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5. Der Verbleib der Kollekte

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Der in Apg 20,5–21,17$Apg 20,5–21,17 vorliegende Umfang des Kollektenberichts enthält keine Aussagen zur Kollekte. Ob in einer erweiterten Fassung über 21,17 hinaus etwas zu ihrer Übergabe gesagt war und ob Lukas diese Informationen zugänglich waren, entzieht sich unserer Kenntnis. Auch wenn Lukas bisher beharrlich zur Kollektenthematik im Kontext der paulinischen Mission geschwiegen hat und selbst die Existenz einer sich aus den Gemeinden zusammensetzenden Kollektendelegation zu einer Reisebegleitung des zum Martyrium schreitenden Paulus uminterpretiert hat, so geben doch wenige Hinweise im Kontext der Darstellung des Aufenthalts des Paulus in Jerusalem und Caesarea Anlass für die Vermutung, dass ihm rudimentäre Kenntnisse gegenwärtig waren. Es wird an drei Stellen festgehalten oder zumindest vorausgesetzt, dass Paulus in Jerusalem mit einer größeren Geldsumme eingetroffen ist. Ein Bezug zur Kollekte wird allerdings an keiner der Stellen hergestellt.

Am klarsten spricht Apg 24,26$Apg 24,26 diesen Sachverhalt an. Der Statthalter Felix verzögert den Prozess in Caesarea auch, weil er hofft, von Paulus Geld zu erhalten. Hiermit wird einerseits der traditionelle Topos der Bestechlichkeit der Beamten aufgerufen. Andererseits aber liegt es Lukas fern, römische Beamte ohne Not in schlechtem Licht darzustellen. Ganz ohne Anhalt an einer Tradition kann dieser Vers daher schlecht erklärt werden. Nicht auszuschließen ist, dass die langwierige Prozessverschiebung gerade im Blick auf das Vorhandensein der Kollekte einerseits und auf den Topos der Bestechlichkeit andererseits hier eine Erklärung gefunden hat.1

In der Verteidigungsrede vor dem Statthalter Felix erklärt Paulus in Apg 24,17$Apg 24,17: δι᾽ ἐτῶν δὲ πλειόνων ἐλεημοσύνας ποιήσων εἰς τὸ ἔθνος μου παρεγενόμην καὶ προσφοράς. Hinsichtlich der korrekten Übersetzung gehen die Vorschläge bezüglich der Zuordnung des εἰς τὸ ἔθνος μου auseinander. Καὶ προσφοράς hinkt zudem merkwürdig nach und scheint an Apg 21,26 erinnern zu wollen. Geläufig ist die Übersetzung: „Nach vielen Jahren bin ich gekommen, um Almosen für mein Volk zu bringen und Opfer“.2 Daneben wird übersetzt: „Nach vielen Jahren bin ich zu meinem Volk gekommen, um Almosen zu bringen und Opfer.“3 Nur wer die paulinischen Briefe und die Selbstverpflichtung des Apostelkonvents (Gal 2,10b) kennt, wird durch die Zeitbestimmung δι᾽ ἐτῶν δὲ πλειόνων an den Sachverhalt erinnert, dass Paulus die Kollekte mit erheblicher Verzögerung überbringt und in der Tat nach einem Zeitraum von etlichen Jahren Jerusalem erstmals wieder aufsucht.4 Hingegen besitzt die Wendung ἐλεημοσύνας ποιήσων … καὶ προσφοράς sprachlich keine Übereinstimmung mit denjenigen Begriffen, die Paulus für die Kollekte einsetzt (διακονία, λειτουργία, λογεία, κοινωνία, χάρις). Bezieht man hingegen beide Glieder ἐλεημοσύνας ποιήσων … καὶ προσφοράς deutlicher aufeinander, dann dienen sie dazu, Paulus als frommen jüdischen Wallfahrer zu kennzeichnen.5 Auch ist die Adressatengruppe εἰς τὸ ἔθνος μου, wenn man der zuerst genannten Übersetzung folgt, nicht mehr identisch mit derjenigen in den paulinischen Briefen, nach denen nämlich die Armen unter den Heiligen in Jerusalem, also Judenchristen Empfänger der Kollekte sind. So bleibt mit Sicherheit allein der Sachverhalt, dass Paulus mit einer größeren Geldsumme nach Jahren nach Jerusalem kommt, der an die Kollekte denken lässt. Von Lukas ist dieser Bezug allerdings nicht hergestellt worden.

Schließlich setzt der von Jakobus unterbreitete Vorschlag der Auslösung der vier NasiräerNasiräer und seine Akzeptanz durch Paulus (Apg 21,18–26) notwendig voraus, dass Paulus als im Besitz größerer Geldmittel befindlich vorgestellt wird. Die Übernahme der Auslösungskosten für vier Nasiräer sind beträchtlich, da in diesem Fall u.a. vier einjährige Schafe als Brandopfer, vier einjährige Schafe als Sündopfer und vier Widder als Dankopfer hätten dargebracht werden müssen.6 Daher wird gelegentlich vermutet, Paulus habe die Kollekte oder zumindest einen Teil derselben für die Auslösung dieser Judenchristen verwendet.7 Unter allen diskutierten Möglichkeiten zur Beantwortung der Frage nach dem Verbleib der Kollekte kann diese Vermutung immerhin für sich beanspruchen, dass sie einen gewissen Anhalt am Quellenbefund der Apostelgeschichte hat und mit der paulinischen Zielsetzung, den Armen unter den Heiligen in Jerusalem zu dienen (Röm 15,31$Röm 15,31), entspricht.8 Freilich gilt auch hier festzuhalten, dass Lukas wiederum keinen Hinweis auf die Kollekte bietet, ihm vielmehr daran gelegen ist, Paulus als frommen Wallfahrer zu kennzeichnen, der jüdische Sitten respektiert.

Die Beantwortung der Frage, welchen Ausgang die Kollektenreise denn wirklich gehabt hat, hängt nicht unwesentlich von der Überzeugungskraft der Hypothese eines Lukas vorliegenden Rechenschaftsberichts der KollektendelegationKollektendelegation und seines Umfangs ab. Da der Bericht nach Kochs Rekonstruktion mit der Ankunft in Jerusalem schließt, aber in seiner Wiedergabe in der Apostelgeschichte nichts zur Übergabe sagt, hat die Vermutung einer lukanischen Kürzung – wohl aufgrund eines negativen Ausgangs der Kollektenaktion9 – mehr Plausibilität als diejenige, der Kollektenbericht habe wohl die Reisestationen und die Delegationsmitglieder präzise festgehalten, aber sich nicht mehr zum Verbleib des Geldes geäußert. Allein die Auslösung der Nasiräer mag im Kontext der Kollekte bereits in der Quelle erwähnt worden sein und somit wenigstens eine Teilantwort auf die Frage nach dem Verbleib des Geldes geben.10 Wenn Lukas allerdings nicht auf einen Kollektenbericht zurückgreifen konnte, wohl aber um die Ankunft des Paulus in Jerusalem im Besitz erheblicher Geldmittel wusste (Apg 21,26a; 24,17.26), muss nicht notwendig die Folgerung eines absichtlichen Verschweigens gezogen werden. Zunächst sei in Erinnerung gerufen, dass Lukas grundsätzlich im Kontext des Apostelkonvents, der Missionsreisen, vor allem der Berichte über das Wirken des Paulus in Makedonien und in der Achaia über eine Kollekte nichts sagt. Gewiss war die Kollekte „zur Zeit des Lukas bereits längst Vergangenheit; ihm war an dieser Stelle der Beginn des Martyriums des Paulus wichtiger.“11 Deutlich ist auch die Präzisierung der Jerusalemreise als einer frommen Wallfahrt (Apg 20,6.16) in ungebrochener Zuordnung zu Tempel (Apg 21,26) und Volk Israel (Apg 24,17).

Um über die Sachgemäßheit dieses Bildes und über die These eines möglichen Verschweigens der Kollekte urteilen zu können, möchte ich festhalten, was aus paulinischen Aussagen zur Kollekte zu erheben und was überhaupt für Lukas vorauszusetzen ist. Der Stellenwert der Kollektenaktion scheint innerhalb der Gemeinden gering gewesen zu sein. Zwar spricht Röm 15,26$Röm 15,26 abschließend von einem Kollektenbeschluss der makedonischen und achaischen Gemeinden (ohne jegliche Erwähnung einer auf dem Apostelkonvent eingegangenen Verpflichtung), 2Kor 8–9$2Kor 8–9 zeigt jedoch, dass allenfalls die makedonischen Gemeinden freiwillig für die Kollekte eingetreten sind, während die achaischen Gemeinden durch Boten zu einem Abschluss der Sammlung genötigt werden müssen. Die Beschreibung der Kollektendelegation nennt aber keine achaischen Vertreter. Wenn man zugleich deutlich zwischen der Erinnerung an die Vereinbarung in Gal 2,10a, die Barnabas und Paulus als Vertreter der antiochenischen Gemeinde betraf, und der eigenständigen Kollekte des Paulus12, deren Abschluss in die letzte Phase seines Wirkens fällt, unterscheidet, dann wird das paulinische Anliegen und seine spezifische Interpretation der Kollekte nur derjenige nachvollziehen können, der 2Kor 8–9 und den Römerbrief gelesen hat. In diesen Schreiben tritt Paulus in sehr persönlicher Weise für die Durchführung der KollekteKollekte ein, um durch sie die Verbundenheit der Heidenchristen mit der Jerusalemer Gemeinde zu demonstrieren. Da Lukas keine Kenntnis paulinischer Briefe in der Apostelgeschichte zeigt, wird man folgern dürfen, dass Lukas offensichtlich auch nicht bekannt war, „welche Bedeutung Paulus mit diesem Zeichen der Solidarität der Heidenchristen mit der Mutterkirche in Jerusalem beigemessen hatte.“13

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