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4 Zur Fachgeschichte

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In der Auseinandersetzung mit der Fachgeschichte stellt man eine eigentümliche Korrelation fest: In der Religionswissenschaft, die das Postulat der wertfreien, objektiven Betrachtung stark betont hat, wurde lange Zeit die Präsenz der Frauen als Akteurinnen innerhalb der verschiedenen religiösen Symbolsysteme und innerhalb des Faches weitgehend ausgeblendet oder als irrelevant betrachtet. In den vielfältigsten Zugängen zur Religion wurde bis ins 21. Jahrhundert der homo religiosus meistens (implizit) mit einem Mann, dem vir religiosus, identifiziert.9

Ein Blick in die Handbücher, mit denen neue Generationen von Religionswissenschaftlerinnen und Religionswissenschaftlern in die Forschungsgeschichte eingeführt werden, bestätigt die von vielen Seiten erhobene Kritik einer androzentrischen Sichtweise im Umgang mit den sogenannten Klassikern. Beispielsweise wissen sowohl Jacques Waardenburgs Classical Approaches to the Study of Religion (1973) als auch Axel Michaels’ Klassiker der Religionswissenschaft (1997) von keiner einzigen Frau zu berichten, die in den letzten 200 Jahren einen nennenswerten Beitrag zur Erforschung der Religionen geleistet hätte. Ursula King fasste 1995 den Stand der Dinge wie folgt zusammen:

As far as I know, no historical investigation has been undertaken up to now to establish how far women writers, missionaries and scholars made a significant contribution to the rise and development of the modern study of religion.10

Dass diese Unsichtbarkeit weiblicher wissenschaftlicher Beiträge kaum auf historischen Sachverhalten beruhen kann, bedarf keiner weiteren Hinweise, wie zahlreiche Arbeiten nun belegen.11 Darüber hinaus erweisen sich in diesem Zusammenhang die Listen der Teilnehmenden an den Kongressen der International Association for the History of Religions zwischen 1908 bis 1985 als aufschlussreich, die eine bemerkenswerte, in bestimmten Jahren sogar hohe Anzahl Teilnehmerinnen belegen. Viel niedriger im Vergleich erscheint hingegen die Anzahl Frauen, die Vorträge hielten oder Sessionen leiteten.12

Die Unsichtbarkeit der wissenschaftlichen Beiträge der Frauen zur Erforschung von Religionen in der Fachgeschichtsschreibung wird von vielen Autoren und Autorinnen mit der extrem dünnen weiblichen Präsenz in den akademischen Institutionen in Verbindung gebracht. Männliche Forscher seien demnach kaum an den Leistungen von Forscherinnen und auch nicht an Fragen nach Bezeichnung, Trennung und Rollen der Geschlechter innerhalb von religiösen Symbolsystemen interessiert. Die wenigen Ausnahmen, wie zum Beispiel Heilers Die Frau in den Religionen der Menschheit (1977) scheinen diese Feststellung zu bestätigen.13

Die Aufmerksamkeit für Frauen und allgemeiner für gendergebundene Aspekte in der Religionswissenschaft wurde vor allem unter dem Einfluss feministischer Bewegungen innerhalb und außerhalb der Wissenschaft in den späten siebziger Jahren geweckt und hat sich erst in den letzten Jahren als wesentliche Komponente religionswissenschaftlicher Arbeit etabliert.14

Handbuch Gender und Religion

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