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4. Die Kollektendelegation der makedonischen und achaischen Gemeinden

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Röm 15,26$Röm 15,26 blickt auf den Abschluss der Kollekte in Makedonien und Achaia zurück. Daher ist jetzt (νυνί Röm 15,25) der Zeitpunkt ihrer Übergabe an die Armen unter den Heiligen in Jerusalem gekommen. Nach 1Kor 16,1–4$1Kor 16,1–4 ist eine Beteiligung des Paulus an der Kollektenreise noch ungewiss. Paulus erwägt, mit Empfehlungsbriefen ausgestattete Vertrauensleute zu entsenden, gegebenenfalls aber selber diese Delegation anzuführen. In 2Kor 8,19$2Kor 8,19 wird ein namentlich nicht genannter Bruder zur Übergabe der Kollekte neben Paulus und Titus erwähnt, der von den Gemeinden dazu bestimmt wurde. Damit kommt an dieser Stelle erstmals der Gedanke einer von den Gemeinden autorisierten Kollekte in den Blick. Die Verantwortlichkeit für die Kollekte ist deutlich von Paulus als dem Vermittler auf die Gemeinden als die Gebenden übergegangen. Dies findet seinen klarsten Ausdruck in der Zusammenstellung einer KollektendelegationKollektendelegation, die aus Apg 20,1–6$Apg 20,1–6 erschlossen werden kann, wenngleich auch dieser Text die Kollekte explizit mit keinem Wort erwähnt. Die in beiden Texten vorausgesetzten identischen äußeren Umstände rechtfertigen, Röm 15 und Apg 20 aufeinander zu beziehen.1 Paulus schreibt den Römerbrief in Korinth (Röm 16,1f.21–23; Apg 20,3) und steht unmittelbar vor der Abfahrt nach Jerusalem (Röm 15,25f.; Apg 20,3). Unter den Grüßenden begegnen in Röm 16,21 zwei Namen, die nach Apg 20,4 zu derjenigen Kollektendelegation zählen, die kurz vor der Abreise von Korinth nach Syrien genannt wird. Diese beiden Personen, So(si)pater und Timotheus, sind in Röm 16,21 allerdings nicht explizit als Reisebegleiter ausgewiesen.

Dietrich-Alex Koch hat die Vermutung ausgesprochen, dass Lukas in Apg 20,5–21,17 einer Quelle folgt, die sich durch die außergewöhnliche Präzision der in ihr enthaltenen Reisestationen und den in 20,5 einsetzenden Wir-Stil auszeichnet. Als lukanische Einschübe werden u.a. Apg 20,7–12.18–35 bewertet. Koch rechnet jedoch auch 20,4 und 21,18 – wenngleich nicht in der 1. Pers. Plur. verfasst – vermutlich noch der Quelle zu, so dass von der Aufzählung der Gemeindedelegierten über die Reisestationen bis zur Ankunft bei Jakobus ein fester Zusammenhang erkennbar wird. Koch verbindet diese Textbeobachtung mit der „Annahme eines Rechenschaftsberichts der Kollektendelegation“2, der „dazu diente, nach der Rückkehr von den einzelnen Gemeinden Rechenschaft über die Durchführung der Kollektenaktion zu geben.“3 Wir stellen zunächst das Problem, weshalb in dieser Quelle und ihrer lukanischen Bearbeitung bzw. Aufnahme der Zweck, Rechenschaft über die Kollekte zu geben, keine Erwähnung findet, zurück. Vielmehr ist zunächst den Indizien nachzugehen, die darauf schließen lassen, dass Lukas bzw. seine Quelle hier wirklich auf eine KollektendelegationKollektendelegation zurückgeht.

Apg 20,4$Apg 20,4 ordnet die Reisegruppe, die Paulus auf dem Weg nach Syrien begleitet, nach lokalen Gesichtspunkten, d.h. unter dem Gesichtspunkt der Repräsentation der einzelnen Gemeinden durch Delegaten oder aber auch der Entsendung der Delegaten durch die Gemeinden an. Für Beröa tritt Sopater, der Sohn des Pyrrhus, die Reisebegleitung an. Man wird ihn als den in Röm 16,21 genannten Sosipater identifizieren dürfen.4 Thessalonich wird vertreten durch Aristarch und Sekundus. Apg 27,2 stellt sicher, dass sich Aristarch über die Kollektenreise hinaus in der Begleitung des Paulus befindet (vgl. auch Kol 4,10).5 Die Erwähnung eines Γάϊος Δερβαῖος stellt vor textkritische und exegetische Probleme. Paulus hat die Stadt Derbe in Lykaonien sowohl auf der ersten wie auf der zweiten Missionsreise besucht (Apg 14,6.20; 16,1). Haben Barnabas und er bereits vor dem Konvent bzw. Paulus als selbstständiger Missionar im Anschluss an diesen auch hier auf eine Kollekte hingewiesen? Die Beantwortung dieser Fragen bleibt spekulativ. Die nachhinkende Zuordnung des Timotheus zu Γάϊος Δερβαῖος mag an dieser Stelle wohl dadurch veranlasst worden sein, dass Timotheus aus Lystra in Lykaonien stammt. Allerdings kann er wohl kaum als Delegat der Gemeinde in Betracht kommen, da er seit seiner Christwerdung beständiger Reisebegleiter des Paulus ist (Apg 16,3; 17,14f.; 18,5; 19,22). Daher wird gelegentlich vermutet, dass eine Erwähnung des Timotheus nicht in der Vorlage des Kollektenberichts zu lesen war, sondern erst von Lukas zugefügt wurde. Ein Gaius aus Derbe ist im Übrigen nicht bekannt, wohl aber ein Gaius aus Makedonien, der zudem in Apg 19,29 neben Aristarch, dem thessalonischen Delegaten, erwähnt wird. Die von D (gig) bezeugte Herkunftsbezeichnung Δουβ(ε)ριος hat möglicherweise eine Sachkorrektur vorgenommen und an die westnordwestlich von Philippi gelegene Stadt Doberos angeglichen, wenn nicht gar Lukas eine entgegengesetzte, aber fälschliche Korrektur seiner Vorlage vorgenommen hat.6 Es ist daher denkbar, dass auch Gaius zu den makedonischen Delegaten gehörte. Damit aber ist auch gegeben, dass sehr wohl makedonische, aber keinesfalls achaische Vertreter der Kollektendelegation angehören.7 Die Liste wird abgeschlossen durch die Erwähnung von Tychikos und Trophimos als Vertretern der Asia.8 Die Anwesenheit des Letzteren in Jerusalem wird sodann, ausgelöst durch asiatische Juden, einen Vorwand zum Vorgehen gegen Paulus hergeben (Apg 21,29; vgl. aber auch die nachträgliche Korrektur in 2Tim 4,20). Es ist nicht unwichtig, dass die Zusammensetzung dieser Delegation neben eindeutig heidenchristlichen Vertretern (auf jeden Fall Trophimos) auch judenchristliche Mitglieder kennt. Sopater zählt nach Röm 16,21 gemeinsam mit Loukios und Jason zu den Judenchristen9, außerdem auch Timotheus (Apg 16,1–3). Paulus hatte unmittelbar vor Antritt der Reise in Röm 15,26f.$Röm 15,26f. die Kollekte der makedonischen und achaischen Gemeinden betont als Gabe der Heidenchristen angesprochen. In dem gleichen Maß, in dem die Gesandtschaft des unbeschnittenen Titus zum Apostelkonvent (Gal 2,3) einen demonstrativen Charakter für die Legitimität des Heidenchristentums hat, repräsentiert nach Lukas die Delegation durch ihre Mitglieder die Einheit der Kirche aus Heiden- und Judenchristen.

Weder der vermutete Einsatz des Kollektenberichts in Apg 20,4 noch sein Inhalt und Abschluss in Apg 21,18 geben auch nur an einer Stelle etwas zu erkennen über die Funktion dieser Delegation und den Zweck der Reise. Es werden die Reisestationen und auch jeweilige Zeitpunkte durchgehend festgehalten. Auch werden die Gefahren, die mit der Ankunft in Jerusalem verbunden sind, mehrfach betont (außerhalb der redaktionell eingeflochtenen Miletrede in Apg 20,18–35 und ihres Rahmens noch in Apg 21,4.11.12–14). Die Stilisierung der Reise zu einem MartyriumMartyrium ist die lukanische Interpretation, die vom faktischen Ausgang des Geschehens her denkt. Die Leser werden hingegen über den wirklichen Zweck der Reise im Unklaren gelassen. Die Zusammensetzung der Delegation aus makedonischen, asiatischen und lykaonischen Christen lässt eher an eine Begleitung aus den wesentlichen paulinischen Missionsgebieten denken als an eine Kollektendelegation, die letztlich nach Röm 15,26 und nach 2Kor 8–9$2Kor 8–9 ausschließlich auf Achaia und Makedonien hätte zurückgreifen können. Wenn Lukas wirklich einen Kollektenbericht verwendet, dann hat dieser Bericht sich also darauf beschränkt, nicht mehr als eben Stationen, Zeiten und Namen festzuhalten. Über Anlass, Durchführung und Abschluss der Kollekte hat er geschwiegen. Oder Lukas hat jeglichen Hinweis darauf aus diesem Bericht entfernt? Das Missverhältnis zwischen den klaren Angaben zu den Delegationsteilnehmern und ihrer Funktionslosigkeit im Folgenden lässt vermuten, dass Lukas sich von den Aussagen seiner Quelle wegbewegt. Die Vorkommnisse um den asiatischen Delegationsteilnehmer Trophimus (Apg 21,29) deuten katastrophale Umstände für die Kollektenübergabe an.

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