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1. Die Kollektenthematik im Kontext des Apostelkonvents

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Der lukanische Bericht über den ApostelkonventApostelkonvent (Apg 15,1–35$Apg 15,1–35) erwähnt im Zusammenhang der Beschlüsse eine Kollektenvereinbarung nicht, wohl aber ein den Gemeinden in Antiochia, Syrien und Kilikien in Briefform vorgelegtes AposteldekretAposteldekret, welches den Heidenchristen die Enthaltung von Götzenopfer, Blut, Ersticktem und Hurerei auferlegt (Apg 15,23–29). Paulus hingegen hält als Beschlusslage die Aufteilung der Missionsgebiete fest und spricht das ihm und Barnabas anempfohlene Gedenken an die Armen an, das nach Gal 2,6 allerdings keinesfalls als Vereinbarung des Konvents verstanden werden darf. Die Differenzen können nicht einseitig entweder Paulus oder Lukas als absichtliches Verschweigen oder als bewusstes Ersetzen des Beschlusses durch einen anderen angelastet werden. Die Sachlage stellt sich weitaus komplizierter dar. Es wird erwogen, ob das Aposteldekret etwa ursprünglich nicht mit dem Apostelkonvent zu verknüpfen ist, sondern in der Folge des antiochenischen Konflikts oder gar als dessen Auslöser1 von den Jerusalemer Aposteln und Ältesten ausgegeben wurde. Die Nichterwähnung des Dekrets in Gal 2,1–10$Gal 2,1–10 wäre dann nachvollziehbar und mit dem emphatischen ἐμοι γάρ οἱ δοκοῦντες οὐδὲν προσανέθεντο (Gal 2,6) in Einklang zu bringen, wiewohl gleichzeitig eine Kenntnis dieses Dekrets, unbeschadet auch weiterer Nicht-Erwähnung in den Briefen, indirekt von einigen Forschern erschlossen wird.2

Es ist zweifelhaft, ob es jemals einen formalen Beschluss auf dem Apostelkonvent zur Durchführung einer Kollekte in den heidenchristlichen Gemeinden für die Armen in Jerusalem gegeben hat. Dies wird weder in Apg 15,1–35 bzw. in der weiteren Apostelgeschichte gesagt noch in Gal 2,1–10 vorausgesetzt. Keine einzige Erwähnung der Kollekte in den paulinischen Briefen bezieht sich auf einen solchen Beschluss. Röm 15,26 spricht vielmehr von einem Vorsatz der Gemeinden in Makedonien und in der Achaia, eine Sammlung für die Armen unter den Heiligen in Jerusalem durchgeführt zu haben. Dies sei, so 2Kor 8,3f., freiwillig geschehen und stelle allenfalls einen Gehorsamsakt gegenüber dem Evangelium Christi dar (2Kor 9,13), nicht aber gegenüber einem zurückliegenden Beschluss.

Es ist zudem durchaus fraglich, ob Gal 2,10$Gal 2,10 die aufgebürdete Beweislast für einen formalen Beschluss tragen kann. Die nach dem paulinischen Bericht getroffene Übereinkunft zwischen einerseits Jakobus, Kephas und Johannes, den Säulen also, und andererseits Paulus und Barnabas sieht eine Trennung der Missionsgebiete „wir zu den Heiden, ihr zu der Beschneidung“ vor und fügt einleitend mit μόνον einen Nachsatz an, demzufolge sich Paulus und Barnabas verpflichten, der Armen zu gedenken. Diese Übereinkunft ist in allen ihren Teilen undeutlich. Die Aufteilung der Mission in eine reine Heidenmission und eine reine Judenmission ist praktisch unmöglich und ist auch sowohl von Petrus als auch von Paulus als Vertragspartnern des Apostelkonvents nach Auskunft der Quellen nie durchgeführt worden. Der Hinweis auf die Kollekte spricht zunächst eine Erwartung sowohl an Barnabas als auch an Paulus als den antiochenischen Delegaten auf dem Konvent aus, jedoch betont Paulus in einem weiteren Nachsatz, dass er dieser Erwartung nachgekommen sei. Ob auch Barnabas, dessen Mission im Anschluss an den Apostelkonvent getrennt von Paulus verlief, seinerseits im Anschluss an den Konvent eine Kollekte gesammelt hat, bleibt offen.

Kann μόνον τῶν πτωχῶν ἵνα μνημονευώμεν dahingehend aufgenommen werden, dass hiermit auf eine auf dem Konvent erstmals beschlossene und von beiden Vertragsparteien per Handschlag (Gal 2,9) besiegelte Aktion zugunsten der Urgemeinde angespielt wird? Paulus leitet mit μόνον einen Satz ein, dessen betontes Glied, die Armen, vor den mit der Konjunktion ἵνα eingeleiteten Wunsch tritt. Dieser Wunsch steht nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu dem vorausgehend genannten Beschluss und dem angesprochenen Handschlag, sondern stellt eine eigene Aussage dar.3 Sie bezieht sich auf Paulus und Barnabas als Delegaten der antiochenischen Gemeinde und erwartet in der Zeitform Präsens ein fortwährendes Gedenken Antiochias an die Armen unter den Christen in Jerusalem, wohingegen Paulus in dem angeschlossenen Nebensatz in der Zeitform Aorist ausschließlich für sich auf eine zurückliegende Ausführung verweisen kann. Die Interpretation des Konj. Präs. μνημονευώμεν ist in der Forschung mit Recht in dem Sinne vorgelegt worden, dass in ihr die Fortführung einer bereits begonnenen Handlung auch in der Zukunft angesprochen werde. Das stärkste Argument für diese Auslegung auf der Ebene des Berichts der Apostelgeschichte war zugleich ihr stärkstes Gegenargument. Apg 11,27–30$Apg 11,27–30 und 12,25$Apg 12,25 sprechen zwar von einer von Barnabas und Paulus wiederum als Delegaten der antiochenischen Gemeinde durchgeführten und in Jerusalem abgelieferten Kollekte vor dem Apostelkonvent. Insofern könnte die Abmachung, auch zukünftig für die Jerusalemer Urgemeinde einzutreten, auf diese zurückliegende Unterstützung blicken und den Wunsch nach zukünftiger Unterstützung (Gal 2,10a) in diesen Kontext einreihen. Gegen diese Lösung spricht für einen Teil der Forscher allerdings4, dass Gal 1,18–2,1 zwischen dem ersten Besuch des Paulus bei Petrus in Jerusalem (vgl. auch Apg 9,26) und dem Apostelkonvent keinen weiteren Jerusalembesuch erwähnt. Es muss also gefragt werden, ob die lukanischen Aussagen die Annahme einer antiochenischen Kollekte zeitlich vor dem Konvent rechtfertigen und wie ggf. das Fehlen der Erwähnung eines diesbezüglichen Jerusalembesuchs in Gal 1 bewertet werden kann.

Wenn Gal 2,10$Gal 2,10 nicht auf einen Beschluss des Konvents rekurriert oder gar, wie Dieter Georgi vorgeschlagen hat, „ein wesentlicher Bestandteil des verfassungsartigen Vertrags zw. der Antiochener Christusgemeinde und ihrer Schwestergemeinde in Jerusalem war (frgm. in Gal 2,9f. erhalten)“5, sondern sozusagen die Selbstverpflichtung der beiden Apostel als antiochenischer Delegaten erwähnt, auch weiterhin für die Armen unter der Jerusalemer Urgemeinde einzutreten, dann wird die Nicht-Erwähnung einer Kollekte in Apg 15 ein geringeres Problem als etwa die Nicht-Erwähnung des Aposteldekrets in Gal 2. Ein Zweites ist in diesem Zusammenhang anzusprechen. Paulus mag im Rückblick in Gal 2,10a die von ihm und Barnabas übernommene Verpflichtung zu einer Kollekte für die Jerusalemer Gemeinde ursprünglich noch in einer Linie mit der antiochenischen Kollekte gesehen haben. Faktisch wird der Zeitpunkt der Übergabe der Kollekte nach ca. 9 Jahren nicht mehr mit den Absprachen des Konvents auszugleichen sein. Vor allem aber bewegt sich die paulinische Interpretation der Kollekte in den genannten Briefen in eine völlig andere Richtung, so dass man gut daran tut, zwischen der antiochenischen Kollektenaktion vor dem Konvent, auf die Paulus sich rückblickend in Gal 2,10a noch bezieht, und der paulinischen Kollekte nach dem Konvent einen scharfen Schnitt zu setzen.6

Würden wir ausschließlich auf Gal 2,10$Gal 2,10 blicken, so könnte man sich dieses Denken an die Armen auch in einem umfassenderen Sinn, etwa zugleich als spirituelle und ideelle Ausrichtung auf die Urgemeinde, vorstellen.7 Jedoch wird durch den paulinischen Sprachgebrauch in seinen Erwähnungen der Kollekte deutlich (vor allem 2Kor 8,13f.; 9,12; Röm 15,26), dass die materielle Unterstützung der Ausgangspunkt bleibt, wenngleich andere Interpretationen zunehmend wichtig werden.8 Diese gipfeln in der Vorstellung einer Schuldnerschaft der Heidenchristen in materiellen Gütern gegenüber der Urgemeinde, an deren geistlichen Gütern die Heidenchristen teilhaben (Röm 15,27; vgl. aber bereits die Vorstufen in 2Kor 8,14; 9,13f.).9 Auch die jetzt zu behandelnden Texte in der Apostelgeschichte, die nach meiner Einschätzung in die Vorgeschichte und in die Anfänge der antiochenischen KollekteApostelkonvent gehören, verweisen auf diesen sozialen Ausgangspunkt, der allerdings auch hier nie frei ist von zusätzlichen Aspekten und Interpretationen.

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