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3. Die Polemik gegen die Verehrung von Menschen- und Tierbildern im hellenistischen Judentum

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Nach einer oft vorgetragenen Sicht bezieht sich die Aufzählung in Röm 1,23b konkret auf ägyptische Religiosität, die, wenn auch nicht ausschließlich, bereits in SapSal angegriffen wurde.1 Paulus würde sich demnach an die jüdische Apologetik und Polemik anschließen, die in der Diaspora ausgearbeitet wurde.2 Es lohnt, einen Blick in diese zum Neuen Testament zeitgleiche Schrift und in wenige weitere Schriften des hellenistischen Judentums zu werfen, um das bereits gewonnene Bild von anderer Seite her zu komplettieren und um es besser einordnen zu können. Die Verehrung von Menschen hat im Osten des Römischen Reiches, vor allem in Ägypten, eine weit zurückreichende Tradition. Sie und die von jüdischer Seite vorgetragene Kritik an Herrscherkult und seiner bildhaften und kultischen Inszenierung soll hier nicht nochmals bedacht werden.3 Vielmehr möchte ich vornehmlich der Kritik der bildhaften Darstellung von Tieren nachgehen. Zunächst sind wesentliche Belege aus SapSal vorzustellen4:

 SapSal 11,15f.$SapSal 11,15f.: Entsprechend ihren Gedanken ohne Verstand und voll Ungerechtigkeit, die sie verwirrten und vernunftlose Schlangen und armselige Biester anbeten ließen, schicktest Du ihnen massenweise vernunftlose Tiere zur Strafe, damit sie erkennten (sic!), daß man mit den Mitteln gestraft wird, mit denen man sündigt.

 SapSal 12,24$SapSal 12,24: Sie wurden nämlich sogar durch mehr als nur durch Verwirrung der (Himmels-) Richtungen in die Irre geführt, sie, die die allerschändlichsten unter den Tieren für Götter hielten, getäuscht gleich törichten Säuglingen.

 SapSal 13,10$SapSal 13,10: Armselig aber sind sie und mitten unter Toten (existieren) ihre Hoffnungen. Sie, die die Werke von Menschenhänden Götter nennen, Gegenstände (ihrer) Kunstfertigkeit aus Gold und Silber, Abbildungen von Tieren oder unnützen Stein, ein Werk von antiker Herkunft.

 SapSal 13,13f.$SapSal 13,13f.: Ein Stück Abfall, das dann zu gar nichts mehr nütze ist, ein knorriges Holz mit Astlöchern durchsetzt, das nimmt er und schnitzt es in der Muße seiner Freizeit, formt daran während des Feierabends und gleicht es dem menschlichen Bilde an, oder er macht es dem armseligen Tiere gleich …

 SapSal 15,18$SapSal 15,18: Sogar die verhasstesten Tiere verehren sie; denn wenn man sie in Bezug auf den Unverstand vergleicht, so sind sie noch schlimmer als die anderen.

 SapSal 16,1$SapSal 16,1: Deshalb wurden sie durch ähnliche (Wesen) in angemessener Weise bestraft, und zwar wurden sie durch eine Menge von wilden Tieren gemartert.

Diese Belege finden sich alle in dem Abschnitt 11,2–19,22, der in Form einer Synkrisis über das Verhalten Gottes zu den Gerechten und zu den Gottlosen handelt. SapSal 11,15f. bedient sich gleichfalls des ius talionis, insofern die ägyptischen Plagen durch Tiere (Ex 7,26–8,28; 10,1–20) als Strafe für den Tierkult der Ägypter aufgefasst werden. Polemisch werden die verehrten Tiere zu vernunftlosen, armseligen, allerschändlichsten, verhassten Wesen degradiert.

Eine nähere Auskunft über die Wahrnehmung des ägyptischen, freilich zum Teil längst vergangenen Tierkults aus jüdischer Perspektive enthalten folgende Texte (hier in deutscher Übersetzung):

 Aristeasbrief 138$Aristeasbrief 1385: Lohnt es sich da, über die anderen, noch viel dümmeren zu reden, die Ägypter und ähnlichen (Völker), die an Tiere glauben, und dabei noch meistens an Kriech- und Raubtiere, und ihnen opfern, lebendigen, wie auch ihren Kadavern.

 Sib III 27–31$Sib III 27–316: Er selbst hat die Gestalt des Bildes der Menschen bestimmt und hat wilde Tiere geschaffen, Kriechtiere und Vögel. Weder verehrt ihr noch scheut ihr Gott, vergeblich irrt ihr umher, indem ihr Schlangen anbetet und Katzen opfert und stummen Götzenbildern, aus Stein gefertigten Menschenbildern.

 Philo, Decal 76–78$Philo, Decal 76–787: „Keiner also, der eine Seele besitzt, möge einem unbeseelten Dinge göttliche Verehrung erweisen, denn es ist geradezu widersinnig, wenn die Geschöpfe der Natur sich göttlicher Verehrung der von Menschenhand verfertigten Gegenstände zuwenden. Die Ägypter aber trifft zu dem allgemeinen Vorwurf gegen jedes Land noch ein ganz besonderer: denn außer Schnitzbildern und Bildsäulen haben sie gar noch vernunftlose Tiere in die Götterverehrung eingeführt, Stiere, Widder und Ziegenböcke, und von jedem eine Wunderfabel hinzugedichtet. Indessen, die Verehrung dieser Tiere hat vielleicht noch einen Sinn, denn sie sind doch die zahmsten und für das Leben der Menschen nützlichsten Tiere. Nun aber gehen sie noch weiter und ehren auch ungezähmte Tiere und unter diesen die wildesten und unbändigsten, wie Löwen und Krokodile und von Kriechtieren die giftige Aspis, mit Tempeln und Hainen, mit Opfern, Festversammlungen, Festaufzügen und ähnlichen Dingen […] Und viele andere Tiere, wie Hunde, Katzen, Wölfe, von Geflügeltieren Ibis und Habicht, endlich Fische, entweder ganz oder Teile von ihnen, haben sie vergöttert. Was aber kann lächerlicher sein als dieses?“

 Josephus, Ap I 254$Josephus, Ap I 2548: „Was für Götter? Sollen es die gewesen sein, die bei den Ägyptern als solche galten, der Stier, der Bock, Krokodile und Hundsaffen […]“

Die vorgestellten Belege werden natürlich der Religion des alten Ägypten und der Vorstellung, dass Götter in KultbilderKultbildern und in Tieren Wohnung nehmen können, nicht gerecht, insofern die Unterscheidung zwischen Gottheit und jeweiliger Wohnstatt der Gottheit nivelliert wird.9 Sie gehen auch nicht detailliert auf spezifische Tiere oder Tiergattungen und ihre Zuordnung zur Gottheit ein, sondern greifen das heraus, was der polemischen Abzweckung dient. Diese bewegt sich im Übrigen in einer von römischer und griechischer Seite geteilten Kritik, wenngleich die jüdische Verweigerung in ihrer Grundsätzlichkeit von dieser Seite gleichfalls getadelt wird (Tacitus, Hist V 5; Juvenal, Sat 15,1–3). Eine Begründung der Ablehnung der Verehrung von Tier- und Menschendarstellung wird in der Linie zu suchen sein, die Josephus vorgibt. Er geht grundsätzlich von der Unmöglichkeit aus, Gott bildlich darzustellen (Ap II 75.167.190f.). Er rezitiert sodann in Ant III 91 den Dekalog nicht wörtlich, sondern paraphrasiert und interpretiert Ex 20,4. Zum zweiten Gebot schreibt er: „das zweite schreibt vor, dass man keines Tieres Bild anbeten darf“ (ὁ δὲ δεύτερος κελεύει μηδενὸς εἰκόνα ζῴου ποιήσαντας προσκυνευεῖν). Allerdings muss man sehr bedacht unterscheiden zwischen restriktiven theologischen Grundsätzen und ihrer Anwendung.10 Die Polemik unterstellt leicht den Heiden in der Diaspora einen undifferenzierten TierkultTierkult. Die ApologetikApologetik der eigenen Religion hat jedoch größte Schwierigkeiten, das durchaus vorhandene Bildmaterial innerhalb der jüdischen Frömmigkeit zu interpretieren.11 Michael Tilly spricht in einem jüngeren Beitrag etliche Beispiele für unterschiedliche Auffassungen gegenüber der bildenden Kunst innerhalb des Judentums an, auch ihrer Verwendung im Synagogenbau12, und er fragt, „ob die angebliche grundsätzliche Bildlosigkeit der jüdischen Religion nicht vielmehr eine vorurteilsbehaftete neuzeitliche Vorstellung ist, beeinflusst durch antijüdische Ideen“.13 Auf jeden Fall wird man also differenzieren müssen und die Funktion der oben besprochenen polemischenPolemik Aussagen zum ägyptischen Tierkult bedenken müssen. Dieser dient als hervorragendes Instrument für eine Abgrenzung, da der Superioritätsanspruch der eigenen Religion als der ‚besseren, der vernünftigeren Religion‘ leicht bewiesen werden kann: Tiere gelten als seelenlos, armselig, vernunftlos und unverständig, sie stehen teilweise in Feindschaft zum Menschen. Abbildungen von Tieren sind von Hand gemacht und also vergänglich. Tiere sind Teil der Schöpfung und daher immer vom Schöpfer zu unterscheiden.

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