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2.1 #MeToo, feministische Vernetzung und Empowerment

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Die Sichtbarkeit feministischer Themen ist durch das Eindringen in die digitale Öffentlichkeit ebenfalls stark erhöht worden. Hashtags wie #aufschrei, #MeToo und #TimesUp haben den Diskurs um sexualisierte Gewalt, Objektivierung und Sexismus befeuert und sichtbar gemacht. Auch diente das Internet als Möglichkeit der Vernetzung und konnte betroffene Personen empowern, indem ihre Sprachlosigkeit durchbrochen wurde und (virtuelle) Gemeinschaft entstand.28 Die Hashtags machten sichtbar, was in den Gender Studies und Sozialwissenschaften bereits wissenschaftlicher Konsens war – Millionen Frauen hatten Erfahrungen mit Sexismus in unterschiedlicher Stärke gemacht.29

Das soziale Netzwerk Twitter ermöglicht durch das Einbinden von Hashtags ein einfaches Instrument zur Netzwerkbildung und zum Erreichen einer breiteren Öffentlichkeit. Dies gelang 2013 beispielsweise mit dem #aufschrei, der Alltagssexismus thematisierte und von der Feministin Anne Wizorek ins Leben gerufen wurde. Andere Beispiele sind u.a. #whyIstayed und #whyIleft, die sich mit häuslicher Gewalt auseinandersetzten. Das Erfolgskonzept der Hashtags liegt hier einerseits in der Teilanonymität von Twitter (virtuelle Kommunikation, nur teilweise Klarnamen) und anderseits in dem Kreieren eines Safespace, der durch gegenseitige Bestätigung entsteht und so Ohnmachtsgefühle überwinden kann.30

Ein anderes Ausmaß nahm die Sichtbarkeit des Hashtags #MeToo an, der innerhalb kürzester Zeit zu einer eigenen Bewegung wurde. Schlüsselfiguren sind hier die Menschenrechtsaktivistin Tarana Burke – die erstmals den Ausdruck MeToo (hier noch offline) nutze, um auf sexualisierte Gewalt aufmerksam zu machen, wie auch die Schauspielerin Ashley Judd, die 2018 eine Klage wegen sexueller Belästigung und den damit verbundenen negativen Folgen für ihre Karriere gegen den Filmproduzenten Harvey Weinstein erhob und zudem zu einer der ersten gehörte, die ihn öffentlich der sexuellen Belästigung beschuldigte. Eine weitere Schlüsselfigur ist die Schauspielerin Alyssa Milano, die 2017 den Hashtag #MeToo startete. #MeToo wurde zur Bewegung, in andere Sprachen übersetzt und schuf ein transnationales feministisches Netzwerk. Als Reaktion auf #MeToo trugen viele Schauspieler_innen auf den Golden Globes 2018 schwarze Kleidung und kamen in Begleitung eines_einer Aktivist_in. Zudem wurde der Hashtag #TimesUp gegründet, der Taten nach #MeToo fordert: TimesUp gilt als Bewegung aus #MeToo und hat beispielsweise 22 Millionen Dollar zur Unterstützung von Frauen, die sexuell belästigt wurden, gesammelt.31

Die Soziologin Ilse Lenz spricht #MeToo ein produktives Potenzial zu, das neue Impulse setzt, ist doch die Kernaussage: »Frauen [wollen] selbst ihren Körper und ihre Sexualität bestimmen […]: Sie wollen Erotik, Flirts und Sexualität leben und von sich aus gestalten und nicht mehr als Objekt von Gewalt und Belästigung dienen.«32 Die Debatte, die #MeToo nach sich zog, verhandelt zentral die Themen Fremdbestimmung und (erwünschte) Sexualität wie auch gegenseitige Solidarisierung. Kritiker_innen der Bewegung problematisierten Täter_innenpersonalisierung und bezeichnen #MeToo als Ausdruck von Männerhass. Aufgefangen wurde dies u. a. durch Männer, die #MeToo ebenfalls nutzten, und durch die Kampagne #Him-Tough, die männlichen Aktivismus gegen sexuelle Gewalt sichtbar machte. Zudem wurde Aktivistinnen (hier spezifisch weiblich) von #MeToo vorgeworfen, sie seien lediglich prüde – der Prüderievorwurf ist ein wiederkehrendes Motiv im Kontext antifeministischer Gegenrede.33 #MeToo macht die Verwobenheit verschiedener Diskurse öffentlich. So formuliert Paula-Irene Villa: »Wir haben es […] unter der Chiffre #metoo mit einer allgegenwärtigen Struktur zu tun, die sich gleichwohl sehr heterogen, graduell und vor allem höchst kontextspezifisch realisiert.«34 Zentral für den Erfolg von #MeToo ist jedoch die Prominenz der beteiligten Personen, die ihre Öffentlichkeit für den Diskurs nutzen konnten.

#MeToo ist ein eindringliches Beispiel für feministische Netzwerke und deren Wirkmächtigkeit, visualisiert der Hashtag doch die erschlagende Menge an Erfahrungen sexueller Gewalt von Frauen und ordnet sie strukturell ein. Dass der Hashtag so ein Potenzial entwickeln konnte, führt die Kulturwissenschaftlerin Gabriele Dietze auch auf die Präsidentschaft von Donald Trump zurück, die zu einer »Renaissance des Frauenrechts-Aktivismus geführt«35 hat.

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