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1 Einleitung

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In deutschen Publikationen ist sowohl der Begriff »Gender-Studien« als auch der Terminus »Geschlechterforschung« zu finden. Es ist erfreulich, dass dieses Handbuch den übergreifenden Titel Gender und Religion trägt, bezieht sich doch das englische Wort gender auf ein größeres semantisches Feld als das biologisch verstandene »Geschlecht«. Die neuen Perspektiven, revolutionären Erkenntnisse und kühnen Theorien, die seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in den Gender-Studien entwickelt worden sind, haben zu einem Paradigmenwechsel in den Sozial- und Geisteswissenschaften geführt. Noch wird er allerdings nicht von allen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen wahrgenommen. Obwohl die Religionswissenschaft einige Pionierinnen auf dem Gebiet der Gender-Forschung besitzt, sind gender-spezifische Fragestellungen und Methoden in der Religionswissenschaft später als in anderen Wissenschaften akzeptiert worden.1 Noch gibt es Forschende, die keine gender-kritische Umwandlung ihres Bewusstseins vollzogen haben oder diese neue Denkrichtung bewusst pflegen.

Inzwischen sind jedoch selbst in der Religionswissenschaft so viele Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Gender-Studien zu finden, dass ein Überblick bereits nahezu unmöglich geworden ist. Das ganze Gebiet ist lange von nordamerikanischen und englischsprachigen Publikationen dominiert worden. Inzwischen gibt es jedoch wissenschaftliche Arbeiten über Gender und Religion in vielen Weltsprachen. Die Forschungsaktivität auf diesem Gebiet hat globale Dimensionen angenommen. Dies wird ersichtlich aus den langen Übersichtsartikeln, die sich in der zweiten, im Jahre 2005 erschienenen Ausgabe der internationalen Encyclopedia of Religion befinden und auf 125 Seiten 20 verschiedene Religionen der Welt aus der Gender-Perspektive behandeln.2 Es ist überwältigend, wie viele Frauen, aber auch einige Männer, in einer relativ kurzen Zeitspanne – seit der ersten Auflage dieses religionswissenschaftlichen Standardwerkes – religiöse Lehren und Texte aus geschlechtsspezifischer Perspektive kritisch untersucht haben. Ebenso bemerkenswert ist, wie viele Parallelen patriarchaler Unterdrückung und androzentrischen Denkens in den verschiedenen Religionen in vergleichenden Untersuchungen aufgedeckt worden sind.

Diese Forschungen stehen in starkem Gegensatz zur oft zu findenden »Gender-Blindheit« vieler Religionswissenschaftler; doch muss ebenfalls auf die oft vorhandene »Religionsblindheit« vieler säkularer Gender-Spezialisten hingewiesen werden. Ich spreche deswegen von einer »doppelten Blindheit«. Sie muss von beiden Seiten bekämpft werden. Außerdem möchte ich von Anfang an klar machen, dass Gender nicht einfach ein Synonym für Frauenforschung ist, obwohl es oft in diesem Sinne gebraucht wird. Gender bezieht sich auf Frauen und Männer, auf die gesamte Menschheit. Der Begriff muss also inklusiv verstanden werden.

Ich werde im Folgenden zunächst den Gender-Begriff erörtern. Danach folgen eine Beschreibung einiger Gender-Forschungsperspektiven in der Religionswissenschaft sowie eine kurze Skizze des brisanten Themas Gender und Spiritualität. Am Ende werden einige abschließende Betrachtungen gemacht.

Handbuch Gender und Religion

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