Читать книгу Handbuch Gender und Religion - Группа авторов - Страница 34

5 Orientierung im Gemenge der Zugänge

Оглавление

Die geringe Aufmerksamkeit, die Frauen und Rollen der Geschlechter in der Forschungs- und in der Religionsgeschichte entgegengebracht wurde, stellte in der Kritik an den bis in die späten Neunzigerjahre dominierenden »androzentrischen« Positionen ein wichtiges Argument dar. Die zweite zentrale Argumentationslinie wurde in der empirischen Erforschung gegenwärtiger religiöser Systeme entwickelt:15 In der Situation der Feldforschung wurde bereits früh klar, dass die Denkschemen vom Forscher als Subjekt und Erforschtem als Objekt der Forschung nicht in der Lage waren, die Situation der Begegnung zwischen Fachleuten und Angehörigen der erforschten religiösen Symbolsysteme zu erfassen.16 So mutierte beispielsweise die starre Subjekt-Objekt-Beziehung in Interviews oder in Situationen von teilnehmender Beobachtung zu einer höchst komplexen Dialogsituation zwischen Beteiligten mit unterschiedlichen Interessen. Darüber hinaus erscheint es als evident, dass die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht für die Bestimmung der Beobachtungs- und Begegnungsmöglichkeiten maßgebend ist. Die Geschlechtsunterschiede ermöglichen oder versperren bestimmte Einblicke in religiöse Gemeinschaften, in denen klare Rollenzuweisungen für die verschiedenen Geschlechter bestehen. Eine respektvolle Wahrnehmung dieser Unterschiede einerseits und die weltanschauliche, ethische, politische, soziale und emotionale Einbindung andererseits machen die Beobachtungssituation im Feld zu einem besonderen Fall von zwischenmenschlicher Beziehung. Dazu notiert Kim Knott 1995 folgende Gedanken in einem Forschungstagebuch:

If you see someone drowning while you’re doing your fieldwork and they’re part of the community you’re studying, and if you’re a strong swimmer, do you stand on the bank and watch them drown or do you dive in and save them? You know, fieldwork is active work, where we are in relationship with people. Questions of responsibility, ethics, politics come into those things. How can they be left on one side? They may be able to be left on one side for half of the time, but there will be occasions which come up that demand that we be ourselves in the interview situation.17

Wir kommen also wieder zum Thema der Distanz, die für die wissenschaftliche Arbeit nötig ist, und der Voreingenommenheit, die aus hermeneutischen und zu einem guten Teil auch aus persönlichen Gründen nicht zu vermeiden ist, sowie der aus dieser Kombination gegensätzlicher Haltungen resultierenden Verwirrung. Wie soll man sich nun in der Untersuchung von Religionen in Gegenwart und Geschichte situieren? Wie kann man sich orientieren im Gemenge der Zugänge, zwischen den etischen und den emischen Perspektiven,18 zwischen der vom Ideal der Objektivität geprägten Forschungstradition und dem Bedürfnis einer sachgerechteren, schärferen Brille, welche die Rolle der Geschlechter als wesentlichen Aspekt von religiösen Symbolsystemen wahrzunehmen vermag?19

Handbuch Gender und Religion

Подняться наверх