Gesprächsreihen „Theologie der Zukunft“, „Das christliche Menschenbild“ und „Neue Spiritualität“ ging von Eugen Biser selbst aus.* Man kann fragen, warum ihm so viel daran gelegen war, den Raum der Universität und der Kirche zu verlassen und durch das Medium Fernsehen unmittelbar in die säkulare Welt hineinzusprechen. Die Antwort auf diese Frage eröffnet den Zugang zu Bisers Verständnis von Theologie als Reflexion auf die Selbsterschließung Gottes in Jesus Christus. Diese Botschaft richtet sich grundsätzlich an die ganze Welt, sie hat in den Schriften des Neuen Testaments in menschlichen Worten ihren Niederschlag gefunden, sie gilt universal und ist nicht auf institutionalisierte Kirchen begrenzt. Jede Form von Exklusivismus steht in diametralem Gegensatz zu der Grundbotschaft Jesu, dass Gott Liebe ist. Christsein definiert sich deshalb nicht durch die Zugehörigkeit zu einer Institution, es ist vielmehr ein Existenzmodus, ein Lebensvollzug, der sich an den christlichen Grundprinzipien „Liebe und Freiheit“ orientiert. Die Wahrheit dieser Botschaft ist der Botschafter selbst, sie hat personale Struktur und kann deshalb nur in einem Akt personaler Freiheit realisiert werden.

Im Laufe der Jahrhunderte wurde die „Wahrheit Jesu Christi“ auf den Begriff gebracht, in Sätzen formuliert und schließlich in geschlossenen Systemen als „Wahrheit des Christentums“ zur verbindlich tradierten Lehre. Dadurch verlor die christliche Botschaft ihren unmittelbaren Bezug zur Lebenswirklichkeit des konkreten Menschen.

In diesem Prozess, der auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen ist, kam es im Laufe der Christentumsgeschichte in zentralen Themenfeldern zu gravierenden und weittragenden Fehlentwicklungen, die man als Bruch mit dem Ursprung qualifizieren muss. Aus dem Gott der bedingungslosen Liebe wurde ein ambivalenter, den Menschen mit ewiger Verdammung drohender Willkürgott. Die Menschen, Töchter und Söhne Gottes, wurden zu entmündigten Exemplaren der grundsätzlich verdammten Spezies „Mensch“ degradiert. Die freie personale Entscheidung für Gott sollte durch Gehorsam gegenüber einer menschlichen Autorität, dem Papst, ersetzt und durch Angst erzwungen werden. In diesem Prozess wurde schließlich die Kirche zu einer Gemeinschaft von Ungleichen, zu einer von Rechtsstrukturen geprägten Institution, in der die Prinzipien „Liebe und Freiheit“ jede Gestaltungskraft verloren hatten.

Die offenkundige Krise des Christentums unserer Tage und damit das Versagen der christlichen Kirchen angesichts der Herausforderungen der modernen Welt haben in diesen Fehlentwicklungen ihren tiefsten Grund.

Für Eugen Biser war diese prekäre Problemlage, die er mit großer Akribie diagnostizierte, der Impuls, im Rückgriff auf den Ursprung eine Theologie für die Zukunft des Christentums zu entwerfen.

Als in sich geschlossenes System von „wahren Sätzen“ missverstanden, muss das Christentum – als Heilsgeschichte verstanden – aus der sterilen Statik einer Lehre wieder in einen dynamischen und kreativen Prozess zurückgeführt werden.

Bei der dabei erforderlichen Revision, die manche Selbstkorrektur des christlichen Glaubens erforderlich macht, tritt ein völlig neues – das ursprüngliche – Verständnis des Christentums ins Bewusstsein.

Das Christentum ist keine auf den Opfergedanken gegründete asketische und angstmachende Religion, sondern eine therapeutische Religion der Angstüberwindung. Verstehen und Verantwortung sind vom Menschen gefordert, nicht Gehorsam und Unterwerfung, insbesondere aber: Das Christentum ist eine spirituelle, mystische Religion, die sich grundsätzlich jeder Vergegenständlichung und Ritualisierung widersetzt. Alle Worte und Zeichen, auch die Riten, verweisen auf jene Wirklichkeit, die menschlichem Begreifen grundsätzlich entzogen bleibt. Verstanden als Gegenwart des Geistes, wird das Christentum jedoch – alle Grenzen übergreifend – die Grundbotschaft des Evangeliums in die Zukunft führen und diese mitgestalten.

Der damit verbundene Auftrag richtet sich an alle Menschen. Wissenschaftliche Theologie, im weitesten Sinne als Auslegung des Neuen Testamentes verstanden, ist aufgefordert, ihre Einsichten und Erkenntnisse in den Denkmodellen einer jeden geschichtlichen Epoche neu und in einer verständlichen Sprache zu vermitteln. Nur so kann die Grundbotschaft des Christentums als Antwort auf die Sinnfrage des Menschen verstanden werden. Wenn das nicht gelingt, läuft sie ins Leere.

Weil die Selbsterschließung Gottes in Jesus Christus dialogische Struktur hat, kann auch die Weitergabe dieser Botschaft nicht in Dekreten und Verordnungen geschehen, sondern nur in der Form des Dialogs. Aus diesen Überlegungen heraus wollte Eugen Biser den notwendigen theologischen Neuansatz in der Form eines Gesprächs vorstellen. Um die Lebendigkeit und Spontaneität des Dialogs – der während der Aufnahmen durchaus unvorhergesehene Wendungen nehmen konnte – zu vermitteln, wurde auch für die Drucklegung auf eine systematische Durcharbeitung verzichtet.

Für das Lektorat und den Satz danken wir den Mitarbeiterinnen der Stiftung Frau Dipl.-Theol. Anna Petrova und Frau Angela Stüber M. A., für die umsichtige Betreuung vonseiten des Verlages Frau Susanne Fischer.

Das Erscheinen dieses Buches wird durch Freunde der Eugen-Biser-Stiftung ermöglicht, die namentlich nicht genannt werden möchten. Wir sind ihnen von Herzen dankbar.

München, im Oktober 2018 Richard Heinzmann

* Die Fernsehgespräche zwischen Eugen Biser und Richard Heinzmann sind im Internet dauerhaft beim Bayerischen Rundfunk unter www.br.de abrufbar.

Zukunft des Christentums

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